Airwaves

Ich bin noch neu in der (Blogger-)Branche. Umso mehr erfreuten mich die lebhaften Rückmeldungen zu und Reaktionen auf meinen gestrigen Beitrag zum Thema Dudelfunk, allen voran der wundervolle Text von Kiki, drüben im e13 Blog.

Da wurde viel Nostalgie ausgebreitet, es wurden Erfahrungen ausgetauscht, über die Definition von Mainstream und Indie diskutiert und ich erntete nebenbei ein paar Empfehlungen. Auf Twitter wurde mir WDR 5 angetragen, via Facebook legte man mir FluxFM und radioeins nahe und überhaupt, so ein Internetradio sei ja gar nicht teuer.

Man verstehe mich bitte nicht falsch: Ich besitze bereits ein solches Gerät. Es steht im Wohnzimmer zwischen Klavier und Grammophon, im Stapel mit einem iPad, dem CD-Player mit USB-Eingang und dem Receiver, der auch DAB und DAB+ versteht. Ich nutze es ähnlich wie Mixcloud, Spotify und SoundCloud, denn unabhängig vom Sender, der gerade läuft und der Tatsache, ob eine Sendung live on air, vorproduziert, nachzuhören oder eine schnöde Dauerschleife mit Jingle und Werbeunterbrechung ist, ist Internetradio für mich kein Radio.

Radio, das ist für mich Ultrakurzwelle mit Antenne und schwankender Empfangsqualität. Radio ist, wenn man mit dem Auto durchs westliche Münsterland fährt und zwischendrin plötzlich Niederländisches hört, bei dem also eine Bezeichnung wie „der Sektor“ (1LIVE) tatsächlich geographische Bedeutung hat und bei dem man sich durch das Bedienen der Sendersuche an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Stunde und an einem bestimmten Ort dem Zufallsprinzip ausliefert. Das macht für mich die Magie aus.

Es hat darüber hinaus einiges mit Konsumverhalten und Hörgewohnheit zu tun. Im Wohnzimmer höre ich gezielt: einzelne Tracks, eine Sendung, einen Podcast, eine Playlist, einen (Sparten-)Sender oder von einem Algorithmus gesteuerte Empfehlungen. In meiner Küche aber will ich Radio: am liebsten Informatives abwechselnd mit Musik, gerne ohne „die besten Hits von heute“ in kurzatmiger Rotation und vorzugsweise mit Regionalbezug. Radio, und das ist dabei kein unwesentlicher Faktor, das auch dann weiterläuft, wenn der Router hustet.

Läuft das schon unter „Krückstockgefuchtel“? Vermutlich.

Wie dem auch sei, was spannend sein wird: Diesen Text in zehn bis fünfzehn Jahren nachzulesen. Wahrscheinlich ist dann eh alles anders.

(All we hear is) Radio Ga Ga

Es ist mir fast ein bisschen peinlich, aber bis vor kurzem habe ich noch NDR 2 gehört, wenn in der Küche einfach mal nur das Radio laufen sollte. Das hat historische Gründe. Zu den wenigen Dingen, die ich nach meinem Umzug aus Nordrhein-Westfalen nach Hamburg vermisste, gehörte mein damaliger Lieblingsradiosender WDR 2. Jetzt kann man den natürlich auch in Hamburg hören, Kabel, Internet und so weiter, aber was nutzen mir hübsche Beiträge über Bielefeld und Verkehrsnachrichten für das Ruhrgebiet, wenn ich in Barmbek (bzw. anfangs noch Wandsbek) wohne. Die Zielgruppe von NDR 90,3 verfehlte ich deutlich und N-JOY, naja, da gab es diese eine Sendung, aber ansonsten: viel zu laut.

Also landete ich bei NDR 2 und genoss dort insbesondere die samstäglichen Bundesligakonferenzen. All die vertrauten Stimmen: Manni Breuckmann! Sabine Töpperwien! Und sowieso: Kindheitserinnerung! Herrlich.

Allein, es ist und bleibt die meiste Zeit des Tages ein grässlicher Dudelfunk ohne nennenswerten Informationsgehalt. Ich schraubte mich also durch die Kanäle und landete überraschenderweise beim Nordwestradio. Substantielle Wortbeiträge, Feist zum Frühstück, Stoppok live am Abend: ja, doch, geht schon. Bisschen viel Bremen, aber das war immerhin schon mal eine ganze Ecke näher als Castrop-Rauxel. Nicht nah genug allerdings: Der Empfang am Küchenfenster entpuppte sich als phasenweise grottig und wenn ich etwas nicht leiden kann, dann das.

Ich bin inzwischen beim Deutschlandfunk angekommen und es tut mir tatsächlich gut, einen Radiosender zu hören, in dem verhältnismäßig wenig Musik läuft. Für jemanden, der Radio immer als Musikquelle betrachtet hat, ist das eine neue Erfahrung. Aber es stimmt eben doch: Sich weniger bedudeln zu lassen, fördert die Konzentration. Auch und gerade, was das Musikhören betrifft.

N-JOY Abstrait (2005-2015)

Vor Jahren stolperte ich über eine Webseite, auf der Radiopannen gesammelt wurden. Da gab es Klassiker wie den Röschenhof (mdr) und die SWR3-Wanderbaustelle („Sie erkennen sie am Rucksack!“), den als Blindmann beschimpften Schiedsrichter und auch – obwohl tagesschau und somit nicht Radio, sondern Fernsehen – Dagmar Berghoffs legendäres „WC(T)-Tunier“ nebst komplett verlachter Lottozahlen war dort vertreten.

Meine allerliebste Lieblings-Radiopanne ist dagegen vergleichsweise schlicht: „Es ist genull nau Uhr“. Ich schmunzele immer, wenn ich einen Nachrichtensprecher diesen Satz in der korrekten Variante sagen höre. Das kommt nicht so furchtbar oft vor, aber seit geraumer Zeit doch mindestens einmal die Woche. Sofern irgend möglich. Und deswegen, dieses Geheimnis lüfte ich jetzt und hier, liest meine kleine Twitter-Gemeinde diesen Satz an beinahe jedem Sonntag (bzw. Montag) um & bei null Uhr. Oft sind es nur die fünf Wörter. Manchmal ist es mehr und bisweilen passt es nicht in 140 Zeichen. So wie heute.

Ist es schon? Ja. Es ist genull nau Uhr. Ich schreibe diesen Satz ab heute noch genau dreimal und werde mir dann ein neues Sonntagabend-Ritual suchen müssen. Und das gefällt mir nicht.