Vermischtes

Ich mache nicht so gerne Sammeleinträge ins Susammelsurium, aber es sind schon wieder drei Veranstaltungen aufgelaufen und es soll nicht in Stress ausarten. Ganz im Gegenteil. Ich bemühe daher ausnahmsweise den Schnelldurchlauf.

Montag

Frau F. und ich waren bei hidden shakespeare im Schmidt Theater! Endlich! Das wollten wir ja, seit wir „Heiligabend mit Hase“ und „Ein Endspiel“ im Abaton gesehen hatten. Es war grandios. Meine Lieblinge: das Lacrosse-Pony und der Galoppflamingo. Wobei ich ein wenig mit dem Publikum fremdelte. Das Prinzip des Verzehrtheaters – was für ein schönes Wort! – scheint doch die ein oder andere Spezies anzulocken, die man in die Kategorie Mädelsabend, Junggesell(-inn-)enabschied oder Betriebsausflug stecken kann. Nicht unbedingt die Atmosphäre, in der ich mich zu Hause fühle. Andererseits war ich ja tatsächlich mal selbst im Rahmen eines Betriebsausflugs, also, das ist Jahre her, bei „Cavemusic“ im Schmidts Tivoli, und da hat es mich gar nicht gestört. Was meiner Erinnerung nach ganz wesentlich mit dem Auftritt Christian von Richthofens zu tun hatte. Für solche Menschen wurde der Begriff „musikalisch“ erfunden. Was für eine Rampensau! Er stahl dem Caveman die Show, nach allen Regeln der Kunst, und man konnte ihm nicht böse sein. Jedenfalls nicht aus der Publikumsperspektive – Kristian Bader mag seinerzeit anders darüber gedacht haben.

Bei Bodo Wartkes „König Ödipus“ vor fast genau acht Jahren war wiederum deutlich mehr Theater spürbar, trotz des Kabarettansatzes. Zwei Gegenstände in meiner Wohnung erinnern mich seither an diesen Abend: das gelbe Reclamheftchen im Buchregal und Carl der Löwe alias die Sphinx („Wie ‚Pfingsten‘ nur mit ‚S‘!“) auf dem Kleiderschrank. Bodo Wartke wird mit gemischten Gefühlen an diese Premiere zurückdenken, er brach sich nämlich während der Vorstellung das rechte Wadenbein.

Wie komme ich jetzt darauf? Ach ja: Theater.

Mittwoch

Nächste Station: „Unwiderstehlich“ im Ernst Deutsch Theater. Im Vergleich zum Montag war das naturgemäß ein komplett anderer Film. Frau F. und ich hatten beide Schwierigkeiten mit dem Stück, wobei mir nicht ganz klar war, ob es am Text selbst oder an der Regie lag oder vielleicht an der Kombination von beidem. Das hat uns aber keineswegs daran gehindert, die schauspielerische Leistung von Anika Maurer und Boris Aljinovic anzuerkennen.

Die Vorstellung war in zwei Teile gegliedert, unterbrochen durch eine Pause. Mir persönlich hat der dritte Teil am allerbesten gefallen. Ich habe mich lange nicht mehr so gründlich und so nett verquatscht. Ganz lieben Dank auch dafür.

Donnerstag

Ein klein wenig Theater gab es auch bei Lambert im resonanzraum und sei es nur des Maskenspiels wegen. Anders als vor anderthalb Jahren auf Kampnagel waren dieses Mal keine Bläser dabei (die Gitarre war OK, hätte aber nicht sein müssen). Dadurch wirkte das Programm ernster, was sich auch in den tendenziell weniger spaßigen Ansagen widerspiegelte. Ich mochte auch diese Variante sehr. Schade nur um das Bundesamt für Notenschutz, das offenbar inzwischen aufgelöst wurde.

Ich hatte mich bewusst so platziert, dass ich Lambert etwas von der Seite sehen konnte. Dadurch saß ich direkt vor dem Schlagzeuger und Perkussionisten, dem ich im Laufe des Konzerts mehr und mehr verfiel. Da bildet sich allmählich ein Muster heraus; man kann durchaus Parallelen zu meiner Faszination für Andrea Belfi (bei Nonkeen) und Fabian Prynn (bei Douglas Dare) ziehen.

Ich behalte das im Auge. Bzw. im Ohr.

In Concert: Lubomyr Melnyk im resonanzraum

Schon bei den ersten Takten, die ich Lubomyr Melnyk spielen hörte – das kam über Spotify oder den Erased Tapes-Newsletter, ich weiß es nicht mehr genau -, war mir klar: Den Mann muss ich live erleben. Das ist die Art Musik, die in aufgezeichneter Form gar nicht vollständig zu erfassen ist.

Seine Klaviertechnik hat Lubomyr Melnyk „Continuous Music“ genannt. Nach eigener Angabe ist er der einzige, der diesen Stil beherrscht. Das ist vor allem eine Frage der Physis und des Trainings: Mit bis zu 19 1/2 Anschlägen in der Sekunde erzeugt Melnyk auf dem Klavier einen Klangteppich, dessen hypnotischer Wirkung sich kaum jemand entziehen kann, der ein Ohr für solches hat. Besonders wichtig ist ihm dabei, dass diese Kompositionen untrennbar verbunden sind mit dem Klang, der „Stimme“ des Klaviers. Er betont in seinen Ausführungen darüber hinaus stets die Authentizität des Livespiels.

Dazu passte weniger, dass ein Großteil der Stücke des Konzertprogramms heute Abend im resonanzraum für zwei Klaviere konzipiert und eine der beiden Klavierstimmen jeweils vor dem Konzert aufgenommen worden waren. Lubomyr Melnyk hat also gewissermaßen mit sich selbst gespielt. Etwas, was ich bei anderen Musikstilen durchaus noch als „live“ bezeichnen würde, aber bei der „Continuous Music“ ging die Rechnung für mich leider nicht ganz auf.

Dennoch: faszinierender Typ, faszinierende Musik! Und im sehr gut gefüllten resonanzraum waren beide perfekt aufgehoben.

In Concert: Erased Tapes Records im resonanzraum

Ich bin kein Fan des Reeperbahn Festivals und werde es wohl auch nicht, denn dieses Prinzip des Location-Hoppings auf gut Glück, immer mit der Gefahr, gerade das nicht sehen/hören zu können, was man unbedingt sehen/hören wollte, ist mir zu stressig. Das Elbjazz funktioniert zwar ähnlich, aber da habe ich bisher noch immer unverhoffte Freude an parallel laufenden Acts gefunden. Was an der Reeperbahn für mich schwieriger ist, der dort präsentierten Musikstile wegen.

Jedenfalls, ich wäre ohne den Labelabend „Reeperbahn Festival im resonanzraum mit Erased Tapes“ wohl nicht auf die Idee gekommen, mir ein Tagesticket zu kaufen. Aber IMMIX ENSEMBLE & Vessel, Masayoshi Fujita, Douglas Dare (mit Fabian Prynn und EERA) und Rival Consoles, moderiert von Labelgründer Robert Raths, auf einen Schlag, und quasi bis vor die eigene Haustür (OK, rund 6km Luftlinie) geliefert? Ja, bitte!

Während Immix (ohne Ensemble) & Vessel mich als Duo nicht überzeugen konnten, war ich sehr begeistert von den Auftritten von Masayoshi Fujita und Rival Consoles, und selbst wenn man mit Douglas Dare mal musikalisch nicht auf einer Wellenlänge liegt, so kann zumindest immer noch das extrovertierte Spiel von Schlagzeuger und Perkussionist Fabian Prynn bewundert werden.

Was mich dabei zunehmend fasziniert ist der Blick hinter die Kulissen, der sich bei solchen Abenden in kleinen Räumen auftut. Nach drei Veranstaltungen in London und der gestern Abend im Medienbunker bekommen die Menschen hinter dem Geschehen ein Gesicht, das meinen Eindruck aus Newslettern, Instagram-Schüssen, Tweets und Facebook-Postings komplettiert – und dankenswerterweise nicht widerlegt.

Allerdings, ab jetzt sollte ich meine Neugier vielleicht bezähmen. Am Ende schwindet noch die Magie und das wäre außerordentlich schade.

Abschließend nochmals ein Lob an den resonanzraum, der erneut unter Beweis gestellt hat, dass zarte Vibraphontöne dort ebenso gut aufgehoben sind wie deutlich weniger zarte elektronische Beats!

In Concert: Federico Albanese im resonanzraum

Fabrizio Paterlini (1) ist quasi der kleine Bruder von Ludovico Einaudi (2)“, sagte mal jemand in meinem Beisein, der sehr viel Musik hört. Der Vergleich ist durchaus zulässig, auch wenn er hinkt. Federico Albanese (3) ist zumindest verwandt. Man könnte über dieses Dreigestirn beispielsweise sagen, dass (1) minimalistischer als (2) ist – und zwar nicht im Sinne des gleichnamigen Musikstils -, während (3) tatsächlich ein wenig Richtung Philip Glass tendiert. Man könnte diese ganze Vergleicherei aber auch einfach lassen. Und die Musik genießen.

„Blue Hour“, was für ein passender Name für das aktuelle Album. Auf Lamberts präpariertem Flügel klang es zauberhaft, aber auch die Originalversion überzeugte. Ein Cello dazu wäre schön gewesen. Beim nächsten Mal vielleicht.

resonanzraum
resonanzraum

Apropos „Cello“ und „nächstes Mal“: Wie genial ist denn bitte der resonanzraum? Der sieht mich wieder; das steht fest.