In Concert: Martin Kohlstedt im Volt

Man nehme zweimal Martin Kohlstedt in Hamburg, mit einem vergleichbaren Programm, beide Male in der elektronischen Version, und man bekommt: zwei komplett unterschiedliche Abende.

Ein Teil davon mag dem anderen Raum geschuldet sein. Aber für mich war das heute einer der stärksten Beweise dafür, wie sehr Musik auch Tagesform ist. Und dass genau das kein Handicap bedeuten muss, sondern eine Stärke sein kann.

Junger Mann: Wenn du das durchhältst, dann hast du einen Fan für lange.

N-JOY Abstrait (2005-2015)

Vor Jahren stolperte ich über eine Webseite, auf der Radiopannen gesammelt wurden. Da gab es Klassiker wie den Röschenhof (mdr) und die SWR3-Wanderbaustelle („Sie erkennen sie am Rucksack!“), den als Blindmann beschimpften Schiedsrichter und auch – obwohl tagesschau und somit nicht Radio, sondern Fernsehen – Dagmar Berghoffs legendäres „WC(T)-Tunier“ nebst komplett verlachter Lottozahlen war dort vertreten.

Meine allerliebste Lieblings-Radiopanne ist dagegen vergleichsweise schlicht: „Es ist genull nau Uhr“. Ich schmunzele immer, wenn ich einen Nachrichtensprecher diesen Satz in der korrekten Variante sagen höre. Das kommt nicht so furchtbar oft vor, aber seit geraumer Zeit doch mindestens einmal die Woche. Sofern irgend möglich. Und deswegen, dieses Geheimnis lüfte ich jetzt und hier, liest meine kleine Twitter-Gemeinde diesen Satz an beinahe jedem Sonntag (bzw. Montag) um & bei null Uhr. Oft sind es nur die fünf Wörter. Manchmal ist es mehr und bisweilen passt es nicht in 140 Zeichen. So wie heute.

Ist es schon? Ja. Es ist genull nau Uhr. Ich schreibe diesen Satz ab heute noch genau dreimal und werde mir dann ein neues Sonntagabend-Ritual suchen müssen. Und das gefällt mir nicht.

Verpasst

Nein, das war nicht mein Lauftag heute. Der Abbruch erfolgte bei rund 7,5km an exakt der Stelle des Rundkurses der Bramfelder Winterlaufserie, an der ich schon im Dezember das Handtuch werfen musste. Vielleicht sollte ich den Ort mal mit einer Wünschelrute abgehen. Aber sei’s drum. Besser jetzt als beim Insellauf im April. Oder gar beim Halbmarathon im Juni.

Viel blöder war, dass ich ein weiteres Mal die Chance auf die Wetteransage im Hamburg Journal verpasst habe. Die finde ich nämlich ganz besonders niedlich. Außerdem habe ich mal irgendwann, als ich noch recht frisch in Hamburg war, zu irgendwem gesagt: „Wenn ich es schaffe, das Wetter im ‚Hamburg Journal‘ anzusagen, dann bin ich hier angekommen!“

Das hatte ich zwar damals nicht ganz ernst gemeint und außerdem bin ich vorsichtig geworden beim arglosen Sprechen in Mikrophone, auf denen das Logo eines öffentlich-rechtlichen Senders prangt. Das kann nämlich noch nach Jahren zu ganz und gar ungeahnten Konsequenzen führen.

Dennoch, es hängt mir irgendwie nach. Mag sein, dass zusätzlich eine Art Wettbewerbssituation eingetreten ist, weil eine gewisse, ebenfalls zugezogene Person in meinem Bekanntenkreis tatsächlich schneller war an dieser Hürde.

Zweimal war es schon knapp bisher: Bei der ersten Gelegenheit hätte ich ein entzückendes blondes Kind ausstechen müssen, was ich insbesondere mit Blick auf die stolz strahlende Begleitmutti tunlichst vermied. Und dann war da noch die Lotsenschoner-Fahrt, zu der ich entweder nicht konnte oder nicht wollte, ich weiß nicht mehr genau.

Jedenfalls, als ich heute bei meiner zweiten Einlaufrunde das NDR-Fernsehteam sah und im Vorbeizockeln gerade noch die Instruktion „… und es ist wichtig, dass sie ganz deutlich ‚morgens…'“ mitbekam, wusste ich: diesmal liege ich wirklich sehr dicht daneben.

Immerhin bin ich beim „Guten Abend, Hamburg!“-Sprechchor dabei. Wenn auch ziemlich weit hinten.

In Concert: Salut Salon in der Kommödie Winterhuder Fährhaus

Wenn man an einem Samstagnachmittag, zwei Tage vor dem Konzerttermin, mit dem Gedanken „Ach, es wird eh ausverkauft sein!“ eher lustlos auf den Buchungsplan der Komödie Winterhuder Fährhaus klickt und für ein Programm namens „Die Nacht des Schicksals“ ist noch exakt 1 (in Worten: ein) Platz zu haben…

… tja, was soll ich sagen. Es war großartig. Heiße Empfehlung!

Resonanzort

Wenn ich meine 15km-Strecke laufe, bewege ich mich immer möglichst lange am Stadtpark, bevor ich Richtung Maria-Louisen-Straße und Außenalster abbiege.

Ich komme dann an einem Platz vorbei, der kaum diesen Namen verdient. Er ist unbefestigt und am Rande gelegen, ein paar Parkbänke und die verwitterte Sandsteinskulptur eines Eisbären von Hans Martin Ruwoldt stehen darauf herum. Ich musste eine Weile suchen, bis ich auf die Bezeichnung „Südring/Bouleplatz“ gestoßen bin.

Boulespieler habe ich dort noch nie gesehen. Aber vor meinem inneren Auge läuft eh ein ganz anderer Film ab, wenn ich diesen Ort passiere: Er erinnert mich an einen Platz in Berlin. Das ist mir unheimlich. Es gibt da nämlich keine einzige Gemeinsamkeit.

Resonanzort

Der Berliner Resonanzort, so nenne ich ihn, liegt mitten in Mitte. Niemand käme auf die Idee, dort Boule spielen zu wollen. Es gibt auch keine Eisbärsandsteinskulptur, stattdessen einen Springbrunnen, drei Denkmäler und eine große, halbrunde Bank aus rotem, poliertem Granit. Das ist ein Stein, der sich gegen Ende eines heißen Sommertages anfühlt, als würde er von innen beheizt. Und an diese Wärme erinnere ich mich schlagartig jedes Mal, sobald ich mich dem namenlosen Bouleplatz am Hamburger Stadtpark auch nur bis auf Sichtweite nähere.

Ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen: Ich schätze diese spezielle Resonanz nicht besonders. Sie trifft einen immer noch sehr wunden Punkt. Es kommt mir andererseits aber auch lächerlich vor, meine Laufstrecke deswegen zu ändern. Weil das alles bar jeder Logik ist. Zugegeben, das hier klingt nicht danach; aber ich gebe ansonsten viel auf Logik.

Dass ich zuletzt in Berlin war, ist nun anderthalb Jahre her. Übernächstes Wochenende fahre ich wieder hin. Vielleicht probiere ich dann aus, ob die Resonanz in beide Richtungen funktioniert. Vielleicht aber auch nicht. Wir werden sehen.

Eisbahnfreuden

Und so begaben Frau F. und ich uns zum wiederholten Male auf die Indoo Eisarena, um die These „Eislaufen macht glücklich“ erneut zu beweisen.

Ausnahmsweise und aus Gründen geschah das heute an einem Freitagabend und ich hatte die leise und wie sich herausstellte: äußerst naive Hoffnung, dass mit DJ die Musik auf der Bahn vielleicht ein klein wenig, also, hm. Diese Hoffnung starb gründlich: mit „I’m a Barbie Girl“, Helene Fischer und einem „Dirty Dancing“-Medley. In dieser Reihenfolge. Gefreut hat es mich hingegen für Ylvis. Denn eines ist ganz unzweifelhaft: Wessen Musik auf der Eisbahn läuft, der hat es geschafft. Kommerziell jedenfalls.

Aber Scherz, Sarkasmus & Ironie beiseite: das muss so, freitagabends auf der Eisbahn in den Wallanlagen. Und überhaupt, wenn die Musik dort so wäre, wie ich es am liebsten hätte, dann würde ich wohl platzen. Mit der zu erwartenden Endorphinladung könnte ich im Zweifel gar nicht umgehen.

In Concert: „The Artist“ mit dem NDR Sinfonieorchester auf Kampnagel

„With Pleasure!“

Ich habe nur eine mögliche Erklärung dafür, dass ich gestern erst (!) kapiert habe (!!), warum der Mann den gesamten Film zuvor über partout kein einziges Wort sprechen will: In der deutschen Synchronisation hört man es nicht. Das ist doch so, oder? Ansonsten dürft ihr mich ab heute ungestraft als blindes Huhn beschimpfen. Bzw. natürlich als taube Nuss.

Aber zurück zum gestrigen Abend und somit zur Filmkonzertreihe des NDR Sinfonieorchesters auf Kampnagel: Das ist absolut genau mein Gift und die Jahresdosis dürfte gerne höher sein.

In Concert: Boiler Room „Stay True Germany“ im REE Location

Das war also gestern der Boiler Room. Ok, dem Vernehmen nach nicht der „echte“ Boiler Room, sondern etwas, was sich „Stay True Germany“ nennt und von Ballantine’s gesponsert wird.

Da hatte ich vor ein paar Wochen blind auf „RSVP“ geklickt, aus reiner Neugier, und war daher sehr angenehm überrascht, neben einem Haufen DJ-Equipment und verschiedenstem Synthesizer-Gedöns unter anderem auch einen ausgewachsenen Konzertflügel auf der Bühne vorzufinden. Schade nur, dass der Sound in der großen Halle nicht optimal war und dass gefühlte 70-80% der Leute nicht die Musik (oder gar die Künstler), sondern ausschließlich sich selbst feiern wollten. Zusammen mit den umsonstenen Whisky-Drinks ergab das keine günstige Atmosphäre – zumindest nicht für Klavier- und Streichertöne.

Gregor Schwellenbach und sein Ensemble sind daher leider fast komplett untergegangen. Brandt Brauer Frick fand ich nicht übel, Carl Craig war nicht so meins. Aber Francesco Tristano, solo und zusammen mit Brandt Brauer Frick: Volltreffer. Allein dafür hat es sich gelohnt.

Ach ja, und ich weiß jetzt buchstäblich aus eigener Anschauung (Luftlinie geschätzt 5m), wer Jorge Gonzalez ist. Davon muss ich mich jetzt erst einmal erholen. Man wird ja nicht jünger.

In Concert: Nils Landgrens „Christmas with my friends“ im Michel

Advents- und Weihnachtslieder wie „Maria durch ein Dornwald ging“, „Tochter Zion“ oder „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ hatten in meiner (Vor-)Weihnachtszeit lange Jahre keinen Platz. Wenn ich überhaupt noch Weihnachtslieder gehört habe, dann war das Swingendes wie „Christmas with the Rat Pack“ oder angelsächsisches (Pop-)Liedgut à la „Wonderful Christmas Time“, „Driving home for Christmas“ und „Stop the Cavalry“. „Stille Nacht“ konnte ich allerhöchstens noch in der Version von Mahalia Jackson ertragen.

Aber dann hielt mir eines Tages meine kleine Schwester ein dunkelblaues CD-Cover unter die Nase und spätestens ab der Interpretation von „In dulce jubilo“ durch Bugge Wesseltoft war es um mich geschehen.

Und so geschah es, dass ich heute Abend zusammen mit vielen anderen Menschen im Michel saß und zur zweiten Zugabe mit Nils Landgren und seinen Freunden „O du fröhliche“ sang.

Und wisst ihr, wie das war?

Das war wie Weihnachten.

In Concert: Martin Kohlstedt in der Astra Stube

„Introvertiert oder extrovertiert?“

Astra Stube
Astra Stube

Samstagabend in der Astra Stube: Die Luft ist zum Schneiden – die Quarzer müssen hier nicht vor die Tür – und in der großen Diskokugel fehlt ein Stück etwa von der Größe Australiens. Draußen rattern Züge im Minutentakt. Es ist voll und ich mag zwar nicht die Älteste sein, aber ich hebe den Schnitt. Ich bin spät dran und habe keinen Sitzplatz ergattert. Mein Rücken tut weh und ich bin sehr, sehr müde.

Warum ich trotzdem anderthalb Stunden ausgeharrt habe? Weil da vor mir ein junger Mann aus Weimar vor einem Rhodes-Piano (Mark I, vermute ich) und einem Synthesizer gesessen hat. Und das war ziemlich gut.