Le Cinéma Abstrait mit Raphaël Marionneau im Meßmer Momentum

Aufführungen von „le cinéma abstrait“ in Hamburg sind leider selten. So ganz verstehen kann ich das nicht; meiner Meinung nach ist das mit das Beste, was Soundpilot Raphaël Marionneau in seinem musikalischen Portfolio hat.

Raphaël hat mittlerweile sechs Stummfilme neu vertont: „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ (1927), „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920), „Menschen am Sonntag“ (1930), „Metropolis“ (1927), „Der müde Tod“ (1921) und „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922). „Neu vertont“ bedeutet hier: In wochenlanger, mühsamer Kleinarbeit sucht er passende Musik zu jeder einzelnen Szene heraus und legt diese bei Aufführungen in Kinos und auf Festivals live auf.

Da kommt bisweilen eine Mischung heraus, die auf den ersten Blick zusammenführt, was nicht zusammengehört. In „Berlin – Sinfonie der Großstadt“ geben sich beispielsweise A Winged Victory for the Sullen, Philip Glass, Ulrich Schnauss, die Chemical Brothers, Pantha du Prince und Red Nichols die Klinke in die Hand. Aber das passt tatsächlich (alles!), und erneuert auf diese Weise den Blick auf vermeintlich überbekannte, weil schon x-mal gesehene Filmklassiker.

„le cinéma abstrait“ wurde mittlerweile unter anderem in Berlin, Madrid, Paris, Brüssel, New York und auf Mallorca präsentiert. In Hamburg aber sind die Termine so sparsam gesät, dass mir immer noch drei Filme fehlen.

Ob es daran liegt, dass sprichwortgemäß der Prophet im eigenen Lande nichts gilt? Oder gar daran, dass Hamburg eventuell doch ein winziges bisschen weniger Filmstadt ist, als gerne behauptet wird?

Mit mangelndem Publikumsinteresse an neu bzw. live vertonten Stummfilmen kann man es jedenfalls nicht begründen. Die Hamburger Symphoniker, Stephan Graf von Bothmer und bis letztes Jahr auch das NDR Elbphilharmonie Orchester füllen damit regelmäßig ganze Säle.

Vorsicht, Kamikazemütter

An die Mutter mit dem SUV-großen Kinderwagen, die mich mit Leidensbittermiene und radikaler Entschlossenheit zu einem kurzfristigen Ausweichmanöver durch eine große Matschpfütze zwang: Ich freue mich schon darauf, wenn dein Nachwuchs mich einst an der Alster auf Fahrrad, Long- oder Hoverboard ohne Federlesens vom Gehweg fegt.

Nicht.

Airwaves

Ich bin noch neu in der (Blogger-)Branche. Umso mehr erfreuten mich die lebhaften Rückmeldungen zu und Reaktionen auf meinen gestrigen Beitrag zum Thema Dudelfunk, allen voran der wundervolle Text von Kiki, drüben im e13 Blog.

Da wurde viel Nostalgie ausgebreitet, es wurden Erfahrungen ausgetauscht, über die Definition von Mainstream und Indie diskutiert und ich erntete nebenbei ein paar Empfehlungen. Auf Twitter wurde mir WDR 5 angetragen, via Facebook legte man mir FluxFM und radioeins nahe und überhaupt, so ein Internetradio sei ja gar nicht teuer.

Man verstehe mich bitte nicht falsch: Ich besitze bereits ein solches Gerät. Es steht im Wohnzimmer zwischen Klavier und Grammophon, im Stapel mit einem iPad, dem CD-Player mit USB-Eingang und dem Receiver, der auch DAB und DAB+ versteht. Ich nutze es ähnlich wie Mixcloud, Spotify und SoundCloud, denn unabhängig vom Sender, der gerade läuft und der Tatsache, ob eine Sendung live on air, vorproduziert, nachzuhören oder eine schnöde Dauerschleife mit Jingle und Werbeunterbrechung ist, ist Internetradio für mich kein Radio.

Radio, das ist für mich Ultrakurzwelle mit Antenne und schwankender Empfangsqualität. Radio ist, wenn man mit dem Auto durchs westliche Münsterland fährt und zwischendrin plötzlich Niederländisches hört, bei dem also eine Bezeichnung wie „der Sektor“ (1LIVE) tatsächlich geographische Bedeutung hat und bei dem man sich durch das Bedienen der Sendersuche an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Stunde und an einem bestimmten Ort dem Zufallsprinzip ausliefert. Das macht für mich die Magie aus.

Es hat darüber hinaus einiges mit Konsumverhalten und Hörgewohnheit zu tun. Im Wohnzimmer höre ich gezielt: einzelne Tracks, eine Sendung, einen Podcast, eine Playlist, einen (Sparten-)Sender oder von einem Algorithmus gesteuerte Empfehlungen. In meiner Küche aber will ich Radio: am liebsten Informatives abwechselnd mit Musik, gerne ohne „die besten Hits von heute“ in kurzatmiger Rotation und vorzugsweise mit Regionalbezug. Radio, und das ist dabei kein unwesentlicher Faktor, das auch dann weiterläuft, wenn der Router hustet.

Läuft das schon unter „Krückstockgefuchtel“? Vermutlich.

Wie dem auch sei, was spannend sein wird: Diesen Text in zehn bis fünfzehn Jahren nachzulesen. Wahrscheinlich ist dann eh alles anders.

(All we hear is) Radio Ga Ga

Es ist mir fast ein bisschen peinlich, aber bis vor kurzem habe ich noch NDR 2 gehört, wenn in der Küche einfach mal nur das Radio laufen sollte. Das hat historische Gründe. Zu den wenigen Dingen, die ich nach meinem Umzug aus Nordrhein-Westfalen nach Hamburg vermisste, gehörte mein damaliger Lieblingsradiosender WDR 2. Jetzt kann man den natürlich auch in Hamburg hören, Kabel, Internet und so weiter, aber was nutzen mir hübsche Beiträge über Bielefeld und Verkehrsnachrichten für das Ruhrgebiet, wenn ich in Barmbek (bzw. anfangs noch Wandsbek) wohne. Die Zielgruppe von NDR 90,3 verfehlte ich deutlich und N-JOY, naja, da gab es diese eine Sendung, aber ansonsten: viel zu laut.

Also landete ich bei NDR 2 und genoss dort insbesondere die samstäglichen Bundesligakonferenzen. All die vertrauten Stimmen: Manni Breuckmann! Sabine Töpperwien! Und sowieso: Kindheitserinnerung! Herrlich.

Allein, es ist und bleibt die meiste Zeit des Tages ein grässlicher Dudelfunk ohne nennenswerten Informationsgehalt. Ich schraubte mich also durch die Kanäle und landete überraschenderweise beim Nordwestradio. Substantielle Wortbeiträge, Feist zum Frühstück, Stoppok live am Abend: ja, doch, geht schon. Bisschen viel Bremen, aber das war immerhin schon mal eine ganze Ecke näher als Castrop-Rauxel. Nicht nah genug allerdings: Der Empfang am Küchenfenster entpuppte sich als phasenweise grottig und wenn ich etwas nicht leiden kann, dann das.

Ich bin inzwischen beim Deutschlandfunk angekommen und es tut mir tatsächlich gut, einen Radiosender zu hören, in dem verhältnismäßig wenig Musik läuft. Für jemanden, der Radio immer als Musikquelle betrachtet hat, ist das eine neue Erfahrung. Aber es stimmt eben doch: Sich weniger bedudeln zu lassen, fördert die Konzentration. Auch und gerade, was das Musikhören betrifft.

In Concert: James Rhodes auf Kampnagel

Der heutige Abend auf Kampnagel wurde allenthalben als „musikalische Lesung“ angekündigt und da die Autobiographie von James Rhodes in diesem Frühjahr auf Deutsch erschienen ist, erwartete ich eine Veranstaltung im Stile einer klassischen Buchvorstellung mit ein wenig musikalischer Garnitur.

James Rhodes hat einiges hinter sich – als Kind missbraucht worden, Depressionen, Drogen, Klinikaufenthalte, das ganze Programm – und musste vor Gericht dafür streiten, das Buch mit dem Titel „Der Klang der Wut“ in dieser Form überhaupt veröffentlichen zu dürfen. Seine Ex-Frau war der Meinung, das sei dem gemeinsamen Sohn nicht zuzumuten.

Ich stellte mich also auf schwere Kost ein, die dann komplett ausblieb: James Rhodes hat über Musik gesprochen! Fast ausschließlich! Über Chopin, Beethoven, Rachmaninoff und die Stücke, die er gespielt hat. Sprühend, ansteckend, angetan mit einem Sweatshirt mit der Aufschrift „BACH“ und in der Körperhaltung eines begeisterten Kindes. Mit einem verschmitzt-schüchternen Lächeln, welches mich so sehr an einen Herrn erinnerte, in den ich mich einst gar furchtbar verliebte, dass ich ein paar Mal heftig blinzeln musste, um mich daran zu erinnern, dass den beiden (optisch) ansonsten nichts gemein ist.

Das Manuskript
Das Manuskript

Sprechen müsse man über klassische Musik, sagt James Rhodes. Nicht nur abliefern und vom Publikum verlangen, dabei auch ja ganz still und andächtig zu sein. Das dockt bei mir 100%ig an. Klavier verläuft bei mir nämlich in Schüben, die nicht selten dadurch ausgelöst werden, dass ich mich jemandem über Musik unterhalte, der mehr davon weiß als ich.

Und Klavier spielen kann der Mann auch.

Pyjamaparty!

Die Menschen hinter der Facebookseite der Elbphilharmonie haben übrigens überraschend wohlwollend auf meine lustige Übernachtungsvision reagiert und wollen das Ganze als Vorschlag weiterleiten.

Falls also im Programm der nächsten oder übernächsten Saison eine Pyjamaparty auftauchen sollte: meine Schuld!

Spot the Fensterputzers
Spot the Fensterputzers

#EisZeitenHH

Da ist noch nachzutragen, dass es mich gestern zum ersten Mal ins Museum für Völkerkunde Hamburg verschlug, zum Social-Media Abend zur Doppelausstellung „EisZeiten“. Ohne die bestehende Verbindung zum Archäologischen Museum Hamburg wäre das wohl nicht passiert, denn die Rothenbaumchaussee ist sonst nicht so meine Gegend (wenn ich nicht gerade beim Halbmarathon mitlaufe).

Einen Tag nach Ausstellungseröffnung wurden dort gestern Blogger, Instagrammer, Twitterer und überhaupt, Social Media-Menschen begrüßt, mit #EisZeitenHH-Bier, Brezeln und #EisZeitenHH-Eis bewirtet, mit WLAN versorgt, durch die Ausstellung geführt und aufgefordert, hemmungslos zu tippen, zu filmen und zu fotografieren. Mit großer Resonanz: die Social Media Wall glühte, dass es eine wahre Pracht war.

Bei der Doppelausstellung thematisiert das Museum für Völkerkunde unter dem Titel „Die Menschen des Nordlichts“ die Lebensweise der Volksgruppen nördlich des Polarkreises. Dabei ist „zirkumpolar“ der zentrale Begriff: In der Ausstellung wird nicht nach einzelnen Volksgruppen unterschieden, sondern nach Lebensbereichen. Diese enthalten jeweils Exponate verschiedener Herkunft und beweisen eindrucksvoll, wie wenig Relevanz von Menschen gezogene Landesgrenzen unter klimatisch herausfordernden Bedingungen letztlich haben.

Nicht nur dort, sondern auch im zweiten Ausstellungsteil, „Die Kunst der Mammutjäger“ (Archäologisches Museum Hamburg), gibt es spektakuläre Ausstellungsstücke aus der Kunstkammer St. Petersburg zu sehen. So z. B. eine geschnitzte Frauenfigur aus der Zeit von 21.000 bis 19.000 v. Chr., also richtig, richtig alt. Das ist schon sehr speziell, man sollte sich das vielleicht mal anschauen. Die Dame und ihr Gefolge reisen in ihrem Alter nicht mehr so gern und wer weiß, ob jemals wieder.

Mein Lieblingsstück steht allerdings jetzt schon fest: die Kopfbedeckung der Alutiiq-Jäger in Seehundsform. Ich bin verliebt!

Übernachten in der Elbphilharmonie

Vorhin, auf dem samstäglichen Weg von A nach B, stolpere ich über diesen Kundenstopper. Spontan schießen mir Bilder durch den Kopf, wie man sie von den besonders bei Kindern beliebten „Übernachten in der Buchhandlung/Bücherei“-Aktionen kennt: fröhliche Musikfreunde in Nachtzeug mit Schlafsäcken und Luftmatratzen im Konzertsaal, dazu ein Gläschen Wein und die ein oder andere nächtliche musikalische Darbietung. „Cool, dann muss ich mir wohl mal das Hamburger Abendblatt kaufen“, denk ich.

Bis mir wieder einfällt: in der Elbphilharmonie gibt’s ja auch ein Luxushotel.

Die lustige Vision zerplatzte und die Zeitung blieb ungekauft.

If I were a rich girl

Nachdem die Firma Steinway & Sons Hamburg mir unlängst beim „Hamburger Pianosommer“ per Gewinnspielteilnahme erfolgreich die E-Mail-Adresse entlockte, folgte ich heute einer Veranstaltungseinladung an den Rondenbarg – aus reiner Neugier, wie ich gerne zugebe.

Abgesehen davon, dass der Abend musikalisch ganz wundervoll war – es spielten Hilmar Jacobs, Karsten Flohr und Bernd Klosterfreund als J-F-K „The Autumn Leaves“ – fühlte ich mich schon durch den Einladungstext gut unterhalten, war in diesem doch als Unkostenbeitrag die stolze Zahl von 15.000,00 (statt 15,00) Euro zu lesen. Das habe, so die sehr nette Dame bei der telefonischen Anmeldung, zu nicht wenigen amüsierten Reaktionen geführt. Erst nach Beenden des Gesprächs fiel mir auf, dass mein launig gemeinter Satz „Ich wollte den Flügel ja nicht kaufen!“ exakt an dieser Stelle eventuell etwas deplatziert war.

Wobei man, auf die Flügel bezogen, mit der Summe bei Steinway & Sons nicht sonderlich weit kommt – hier bitte ein mattes Ächzen einsetzen.

Und noch einmal: „If I were a rich girl…“