Dass ich mir zuletzt zu 50% wegen Ólafur Arnalds eine Nacht um die Ohren geschlagen habe, ist etwas über ein Jahr her. Dieses Mal war die Anreise nicht so lang – bis zum Airport sind es von meiner Wohnung aus nur drei Stationen mit der S1 – und bei der anderen Hälfte handelte es sich nicht um Nils Frahm, sondern um Janus Rasmussen.
Unter dem Namen Kiasmos präsentierten die beiden ein weiteres Mal ihre minimalistisch-experimentelle Version des Techno und wurden dabei unterstützt durch DJ-Sets von Melbo und Aparde. Das Außergewöhnliche bei diesem Auftritt war sowohl der Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals als auch der Veranstaltungsort, die S-Bahn-Station des Hamburger Flughafens. Zwei Sonderzüge brachten die Ticketinhaber auf den Bahnsteig, auf dem bereits Licht- und Tontechnik sowie ein DJ-Pult aufgebaut war. Die S-Bahn-Züge dienten während des Konzerts als Sitzgelegenheit und Bar und im Anschluss als Rücktransportmittel.
Laut Veranstalterangabe war die Klub-Nacht ausverkauft. Dafür befanden sich für mein Empfinden erstaunlich wenige Menschen in den Sonderzügen und auf dem Bahnsteig, der obendrein ungefähr zur Hälfte abgesperrt war. Der Stimmung tat das keinen Abbruch, wozu das longdrink- und shotlastige Getränkeangebot sicher beigetragen hat. Der Altersdurchschnitt lag erwartungsgemäß deutlich unter dem der Mehrzahl der übrigen Programmteile des Schleswig-Holstein Musik Festivals, wobei ich einige Besucher sah, die sich unter „SHMF Klub-Nacht“ möglicherweise etwas anderes vorgestellt hatten. „‚Klub‘ wie Rave, nicht das mit den Zweireihern“, wollte man Ihnen nachträglich zuraunen.
Den Anfang machte Melbo, eine gelungene Wahl. Gegen halb zwei übernahmen Kiasmos das Ruder. An dieser Stelle machte sich erneut ein Phänomen bemerkbar, welches mir zunehmend auf den Senkel geht: das Partyvolk unter den Konzertbesuchern, das in erster Linie daran interessiert ist, sich selbst zu feiern. Da betritt der Hauptact die Bühne und die gehen erst einmal Getränke holen. Ist irgendwie Krach da vorne, groovt auch gut, aber wer da steht und was wir da hören – who cares! Selfiesmile! Noch’n Wodka-Red Bull? Ups, ahahaha, Drink verschüttet, der Tante direkt auf die Füße! Lustig!
Zugegeben, ich setze da wohl zu strenge Maßstäbe an, zumal bei einer Veranstaltung, die offensiv als Party beworben wurde. Es führte jedenfalls dazu, dass ich mich nach wenigen Minuten aus der Menge an den seitlichen Rand des DJ-Pults verzog. Da war die Luft besser, ich hatte Platz, mich zu bewegen und außerdem konnte ich den Akteuren aus etwa drei Metern Entfernung direkt auf die Finger gucken.
Ólafur Arnalds und Janus Rasmussen agierten verhalten. Ein wenig mehr Animation Richtung Publikum hätte dazu beitragen können, die Aufmerksamkeitsrate zu erhöhen und die Stimmung trotz der vergleichsweise übersichtlichen Menge anzuheizen. So blieb es bei dem Eindruck, dass Publikum und Künstler während des rund 1 1/2-stündigen Sets nicht ganz zueinander fanden.
Um kurz nach drei Uhr löste Aparde das Duo ab, Schlag vier erklangen die letzten Beats und das Licht wurde angeschaltet. Binnen weniger Minuten waren Reinigungsfahrzeuge auf den Bahnsteigen im Einsatz. Die Bahnen füllten sich, die Besucher mussten allerdings noch geschlagene zwanzig Minuten auf die Abfahrt der Züge warten. Das alles hatte sicherlich gute und auch sicherheitsrelevante Gründe, erzeugte aber nichtsdestotrotz das Gefühl einer ziemlich brachialen Rückbeförderung in die Realität. Ich behalte die SHMF Klub-Nacht am Hamburger Airport daher als eine unterhaltsame und perfekt organisierte, aber auch irgendwie sterile Veranstaltung in Erinnerung.
Und was die Stimmung betrifft: Vielleicht sollte ich irgendwann mal einen Kiasmos-Gig außerhalb von Hamburg besuchen. Da ist eindeutig noch Luft nach oben.