London (Part IV): Tag 1

Seit Tagen schon will ich mit der Nachlese zu „London (Part IV)“ beginnen, weiß aber nicht so recht, wie.

Vielleicht sollte ich mit der Vorfreude anfangen. Nach den Aufenthalten 2016 und 2017 habe ich 2018 einmal aussetzen müssen, des Jobwechsels wegen. Das ist mir überraschend schwergefallen. Zum Ausgleich nahm ich mir für 2019 einen längeren Aufenthalt auf der Insel vor. Ein paar Tage London, dann vielleicht hoch nach Schottland. Oder in den Lake District. Oder den Peak District. Oder in die Yorkshire Dales. Oder erstmal nach Wales. Aber da war ja auch noch die Sache mit dem Brexit. Man erinnere sich: Im Februar, als ich meinen Urlaub zu planen begann, stand als Austrittstermin noch der 29. März zur Debatte. Einen zwei- bis dreiwöchigen Aufenthalt ausschließlich mit ÖPNV-Transfers mitten ins „Deal or No Deal“-Ungewisse zu verlegen – vielleicht doch keine so gute Idee. Ich verwarf meine Überlegungen, entschied mich per Unterkunftsreservierung zu einem sechstägigen Londonaufenthalt und buchte daneben noch einen zehntägigen Ostsee-Segeltörn.

Ich hätte im Traum nicht gedacht, dass zum Zeitpunkt meines Aufenthalts der Brexit immer noch nicht vollzogen sein würde. Von der Möglichkeit, dass Boris Johnson britischer Premierminister werden könnte ganz zu schweigen.

Die London-Tage mit Inhalt zu füllen, fiel mir angesichts des reichhaltigen Angebots nicht sonderlich schwer. Die BBC Proms waren natürlich gesetzt, außerdem wollte ich als bekennender NT Live-Fan unbedingt auch mal eine National Theatre-Produktion vor Ort besuchen. Das Musical („Jesus Christ Superstar“) im Barbican Centre reizte mich weniger, die Backstage-Führung dafür umso mehr. Und noch während ich über den Kauf eines Tickets für ein Kammermusikkonzert in St Martin in the Fields nachsann, kündigten Erased Tapes zu ebendiesem Datum einen Auftritt von Nils Frahm im Londoner Süden an. Innerhalb kürzester Zeit baute sich so in meinem Terminkalender eine nahezu perfekte Aneinanderreihung von Highlights auf. Die Tage bis zum Abreisedatum zogen und zogen sich…

Die Anreise verläuft ohne jeden Zwischenfall. Bis zum Check In-Zeitfenster meiner Unterkunft habe ich eine knappe Stunde zu überbrücken. Da kommt mir der wöchentliche Farmers Market auf bzw. am Queen’s Lawn sehr gelegen. Bei strahlendem Sonnenschein stärke ich mich mit einem Pulled Lamb-Burger und einem extrem schokoladigen Brownie – ein guter Anfang. Es ist Mittagspausenzeit: Der Markt ist gut besucht, das Publikum überwiegend studentisch und sehr international. Anschließend setze ich mich ein Viertelstündchen in den Innenhof des Beit Quadrangle, einem Gebäudekomplex unmittelbar neben der Royal Albert Hall, in dem auch mein Zimmerchen liegt. Wie schon vor zwei Jahren habe ich mich auch diesmal wieder in eines der Studentenwohnheime des Imperial College eingebucht. Beit Hall ist von außen wesentlich hübscher als Prince’s Gardens. Von innen betrachtet entpuppt sich die historische Substanz jedoch als weniger charmant. Dessen ungeachtet ist das Zimmer sauber und ordentlich und für meine Zwecke vollkommen ausreichend. Ich habe Glück: Das Fenster geht nach hinten raus, zum Hinterhof der Holy Trinity Church. Der Innenhof des Beit Quadrangle mag idyllisch erscheinen, beherbergt aber eine Bar mit Außenplätzen und der beachtliche Lärmpegel sinkt auch nach Beginn der offiziellen Nachtruhe nicht signifikant. Gut zu wissen fürs nächste Mal.

Nach dem Bezug des Zimmers muss ich erst einmal richtig ankommen. Ich laufe um die Albert Hall Richtung Albert Memorial und Kensington Gardens.

Italian Gardens
Italian Gardens

Fast zwei Stunden lang spaziere ich durch den Park und komme schließlich an einem schattigen Plätzchen im „Sunken Garden“ des Kensington Palace zur Ruhe. 2017 noch als „White Garden“ zu Ehren von Diana, Princess of Wales gestaltet, steht hier 2019 der 200. Geburtstag von Queen Victoria im Vordergrund.

Im collegeeigenen Minisupermarkt besorge ich mir anschließend meinen Lieblingstee und ein Sandwich und stimme mich auf den abendlichen Programmpunkt ein: die Prom 44 „Belshazzar’s Feast“ mit Sir Simon Rattle, dem London Symphony Orchestra, Gerald Finley, dem London Symphony Chorus, dem Orfeó Català und dem Orfeó Català Youth Choir.

BBC Proms 2019
BBC Proms 2019

Ich habe im zweiten Anlauf einen Gangplatz in den Stalls ergattert, Buchstabe M, Reihe 9, mit einem sehr guten Blick auf die Bühne. Schon nach wenigen Minuten vor Ort fällt mir ein Mann auf, der schräg gegenüber sitzt, von zahlreichen Konzertbesuchern persönlich begrüßt wird und mir irgendwie bekannt vorkommt. Das Sitzen fällt ihm schwer. Er wirkt angespannt, springt immer wieder auf und unterhält sich mit einer Reihe von Personen direkt hinter mir, die mit spanischem Akzent sprechen. Offenbar geht es um eine Reise nach Schottland am folgenden Tag. Es dauert eine Weile, bis mir aufgeht, dass dies sich eventuell auf den Gastchor des Abends, dem Orfeó Català, bezieht.

Schließlich beginnt das Konzert und zunächst haben Sir Simon Rattle und das LSO meine volle Aufmerksamkeit. „Les Bandar-Log“ von Charles Koechlin und „Amériques“ von Edgard Varèse gefallen mir gut. Leider fällt die knackige Schärfe einiger Passagen – insbesondere des Stücks von Varèse, bei dem sage und schreibe zehn Schlagwerker zum Einsatz kommen – der halligen Akustik zum Opfer. Was aber durch die sehr spezielle Proms-Stimmung mehr als wettgemacht wird. Insbesondere der Einsatz von Sirenenlauten in „Amériques“ löst beim Publikum Heiterkeit aus. Eine Reaktion wie diese hätte in der Elbphilharmonie bei einem Abokonzert oder einer Veranstaltung im Rahmen des Internationalen Musikfests vermutlich peinlich gewirkt. Die BBC Proms sind dagegen schon von der Grundidee her kein elitäres Festival und allein deshalb niemals bierernst zu nehmen. Dazu tragen nicht zuletzt die Prommers mit ihren teils bizarr anmutenden Ritualen bei. Wer die „Konzerte für Hamburg“ ins Feld führt, übersieht, dass diese Reihe für ein lokales, wenig klassikaffines Publikum konzipiert ist und im Konzertprogramm eine Nebenrolle spielt. Was man von den BBC Proms nun wirklich nicht behaupten kann. Eine riesige musikalische Bandbreite, Karten in allen Preisklassen, extensive Übertragung in Funk und Fernsehen: „Für alle“ funktioniert hier. Und sei es auch nur auf diesem einen Sektor.

Zurück zur Prom 44. Die Pause beginnt und mein Gegenüber wird zusehends nervöser. Ein Eisverkäufer läuft an mir vorbei, ich stoppe ihn, gönne mir einen Becher und freue mich darüber, den Zuschauerraum dafür nicht verlassen zu müssen. Rund drei Jahre sind vergangen seit meinem ersten und bisher einzigen Proms-Konzert. Eine gefühlte Ewigkeit. Ich will die Atmosphäre in vollen Zügen auskosten.

Der zweite Teil des Konzerts besteht aus „Belshazzar’s Feast“, einer Kantate von William Walton. Ich kannte zuvor weder das Stück noch den Komponisten und komplettiere meine Konzertvorbereitung durch das zwar werbelastige, aber ansonsten gut gestaltete Programmheft. In der Albert Hall werden nun alle Register gezogen: Im Gestühl hinter der Bühne mit dem LSO ziehen rund 300 Sängerinnen und Sänger auf, der Orgelspieltisch wird besetzt. Henry Woods Büste wirkt plötzlich sehr klein. Zwischenzeitlich bin ich mir nicht sicher, ob Orchester und Chöre noch synchron sind, aber auch hier wird die Raumakustik eine Rolle gespielt haben. Der Wirkung tut das keinen Abbruch. Ich bin überwältigt.

Dennoch fällt mein Blick immer wieder auf den nervösen Herrn jenseits des Ganges. Er sitzt wie auf Kohlen, singt, nein, fiebert jeden Choreinsatz mit. Kaum ist der letzte Ton verklungen, springt er auf, rast wie der Blitz aus dem Zuschauerraum, um wenige Minute später neben Sir Simon Rattle auf der Bühne aufzutauchen. Ich zücke mein Smartphone, bemühe Tante Google und finde heraus, dass es sich um Simon Halsey handelt, dem Leiter des London Symphony Chorus und Chordirektor des Orfeó Català. Er darf neben gleich drei Ehrendoktortiteln vor seit 2015 auch ein „CBE“ hinter seinem Namen führen, hat die „Queen’s Medal for Music“ verliehen bekommen und ist obendrein noch Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse. Laut Wikipedia hat er in Deutschland u. a. mit den Berliner Philharmonikern und als Berater für das Schleswig-Holstein Musik Festival gearbeitet und war von 2001 bis 2015 Chefdirektor des Rundfunkchors Berlin. Vielleicht habe ich ihn tatsächlich schon einmal auf irgendeiner Bühne stehen sehen.

Nach dem Konzert treibe ich mich noch eine Weile am Künstlerausgang herum, beobachte, wie Musiker mit ihren Instrumentenkoffern die Treppen zur Prince Consort Road hinunterlaufen und lausche dem Stimmengewirr der umher stehenden Chormitglieder. Es ist großartig. Ich bin wirklich da. Und mittendrin.

Hello London. It’s good to be back.

Wenn eine eine Reise tut (oder zwei)

Eigentlich hätte nach der Postkarte aus London noch eine zweite folgen sollen: Nach sechs prall gefüllten Tagen in der britischen Hauptstadt und einer kurzen Pufferpause war ich nämlich noch neun Tage auf dem Wasser unterwegs. Während dieser Reise, die uns an die Westküste Schwedens hätte führen sollen, habe ich jedoch kein einziges Foto geschossen. Nichtmal mit dem Smartphone. Wer mich etwas kennt, der weiß, dass das äußerst ungewöhnlich ist. Gelinde gesprochen.

Über den Törn, den ich unter „Erfahrung“ verbuche, werde ich an dieser Stelle aus verschiedenen Gründen nicht weiter berichten.

Dagegen werde ich den London-Aufenthalt natürlich nachtragen und auch mit aktuellen Fotos bebildern, denn die eingangs erwähnte Postkarte ziert ein Archivbild. Da an, neben und unter der Albert Hall schon seit geraumer Zeit fleißig gebaut wird, ist es momentan schwierig, Postkarten-Fotos von dem Gebäude zu machen.

In diesem Sinne: Fortsetzung folgt!

London (Part III): Tag 7 & 8

Finale! Es folgen die letzten beiden Tage der London-Nachlese. Was zuvor bzw. im letzten Jahr geschah, kann bei Interesse unter dem Schlagwort London nachgelesen werden.

Den Mittwochmorgen lasse ich wieder etwas ruhiger angehen. Das Wetter ist trüb und ich mache mich auf den Weg nach Little Venice.

Winter is coming
Winter is coming

Beim Umsteigen in Paddington entdecke ich eines der „Quote of the Day“-Schilder, die in manchen Tube-Stationen für Erbauung und Erheiterung sorgen. Ich bin keine „Game of Thrones“-Guckerin, aber diese Referenz erkenne ich auch ohne Insiderwissen.

Little Venice
Little Venice

Eigentlich will ich nahe der Lagoon eine weitere London Walks-Führung mitmachen, entschließe mich dann aber spontan, den London Waterbus bis Camden Lock zu nehmen.

Regent's Canal
Regent’s Canal

In Camden Lock und Stables Market ist es zunächst noch ruhig, erst gegen Mittag wird es lebhafter. Bei meinem ersten Besuch, an einem sonnigen Sonntagnachmittag, drängelten sich hier die Massen. Heute haben Amy und ich etwas mehr Luft.

Amy
Amy

Nachmittags bin ich fußläufig zum Market mit meiner Konzertbekanntschaft vom letzten Jahr verabredet. Wir essen, schwatzen und absolvieren anschließend eine Hunderunde um den Primrose Hill. Die Aussicht von dort auf die Stadt ist phantastisch, bleibt aber aus Wettergründen undokumentiert.

Später nehme ich den Bus No. 168 Richtung Waterloo Station. Linienbusfahren ist in London vergleichsweise günstig: Da es für die Oyster Cards keine Lesegeräte an den Haltestellen gibt, kostet die einfache Fahrt nur £1,50. Der Nachteil: Man steckt im Autoverkehr fest. Ich sitze im Doppeldecker oben und freue mich darüber, viel Zeit zu haben. Tägliches Buspendeln stelle ich mir nervtötend vor – sowieso, aber in London noch einmal mehr. Die Route ist immerhin unterhaltsam: Via Roundhouse und Camden Town geht es am Russel Square vorbei weiter zur Euston Station, nach Holborn, über den Strand und schließlich auf die Waterloo Bridge Richtung South Bank.

Dort angekommen, nehme ich mir ausführlich Zeit, das Southbank Centre zu erkunden. Ich stöbere lange bei Foyles und im Festival Terrace Shop und bin kurzzeitig sehr versucht, in diesem eine wunderhübsche Teekanne mit Themsemotiv zu erstehen. Abgesehen von der Preisfrage überwiegen schließlich die Bedenken ob des sicheren Nachhausetransports*).

Der eigentliche Grund, weswegen ich mich am Southbank Centre herumdrücke, ist aber das Konzert von Francesco Tristano in der Royal Festival Hall. Tristano bewegt sich zwischen Klassik, Jazz und Elektronik und will am Abend sein neues Album „Piano Circle Songs“ vorstellen. Die Karte mit festem Sitzplatz hatte ich bereits Mitte Juli gekauft, wurde dann aber zwei Tage vor dem Termin per E-Mail darüber informiert, dass das Publikum nicht im Zuschauerraum, sondern auf und hinter der Bühne sitzen würde – mit Tickettausch an der Abendkasse und freier Platzwahl. Ob das von Anfang an der Plan war oder ein schwacher Vorverkauf die entscheidende Rolle gespielt hat, blieb dabei unklar. So oder so, das frühe Eintreffen sichert mir einen Bühnenplatz in der zweiten Reihe. Der Flügel ist dem rückwärtigen Teil der Bühne zugewandt und die restliche Hall mit ihren rund 2.500 Plätzen bleibt, durch eine Abtrennung abgehängt, im Dunkeln. Ein extrem intimes Setting mit entsprechend nervösen Sicherheitsleuten.

Francesco Tristano trägt dessen ungeachtet sein Programm mit großer Konzentration und Präzision vor. Es ist faszinierend, ihm dabei zuzusehen. Die CD muss ich dennoch nicht unbedingt kaufen und drücke mich daher trotz freundlicher Aufforderung durch das Personal vor der anschließenden Signierstunde.

Am Abreisetag begebe ich mich nach Frühstück und Check-out noch einmal in die Kensington Gardens, in der Tasche eine eigens erworbene Portion naturbelassener Cashew-Kerne. Zuerst muss ich meine Gabe mühsam ans Eichhorn bringen. Einige der Nager agieren äußerst vorsichtig und manche haben Schwierigkeiten, sich gegen aggressiv auftretende Krähen und Tauben durchzusetzen.

Kensington Gardens
Kensington Gardens

Erst mit der vorletzten Nuss gerate ich an einen Profi, der mir erst in den Finger zwickt, dann halb den Arm hoch rennt und schließlich äußerst ungehalten reagiert, als ich das leere Tütchen vorzeige.

Ich habe noch ein weiteres Ziel an diesem Morgen: die Sonderausstellung „Diana: Her Fashion Story“. Im letzten Jahr hatte ich bereits die Roben der Queen im Buckingham Palace bewundert. Das diesjährige Programm des Kensington Palace erscheint mir daher als logische Fortsetzung.

Kensington Palace
Kensington Palace

Mit der Idee bin ich nicht allein: Zur Öffnung um 10 Uhr haben sich bereits Schlangen gebildet. Dabei wird sorgsam zwischen Vorverkaufs- und Tageskassenbesuchern unterschieden. Abwicklung und Sicherheitskontrolle gehen dann aber zügig voran und im Gebäude verläuft sich der erste Ansturm schnell.

Queuing up for Diana
Queuing up for Diana

Anders als der Buckingham Palace sind Teile des Kensington Palace ganzjährig für Besucher zugänglich. Die Atmosphäre in den Räumen ist daher ungleich musealer. Neben der Sonderausstellung kann man die ehemaligen State Apartments bewundern. Die anderen Teile der Dauerausstellung widmen sich einerseits Queen Victoria, andererseits den „Enlightened Princesses“ Caroline von Braunschweig-Wolfenbüttel, Augusta von Hannover und Charlotte-Augusta von Wales.

Draußen gibt es noch ein weiteres Juwel zu bewundern: Der im „Sunken Garden“ des Palastes neu angelegte „White Garden“ soll ebenfalls an Prinzessin Diana erinnern. Ihr Todestag hatte sich Ende August zum zwanzigsten Mal gejährt.

The Sunken Garden
The Sunken Garden
The White Garden
The White Garden

Die Sonderausstellung drinnen gerät zur Zeitreise in meine eigene Kindheit und Jugend. An viele der Outfits kann ich mich noch gut erinnern. Zahlreiche Fotos und Zeichnungen dokumentieren neben den ausgestellten Kleidern die modische Entwicklung Dianas. Verglichen mit der Präsentation der Queen-Garderobe im Ballsaal des Buckingham Palace ist es zwar eine kleine, aber ausnehmend feine Sammlung, in Auswahl und Gestaltung.

Bald bunt
Bald bunt

Nach dem obligatorischen Cream Tea im Palace Café ist es Zeit zum Aufbruch. Da die British Airways-App, die bisher immer tadellos funktionierte, mir dieses Mal aus unerfindlichen Gründen keine Bordkarte ausstellen will, muss ich sicherheitshalber etwas mehr Zeit für den Check-in in Heathrow einrechnen.

In der Tube auf dem Weg zum Flughafen stoße ich im Evening Standard auf einen Artikel, der mich daran erinnert, was mich bei meiner Rückkehr nach Hamburg erwartet. Ich nicke bei jedem Satz.

Es braucht eine Weile, bis ich den richtigen Schalter gefunden habe. Der Check-in selbst ist problemlos und ich komme in Rekordzeit durch die Sicherheitskontrolle. Das verschafft mir genügend Muße, um mein letztes Münzgeld zu verfeuern. Nach gründlicher Suche macht schließlich ein Gläschen „Old English Hunt“-Orangenmarmelade von Fortnum & Mason das Rennen und die allerletzten Pence-Stücke landen in einer Spendenbox.

Der Heimflug ist erfreulich unspektakulär und ja, es wird einen Part IV geben. Es ist nur eine Frage der Zeit.


*) Dieses Modell, das fällt mir beim Schreiben dieser Zeilen erst auf, ist mir zum Glück nirgendwo über den Weg gelaufen.

London (Part III): Tag 6

Eigentlich gedachte ich, in dieser Woche komplett internetlos zu sein. Aber nun habe ich doch welches, WLAN sogar, was mir ermöglicht, mich um Tag 6 der London-Nachlese zu kümmern. Was zuvor bzw. im letzten Jahr geschah, kann bei Interesse unter dem Schlagwort London nachgelesen werden.

Beim Frühstück kann ich beobachten, wie auf dem Queens Lawn der Farmer’s Market aufgebaut wird. In South Kensington finden wöchentlich zwei Märkte statt. Der Dienstagsmarkt auf dem Gelände des Imperial College besteht fast ausschließlich aus Fressständen und so richtig kommt die Sache wohl erst zur Mittagszeit in Fahrt.

Mein erster Weg führt mich danach zur 99 Kensington High Street, um den Besuch der Roof Gardens nachzuholen. Am Dienstag, so hatte uns der London Walks-Guide ein paar Tage zuvor verraten, seien die Gärten öffentlich zugänglich, was auch die Website bestätigt.

The Roof Gardens
The Roof Gardens

Die Kensington Roof Gardens wurden zwischen 1936 und 1938 von Ralph Hancock im Auftrag des damaligen Besitzers und Erbauers des Gebäudes angelegt und sind in drei Themenbereiche aufgegliedert: den spanischen, den Tudor- und den „English Woodland“-Garten. Die Anlage ist im Grundsatz unverändert erhalten. Sieben Bäume stammen sogar noch aus der Erstbepflanzung.

English...
English…
... Woodland
… Woodland

Morgens um halb elf herrscht in den Gärten noch die Ruhe vor dem Sturm, was vortrefflich durch die hier lebenden Flamingos demonstriert wird.

Langschläfer
Langschläfer

Wahrscheinlich keine dumme Strategie: Es bedarf nur wenig Phantasie, sich die rauschenden Feste vorzustellen, die hier oben mutmaßlich zu späten und sehr späten Tageszeiten gefeiert werden. Das dürfte auch Auswirkungen auf den Schlafrhythmus der tierischen Bewohner haben.

Als Nächstes nehme ich mir das Natural History Museum vor. Tags zuvor hatte ich mir dazu bereits die Museums-App aufs Telefon gepackt, in der verschiedene Hausdurchgänge vorgeschlagen werden und mit deren Hilfe die Orientierung in den verwinkelten Räumlichkeiten erheblich leichter fällt. Ich entscheide mich für den „Dinosaur Trail“, will aber zuvor einen Rundgang durch die prächtige Hintze Hall machen.

Hintze Hall

Hintze Hall

Dort werden mittels verschiedener Objekte und kleinerer Schaukästen Geschichte und Arbeitsbereiche des Museums vorgestellt, der dazu in der App abspielbare Audioguide wurde von niemand geringerem als Sir David Attenborough eingesprochen. Als Highlight entpuppt sich hierbei die Cadogan Gallery, in der die Schätze des Hauses versammelt sind, darunter das Fossil eines Archaeopteryx, der erste jemals gefundene Schädel eines Neandertalers, je ein Stückchen Meteorit- und Mondgestein, die Schale eines von Robert Falcon Scott auf seiner Antarktismission höchstpersönlich aufgesammelten Kaiserpinguin-Eis und ein Exemplar der Erstausgabe von Charles Darwins „On the Origin of Species“.

Nach einem spontan eingeschobenen Cream Tea im Central Café widme ich mich schließlich dem Startpunkt des „Dinosaur Trail“, der „Dinosaur Gallery“. Deren Hauptattraktion, der mechanische Tyrannosaurus Rex, hat ausgerechnet heute einen freien Tag.

Under Maintenance
Under Maintenance

Die Gallery, so stelle ich schnell fest, besteht im Wesentlichen aus Abgüssen und Modellen. Die echten Fossilien sind im übrigen Haus verteilt, was ein weiteres Argument dafür ist, die Besucherführung der App zu nutzen. Grob dem Saurierpfad folgend, entdecke ich am Rande noch zwei Preziosen: Die „Images of Nature“ Gallery, in der wechselnde Ausstellungen von Illustrationen und Fotografien gezeigt werden und den Mineralienraum.

Verständlicherweise wird der größte Teil des Museumsbestands in Depots verwahrt. Würde man beispielsweise die Sammlungen der Cook-Reisen dauerhaft dem Besucherstrom aussetzen, wäre das mit dem konservatorischen Auftrag wohl nur schwer vereinbar. Mal abgesehen davon, dass nicht annähernd genügend Fläche zur Verfügung steht. Man kann aber online in diesen und anderen nicht ausgestellten Beständen stöbern. Sehr lesenswert in diesem Zusammenhang ist auch das Museums-Blog, insbesondere die Einträge der Bibliothek (Kategorie „Library and Archives“).

Nach einer nachmittäglichen Pause im Quartier begebe ich mich erneut ins V&A, um mir die Räume zum Thema „Theatre & Performance“ anzuschauen. Diese sind zwar durchaus sehenswert, gefallen mir aber nicht ganz so gut wie andere Bereiche des Museums. Leider befindet sich die Sonderausstellung „Opera: Passion, Power and Politics“ noch im Aufbau. Sie wird erst am 30. September eröffnen.

Albert
Albert
Dem Albert seine Halle
Dem Albert seine Halle

Anschließend geht es in die Royal Albert Hall. Das Konzertangebot ist unmittelbar nach den BBC Proms zwar ziemlich übersichtlich, fußläufig zur Hall zu wohnen – meiner Konzertlocation des Jahres 2016! – und diese nicht zu besuchen, erschien mir dennoch undenkbar. Ich hatte mich im Vorfeld für das Classic FM-Filmmusikkonzert mit dem Bournemouth Symphony Orchestra unter der Leitung von Pete Harrison entschieden. Der Kontrast zu „This is Rattle“ fällt deutlich aus und zieht sich durch die gesamte Veranstaltung. Von der Gestaltung des Programmhefts, der Beleuchtung und den Pyroeffekten (!) über Moderation und Sponsorenpräsentation bis hin zu Auswahl und Vorstellung der Solisten, alles wirkt ein wenig dick aufgetragen. Dazu passt, dass ich mir mit meiner (moderat zusammengestellten) Konzertbekleidung in der aus künstlerischer Sicht wesentlich elitäreren Veranstaltung im Barbican noch „slightly overdressed“ vorgekommen war, für den Classic FM-Abend dagegen problemlos noch ein bis zwei Briketts mehr hätte auflegen können.

Ich sitze im „Rausing Circle“, auf vergleichsweise billigen Plätzen also, die nichtsdestotrotz einen guten Blick auf das Orchester gewähren. Das BSO macht seine Sache sehr ordentlich. Ich schwelge in den John Barry-Stücken, freue mich unter anderem über die „Glohrreichen Sieben“, „Lawrence of Arabia“, „Lord of the Rings“, das John Williams-Medley und die „Indiana Jones“-Zugabe und wünsche mir lediglich bei den „Adagio for Strings“ von Samuel Barber kurzfristig die LSO-Streicher und die Barbican-Akustik zurück. Gerade auf den oberen Rängen merkt man doch, dass die Royal Albert Hall (of Arts and Sciences) im Grunde kein Konzertsaal, sondern eine Mehrzweckhalle ist.

Apropos Konzertsaal: Dem Vernehmen nach betreibt Sir Simon Rattle zurzeit offensiv den offenbar schon seit langem durch die Londoner Musikszene geforderten Bau eines neuen Hauses, welches in unmittelbarer Nachbarschaft des Barbican Centre auf dem jetzigen Gelände des Museum of London entstehen soll. Das wiederum zieht voraussichtlich 2021 in neue Räumlichkeiten am Smithfield General Market. Die Pläne sind durchaus nachvollziehbar: Die Möglichkeiten für das LSO im Barbican sind begrenzt, allein schon vom zur Verfügung stehenden Platz her, die Royal Festival Hall hat bereits vier Residenzorchester, die Albert Hall ist eh außen vor, nicht nur aus akustischen Gründen, und auch die Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie wird neue Begehrlichkeiten geweckt haben. Was immer daraus wird: Meine Faszination für die Royal Albert Hall wird davon unberührt bleiben.

Nach dem Konzert bin ich in nur wenigen Schritten bei meiner Unterkunft, was mir ein geradezu unverschämtes Vergnügen bereitet. Es sind die kleinen Dinge!

London (Part III): Tag 5

Der spontane Opernbesuch und die Frankfurter Buchmesse haben die London-Nachlese ein weiteres Mal unterbrochen. Ich nehme den Faden wieder auf mit der Rückschau auf Tag 5! Was zuvor bzw. im letzten Jahr geschah, kann bei Interesse unter dem Schlagwort London nachgelesen werden.

Es ist Montagmorgen und das Wetter ist unentschlossen. Ich bin früh wach und rechne mir aus, dass ich ungefähr zu Öffnungsbeginn um 10 Uhr an der National Portrait Gallery sein kann. In der Hoffnung, dass es zu dieser Uhrzeit dort noch nicht ganz so voll ist, mache ich mich auf den Weg.

Die Station Leicester Square wird von schwerbewaffneten Sicherheitskräften bewacht, ein für Londoner Verhältnisse bislang ungewohnter Anblick. Ich schlucke mein Unbehagen hinunter und trete auf die Charing Cross Road. Ein paar Schritte weiter fällt mir linker Hand eine Gasse auf, die irgendwie interessant aussieht. Nach ein paar Metern und einer 90°-Kurve stelle ich fest, dass sie zwischen zwei Theaterhäusern hindurchführt: Das Wyndham’s und das Nöel Coward Theatre stehen hier Rücken an Rücken. Mehrere Türen des Nöel Coward sind geöffnet, durch eine kann ich einen Blick auf den unmittelbaren Backstagebereich erhaschen. Ich will nicht allzu neugierig wirken und wende mich wieder der Gasse zu. Ein Mann hastet auf das Theater zu, nicht besonders groß, Brille, Kopfhörer, Mütze, Kaffeebecher in der Hand. Er eilt wenige Meter an mir vorbei, offensichtlich auf der Suche nach dem richtigen Eingang. Ich denke: „Wenn man dem die Brille abnimmt, sieht er aus wie Martin Freeman“, und gehe weiter. Dann stutze ich. Moment mal, ich bin in London, das ist vielleicht Martin Freeman! Ich drehe mich um – zu spät.

Die Plakate am Haupteingang beenden alle Spekulationen. Das Stück heißt „Labour of Love“, in den Hauptrollen: Tamsin Greig und, Volltreffer, Martin Freeman. Bis zur Premiere am 27. 9. sind es nur noch wenige Tage.

Doppelte Vicky
Doppelte Vicky

In der National Portrait Gallery sind gleich massenweise berühmte Menschen zu sehen – zumindest deren Abbilder, die in vielen Fällen bereits einen eigenen Celebrity-Status erreicht haben. Dabei wird keineswegs nur die Historie berücksichtigt. Im großen Treppenhaus leuchtet mir aus Raum 32 ein Portrait von Ed Sheeran entgegen. Später sehe ich unter anderem Judi Dench, Maggie Smith, die Herzogin von Kent, Julia Donaldson und, umgeben von kichernden Schulkindern, ein Video des schlafenden David Beckham.

Ich mache mich zunächst auf die Suche nach Richard III. Das Bild ist nicht leicht zu finden, denn laut Museumsplan beginnt die Chronologie der ausgestellten Porträts mit den Tudors ab 1485. Richard III. ist aber ein Lancaster, der letzte seiner Dynastie, er regierte von 1483 bis 1485. Obwohl ich zuvor schon mittels der Suchfunktion auf der NPG-Webseite ermittelt hatte, dass Richard „on display“ ist und sogar, in welchem Raum er hängt, muss ich schließlich doch noch nachfragen.

Richard III. hat einen sehr schlechten Ruf, nicht zuletzt durch die Charakterisierung William Shakespeares. Nicht wenige Historiker zweifeln jedoch an der Version der Prinzenmorde, die in Geschichtsbüchern vermittelt wird. Der perfekte Stoff für einen Krimi, von Elizabeth MacKintosh alias Josephine Tey 1951 in dem Roman „The Daughter of Time“ („Alibi für einen König“) als ebensolcher verwendet.

Richard III.
Richard III.

Ich betrachte das Porträt lange, schieße ein Foto und grüße Richard von einer alten Freundin, bevor ich mich dem Rest der Sammlung widme.

Mit bildender Kunst kenne ich mich weniger aus als mit darstellender und oft habe ich Schwierigkeiten, einen Zugang zu den Werken zu finden. Porträts, egal welcher Art, Epoche und Stilrichtung, bilden die Ausnahme. Dass die Briten ihre in einem Haus versammelt haben, passt mir daher ganz hervorragend und ich tauche erst nach knapp drei Stunden wieder aus dem Gesichtermeer auf.

Pikachu on Trafalgar Square
Pikachu on Trafalgar Square

Draußen scheint mittlerweile die Sonne und ich setze mich mit einem Sandwich zu Füßen der National Gallery an den Trafalgar Square.

Mein nächstes Ziel ist das British Museum. Ich nehme ein weiteres Mal die London Walks-Führung in Anspruch in der Befürchtung, mich sonst in dem riesigen Komplex zu verlieren. Eine weise Entscheidung – das British Museum ist wirklich unfassbar weitläufig. Allein mit der Geschichte des Hauses könnte man sich stundenlang aufhalten.

Der Guide bugsiert uns gekonnt durch die Besuchermassen und garniert seine Beschreibung der Museums-Highlights mit effektvollen Cliffhangern. Dabei faszinieren mich neben dem Rosetta Stone in den ehemaligen Räumen der British Library insbesondere die Artefakte aus dem angelsächsischen Schiffsgrab von Sutton Hoo.

Bevor ich bis zum Rand voll mit Eindrücken ermattet ins Bett falle, mache ich noch einen Abstecher nach Marylebone, esse eine Kleinigkeit bei Natural Kitchen, stöbere ein Dreiviertelstündchen bei Daunt Books und werfe einen kurzen Blick ins Kaufhaus Selfridges an der Oxford Street.

London (Part III): Tag 4

Eigentlich wollte ich heute meinen Balkongarten winterfest machen, aber draußen tobt Sturm Xavier, es überschlagen sich die Martinshörner, Hoch- und S-Bahn verzeichnen erste Ausfälle und die Feuerwehr Hamburg twittert, man möge sich doch bitte lieber nicht draußen aufhalten. Außerdem, wenn ich mit der London-Nachlese im bisherigen Tempo fortfahre, bin ich noch bis Weihnachten dabei. Es folgt also die Rückschau auf Tag 4! Was zuvor bzw. im letzten Jahr geschah, kann bei Interesse unter dem Schlagwort London nachgelesen werden.

Tatsächlich schaffe ich am vierten Tag, was ich mir vorgenommen habe: Ich stehe später auf, nehme mir gebührend Zeit für das im Übernachtungspreis enthaltene „Full English Breakfast“ im Senior Common Room des Imperial College und breche erst gegen Mittag gen Osten auf. Eine weitere Booking.com-Freifahrt nutzend, fahre ich ab Westminster Pier mit einem Schiff der Circular Cruise Richtung Tower. Die Tour an sich ist unspektakulär, wird aber kurzweilig durch die launigen Kommentare des Bootsmanns, der am Ende statt Hut einen Sektkübel (!) herumgehen lässt.

Am Tower wuseln wie meistens Touristen aus aller Herren Länder bunt durcheinander. Ich bedauere kurz, dass der Eintritt so teuer ist. Gerne hätte ich den Raben einen schnellen Besuch abgestattet. Sie sind mir, seit ich Ravenmaster Chris Skaife auf Twitter und Instagram folge, sehr ans Herz gewachsen. Vielleicht beim nächsten Mal wieder.

Heute habe ich ein anderes Ziel: die Erased Tapes Sound Gallery am Victoria Park.

Sound Gallery
Sound Gallery
Now playing: Ben Lukas Boysen
Now playing: Ben Lukas Boysen

Einmal, weil ich Fan bin und zum Zweiten, weil dort ein ganz besonderes Instrument quasi frei zugänglich ist: das Klavins Una Corda.

Please ask to play our piano
Please ask to play our piano
Una Corda
Una Corda

Seit ich das Teil im Mai 2015 auf der Kampnagel-Bühne zum ersten Mal gesehen und gehört habe, will ich darauf spielen. Damals war es Nils Frahm mit der No. 001, in London hingegen steht die No. 007. Wie es sich gehört.

No. 007
No. 007

Die Gallery ist zunächst leer bis auf die freundliche Dame, die sie bewacht und ich traue mich an die Tasten. Ich spiele drei Stücke, klimpere noch ein bisschen, entferne schließlich die Dämpferschiene und spiele weiter. Es klingt ein klein wenig verstimmt. Vermutlich passiert das bei dieser Bauweise schon, sobald sich der Klavierstimmer auch nur zur Tür dreht. Es erinnert mich – nicht vom Klang, nur vom Prinzip her! – an mein altes Stage Piano von Kawai, das ebenfalls nur eine Saite pro Ton besitzt. Seit ich das „richtige“ Klavier habe, treibt sich das EP608 irgendwo in der weitläufigen Verwandtschaft herum. Vielleicht sollte ich das gute Stück bei Gelegenheit zu mir nach Hamburg holen.

Zurück zum Victoria Park. Eine ausnehmend hübsche Gegend ist das! Und ohne das Una Corda wäre ich da wohl nie hingekommen. Ich schwatze und stöbere noch ein bisschen, kaufe zwei CDs und reiße mich schließlich los.

Abends begebe ich mich erneut ins West End. Im Duchess Theatre wird „The Play That Goes Wrong“ gegeben, und das bereits im dritten Jahr. Erst ein paar Wochen zuvor hatte das Stück auf dem Spielplan des St. Pauli Theaters gestanden. Die Plakatankündigungen dazu hatten mich seinerzeit auf die Idee gebracht, mir das Original anzuschauen. „The Play That Goes Wrong“ besteht im Wesentlichen aus Slapstick pur gepaart mit waschechtem britischen Humor. Was die Londoner Aufführung zum Glanzstück macht: die großartige Besetzung und ihr grandioses Timing. Das Publikum dankt es mit nahezu durchgängigem Gelächter.

Auch bei meinem zweiten Theaterbesuch fällt mir auf, dass dieser einem klassischen (Plüsch-)Kinoabend sehr viel ähnlicher ist, als ich es von Deutschland und Hamburg her gewohnt bin. Man kleidet sich leger, kaum jemand gibt Jacken oder Taschen an der Garderobe ab, Snacks und Getränke (sogar Mitgebrachtes!) sind im Zuschauerraum erlaubt und in der Pause wird dort Eis zum Verkauf angeboten. Auffällig ist außerdem der „Safety Curtain“, der zur Pause die Bühne vom Zuschauerraum trennt. Ich erfahre später, dass es sich um eine Feuerschutzmaßnahme handelt, stammen doch die meisten Theatergebäude im West End aus viktorianischer Zeit und entsprechen daher wohl nur unzureichend den modernen Brandschutzbestimmungen.

Nach dem tosenden Schlussapplaus mache ich mich mit reichlich strapazierten Lachmuskeln auf den Weg zurück nach Kensington.