In Concert: Erased Tapes Records im resonanzraum

Ich bin kein Fan des Reeperbahn Festivals und werde es wohl auch nicht, denn dieses Prinzip des Location-Hoppings auf gut Glück, immer mit der Gefahr, gerade das nicht sehen/hören zu können, was man unbedingt sehen/hören wollte, ist mir zu stressig. Das Elbjazz funktioniert zwar ähnlich, aber da habe ich bisher noch immer unverhoffte Freude an parallel laufenden Acts gefunden. Was an der Reeperbahn für mich schwieriger ist, der dort präsentierten Musikstile wegen.

Jedenfalls, ich wäre ohne den Labelabend „Reeperbahn Festival im resonanzraum mit Erased Tapes“ wohl nicht auf die Idee gekommen, mir ein Tagesticket zu kaufen. Aber IMMIX ENSEMBLE & Vessel, Masayoshi Fujita, Douglas Dare (mit Fabian Prynn und EERA) und Rival Consoles, moderiert von Labelgründer Robert Raths, auf einen Schlag, und quasi bis vor die eigene Haustür (OK, rund 6km Luftlinie) geliefert? Ja, bitte!

Während Immix (ohne Ensemble) & Vessel mich als Duo nicht überzeugen konnten, war ich sehr begeistert von den Auftritten von Masayoshi Fujita und Rival Consoles, und selbst wenn man mit Douglas Dare mal musikalisch nicht auf einer Wellenlänge liegt, so kann zumindest immer noch das extrovertierte Spiel von Schlagzeuger und Perkussionist Fabian Prynn bewundert werden.

Was mich dabei zunehmend fasziniert ist der Blick hinter die Kulissen, der sich bei solchen Abenden in kleinen Räumen auftut. Nach drei Veranstaltungen in London und der gestern Abend im Medienbunker bekommen die Menschen hinter dem Geschehen ein Gesicht, das meinen Eindruck aus Newslettern, Instagram-Schüssen, Tweets und Facebook-Postings komplettiert – und dankenswerterweise nicht widerlegt.

Allerdings, ab jetzt sollte ich meine Neugier vielleicht bezähmen. Am Ende schwindet noch die Magie und das wäre außerordentlich schade.

Abschließend nochmals ein Lob an den resonanzraum, der erneut unter Beweis gestellt hat, dass zarte Vibraphontöne dort ebenso gut aufgehoben sind wie deutlich weniger zarte elektronische Beats!

In Concert: „Hamburger Pianosommer“ in der Staatsoper Hamburg

Was passiert, wenn Joja Wendt, Axel Zwingenberger, Martin Tingvall und Sebastian Knauer zum „Hamburger Pianosommer“ in die Staatsoper Hamburg einladen?

Vier grandiose Mini-Sets unterschiedlicher Stilrichtungen, diverse Duette sowie musikalische Staffelläufe, von denen einer in einem achthändigen Boogie Woogie nach Rachmaninoff auf zwei Konzertflügeln mündete. Sowas glaubt man ja auch erst, wenn man es sieht und hört.

Das war eine äußerst gelungene, hochklassige und sehr unterhaltsame Werbeveranstaltung für Steinway & Sons! Wobei das Product Placement, nun ja, die Viecher stehen eh überall in der Welt immer dann auf den Bühnen, wenn es darauf ankommt. Von daher: passt schon, gerne wieder!

Theater, Theater: The Greatest Show on Earth auf Kampnagel

„The Greatest Show on Earth“ beim Sommerfestival auf Kampnagel – der ultimative Beweis dafür, dass man mir sogar einen singenden Scheißhaufen verkaufen kann, wenn die Musik dazu gut oder mindestens gut inszeniert ist. Ich amüsierte mich köstlich, trotz einiger Abzüge in der B-Note.

Apropos, ich hätte sehr gerne auch Socalled gesehen/gehört. Die „leichte Verschiebung“ des Auftritts heute Abend kam da wohl nicht nur mir ein wenig ungelegen.

In Concert: HafenCity Open-Air

Ich packte meinen wasserdichten Rucksack und hinein kam: ein Schwamm, ein wetterfestes Sitzkissen, eine Fleecejacke, eine Regenhose, eine Regenjacke und ein Südwester*). Preisfrage: welches Konzert? Richtig, das HafenCity Open-Air mit Sol Gabetta, dem NDR Elbphilharmonie Orchester und Krzysztof Urbánski!

Optisch, künstlerisch & organisatorisch war das heute Abend ein Hochgenuss. Von der Akustik her war’s dagegen leider etwas schwierig – zumindest von meinem Platz aus, ganz am linken Rand der Tribüne. Denn während Möwengekreisch und dezente Hafengeräusche sehr gut zu Bild & Ton passten, trieb mir die ungerührt auch während der leisen Töne weiter schnatternde Dame am benachbarten Getränkestand, garniert von Münzgeschepper und lautem Türenschlagen, zwischenzeitlich ordentlich den Puls in die Höhe. Aber sei’s drum, ich werde mir den Schostakowitsch einfach nachträglich in Ruhe ein zweites Mal bei ARTE Concert anhören. Im Anschluß, nämlich bei Dvořáks neunter Sinfonie, traten die Nebengeräusche dankenswerterweise komplett in den Hintergrund.

Ach ja, das mit den hervorragenden Beziehungen zu den Wettergöttern üben wir dann im nächsten Jahr nochmal, ne, NDR?


*) Der Südwester hat seine Konzerttauglichkeit erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Wind aus, Regen aus; Ohren frei!

In Concert: Nils Frahm & Company im Barbican Centre

„Yes, there will be some surprises. But I can’t talk about it because she won’t be there!“

Als feststand, daß ich am fraglichen Wochenende in London sein würde, war „Possibly Colliding, Session One: Nils Frahm & Company“ bereits ausverkauft und als ich dann auf der Launch Party für „Sheets Zwei“ vorsichtig anfragte, war die Gästeliste lange geschlossen. „Vielleicht über Facebook…?“ Je nun, Versuch macht klug, und tatsächlich: Die Ticketfee hieß Jack und ich weiß jetzt, was man unter „Face value“ versteht.

Ich werde nämlichem Jack noch lange dankbar sein, denn was da gestern abend in der Hall des Barbican Centre passierte, kann man noch am ehesten mit dem Ausdruck „not to be missed“ umschreiben. Über drei Stunden und mit Unterstützung von Anne Müller, Nonkeen (mit Andrea Belfi), dem von Kieran Brunt zusammengestellten und geleiteten Vokalensemble Shards und stargaze gab Nils Frahm alles – „a most ambitious concert“ indeed.

Es wird, so war es zuvor angekündigt, das letzte Konzert auf unbestimmte Zeit gewesen sein. Das kommt mir zugegebenermaßen nicht ganz ungelegen, denn nach Paris und London muß auch ich jetzt erstmal tief Luft holen.

Dennoch, die Frage „Wie ist das noch zu toppen?“ stellt sich nicht. Nils Frahm gehört zu jenen, bei denen man sicher sein kann: Es wird ihm etwas einfallen.

In Concert: Nils Frahm & Ólafur Arnalds im Musée du Louvre

Wie also diese Nacht beschreiben? Dieses Konzert?

Ich kann von dem Aufbau der Bühne mit den unterschiedlichen Klaviaturen, Apparaturen und den vier Klobürsten, die auf dem Flügel bereitlagen, berichten. Von den aufgestellten Liegeklappstühlen, die unter dem Glasdach seltsam deplatziert wirkten und deren beständiges leises Knarzen zu dem Hintergrundsummen beitrug, das entsteht, wenn viele Menschen mehrere Stunden in Museumsakustik zubringen. Von denen unter den Konzertbesuchern, die statt „Une nuit“ möglicherweise „Une rave sous la Pyramide“ erwartet hatten und die kaum zu bändigen waren, sobald Nils Frahm oder Ólafur Arnalds ein wenig Rhythmus ins Spiel brachten (wobei die Security-Menschen des Musée du Louvre mehrfach sichtbar ins Schwitzen kamen). Ich könnte mich dabei auch und gerade mit Leuten wie dem zugedröhnten Blödian aufhalten, der auf dem Boden neben einer Bierpfütze hockend und sich eine Zigarette drehend beständig halblaut vor sich hin fluchte, während uns JR begleitet von Nils und Ólafur eine Geschichte erzählte.

Alles komplett zweitrangig und sowieso keine Art, um dieses einmalige Erlebnis zu erfassen: Wie Nils und Ólafur sich und uns in und durch diese Nacht brachten. Und wie das war, als die beiden gegen sechs Uhr morgens den Sonnenaufgang herbei spielten.

Merci beaucoup.

In Concert: Nonkeen in der Laeiszhalle

Dann waren da noch Nonkeen, gestern in der Laeiszhalle, und sie kamen dort live & in Farbe deutlich nilsfrahmiger daher als auf dem Tonträger „The Gamble“. Wenn man die Augen etwas zukniff, den Blick auf die rechte Bühnenhälfte konzentrierte und außer Acht ließ, dass da weder „Una Corda“, noch das kleine Klavier, noch der Flügel und auch keine Klobürsten zu sehen waren, konnte man sich kurzfristig einbilden, im Zeitsprung 9 bzw. 12 Monate zurück wieder auf Kampnagel zu sein. Was durchaus großartig war; wenn auch etwas herausfordernd, aus emotionalen Gründen. Aber das ist ein anderes Thema.

Jedenfalls: Nils Frahm mit Groove, das geht hervorragend. Entscheidenden Anteil daran hatte Gastmusiker Andrea Belfi, der mir gelegentlich gern auch in anderen musikalischen Zusammenhängen wieder begegnen darf.

Wie immer ganz furchtbar und ein Abzug in der B-Note: die Luft in der voll besetzten Laeiszhalle nach einem sonnigen Tag. Das hätte mich beinahe die Zugabe (mit Martyn Heyne) gekostet. Schlimme Sache, die war nämlich ganz besonders phantastisch.

Vielen Dank übrigens an die „Quatschmacher“ am Mikro, das vor der Orgel stand. Ich sah nämlich auf der Bühne zwar den weiß verkleideten Spieltisch, suchte aber vergebens die zugehörigen Pfeifen von „Maus Hahn Petersohn“ und begriff zuerst gar nicht, wo der Fehler im Bild war…

„Liebe für alle – Vol. 3“ & In Concert: Svavar Knútur in der warenwirtschaft

„Liebe für alle – Vol. 3“, so lautete der Titel der sehr empfehlenswerten Veranstaltung vorgestern im Grünen Jäger. Tatsächlich gab es Liebe für alle und jeden, in unterschiedlichen Spielarten und Darbietungsformen. Ich mochte besonders die Bestsellervorschau von Anselm Neft und die Liebes-/Männergeschichte von Katrin Seddig ohne Happy End. Wobei das weniger ein Nicht-Happy End, sondern vielmehr ein Cliffhanger war. Außerdem überlege ich immer noch, wo ich Tilman Birr vorher schon einmal gesehen haben könnte. Schöner Abschlusssong übrigens.

„Liebe für alle“ könnte auch als Überschrift über dem gestrigen Konzert von Svavar Knútur in der warenwirtschaft gestanden haben. Konkreter: Musik (& Liebe) für alle und mit allen, dazu eine winzige Prise Gütersloh-Bashing, aus Gründen – ganz hervorragend, wir verstehen uns. Den Mann live zu erleben wird nicht langweilig und ist wärmstens all denen zu empfehlen, die das Etikett „Icelandic Troubadour“ nicht abschreckt.

Record Store Day

Schallschale
Schallschale

Dass ich ausgerechnet am Record Store Day meine bei Lockengelöt beauftragte Schallschale abholte und mein „das würde ich mir nicht mehr anhören, selbst wenn ich es als CD hätte“-Altvinyl dort hin spendete, war vermutlich nicht ganz im Sinne des Erfinders.

About Songs & Books
About Songs & Books

Aber ich weilte anschließend noch ein Stündchen bei About Songs & Books und habe dort das Konzert von Megan Lane genossen. Daher sollte das Konto soweit ausgeglichen sein.