Nachtrag

Worüber ich in den letzten 14 Tagen bisher nicht gebloggt habe:

  1. HAM.LIT 2018,
  2. das „Blind Date“ im Kleinen Saal der Elbphilharmonie,
  3. Christian Löffler bei „le concert abstrait“ im Planetarium Hamburg.

HAM.LIT, die „Lange Nacht junger Literatur und Musik“, ist grundsätzlich super. Nur platzt die Veranstaltung langsam aber sicher aus allen Nähten. Das Gedränge nahm zwischenzeitlich ein Ausmaß an mit dem ich nicht kompatibel bin. Mein persönliches Highlight war der Auftritt von Hundreds im Ballsaal des Uebel & Gefährlich. Schade nur, daß ein Großteil der Anwesenden die komplette Performance zerquasselte. Sie verpaßten auf diese Weise die mutmaßlich einmalige Gelegenheit, Hundreds-Klassiker in einer aufs Wesentliche reduzierten Fassung für Klavier und Gesang zu genießen.

Beim „Blind Date“ in der Elbphilharmonie kauft man für 25 Euro die Katze im Sack. Alles ist möglich: Klassik, Kammermusik, Jazz, Folk, Elektronik; weitere Vorinformationen gibt es nicht. Der zweite Termin der neuen Reihe wurde von Remy van Kesteren bestritten, einem holländischen Harfenisten. Van Kesteren entspricht so gar nicht dem Klischee, daß diesem Instrument anhaftet und spielte sowohl eine Konzert- als auch eine Deltaharfe solo, geloopt und mit elektronischen Elementen. Nur eine Handvoll Besucher des komplett ausverkauften Saals verließen diesen vorzeitig – völlig legitim, man kann bei einem Blind Date eben auch mal daneben liegen. Der Künstler nahm es sportlich; die Mehrzahl blieb und spendierte Standing Ovations. Im Eintrittspreis ist ein Freigetränk enthalten, als Anregung, sich nach dem Konzert an der Bar mit dem oder den Künstlern austauschen zu können. Das ist leider nur ein theoretischer Wert, denn auch der kleine Elphi-Saal faßt noch zu viele Menschen, als daß dies in aller Ausführlichkeit möglich wäre. Zudem ist das nach den Renovierungsarbeiten wieder in vollem Umfang zugängliche Foyer baulich nicht gerade ideal dafür. Trotzdem, eine hochgelungene Veranstaltung! Ich bin nach Möglichkeit wieder dabei. Und Remy van Kesteren kommt auf meine Liste.

Und Christian Löfflers Auftritt bei „le concert abstrait“? Ich machs kurz: Prädikat „besonders planetarisch“.

Vermischtes

Was ich in den vergangenen Tagen noch so gemacht, aber bisher nicht verbloggt habe:

1. Das Burns Supper im Trific genossen.

„Oh Chieftain of the pudding race!“ Ja, doch, Innereien können lecker sein. Vom Whisky ganz zu schweigen. (Hicks.) Feine Musik und zweisprachige (Gedicht-)Vorträge gab’s auch. Es war bereits meine zweite Burns Night und nach Möglichkeit nicht die letzte.

2. Die Lesung mit Jonathan Safran Foer im kleinen Saal der Laeiszhalle besucht.

Ich hatte zwar außer „Tiere essen“ noch nichts gelesen, aber ich war neugierig auf den Mann. Und wenn der deutschsprachige Lesungsteil von Saša Stanišić vorgetragen und die Veranstaltung von Daniel Beskos moderiert wird, was kann da schon schiefgehen? Richtig: gar nichts. Es war aufschlussreich und sehr kurzweilig. Ich werde weitere Bücher von Jonathan Safran Foer lesen müssen.

3. Das Spiel des FC St. Pauli gegen den VfB Stuttgart am Millerntor miterlitten.

Der Spaßfaktor war erwartungsgemäß erheblich höher als bei meinem ersten Bundesligaspielbesuch vor bummelig 25 Jahren, einem Grottenkick des FC Köln gegen den Karlsruher SC im Müngersdorfer Stadion. Was sich nur leider nicht auf das Ergebnis ausdehnte.

Die einzige Möglichkeit
Die einzige Möglichkeit

Ich stand zwischen Eingeschworenen auf der Gegengeraden im Block C und es fühlte sich ein wenig so an, als wäre ich bei jemandem zu Hause eingeladen. Jeder schien jeden zu kennen, jedenfalls im unmittelbaren Umkreis, und grob mindestens auch noch die direkte Nachbarschaft. Das Spiel geriet streckenweise zur Nebensache, so sehr faszinierten mich das Drumherum und einzelne Verhaltensweisen. Neben mir stand beispielsweise ein prinzipiell sehr ruhig und besonnen wirkender Mensch, der ausschließlich bei Eckbällen für die Heimmannschaft aus dem Stand verbal komplett ausrastete, um nach der Standardsituation übergangslos wieder in freundliches Schweigen zu verfallen. Ich lernte unter anderem, wer wo steht bzw. sitzt, wie man sich als Fan der Gästemannschaft unter Paulianern besser nicht benehmen sollte, welches Liedgut verwendet wird, wie groß manche im Stadion geschwenkte Flagge sein kann und dass der kleine tschechische Maulwurf aus der „Sendung mit der Maus“ Pauli heißt. Außerdem weiß ich jetzt, wo es fußläufig zum Stadion die beste Pizza gibt.

Wie das Spiel ansonsten so war, kann man hier oder dort und drüben bei Stefan nachlesen und -schauen.

4. Bei „Rock’n Read“ zwei Schallplatten, ein Buchpäckchen und einen Gutschein gewonnen.

Der „Abend zwischen Lyrik und Lyrics“ im Literaturhaus Hamburg wurde von Studierenden des Seminars „Buch braucht Bühne“ der Arbeitsstelle für Studium und Beruf an der Universität Hamburg veranstaltet. Als Experten waren Frank Spilker, Isabel Bogdan, Ingo Herzke sowie der Literaturwissenschaftler Dr. Martin Schneider geladen.

Der Erkenntnisgewinn aus dem Programm war eher gering, dafür der Unterhaltungswert umso höher. Die Sache entpuppte sich zudem als deutlich musiklastiger als im Vorfeld vermutet. Das mochte ich besonders.

5. Bei HAM.LIT unverhofft einem der beiden unter 4. gewonnenen Bücher nebst Autorin wieder begegnet.

Nämlich Paula Fürstenberg mit „Familie der geflügelten Tiger“ – ich bin jetzt noch ein bisschen gespannter auf das Buch. Außerdem erlebte ich Margarete Stokowski mit „Untenrum frei“ (och, na ja), Stefan Beuse mit „Das Buch der Wunder“ (Toll! Kaufen!), Dear Reader (trefflicher Name – ansonsten ohne Wertung), Alina Herbing mit „Niemand ist bei den Kälbern“ (tendenziell langatmig), Marcel Gein (süß!), Sven Amtsberg mit „Superbuhei“ (fragt mich nächste Woche nochmal) und leider nur ganz kurz im Vorbeigehen Philipp Winkler mit „Hool“ (puh). Ich hätte sehr gerne noch etwas aus „Zuckersand“ von Jochen Schmidt gehört. Aber das Turmzimmer des Uebel & Gefährlich war notorisch überfüllt, weswegen ich lieber bei lilly among clouds im Terrace Hill blieb. War gut so.

„Den“ magischen Moment gab es diesmal zwar nicht, aber ich rechne nach der Erfahrung des letzten Jahres mit der ein oder anderen Spätfolge. Ich werde berichten.

In Concert: Enno Bunger auf Kampnagel

Als ich im Februar dieses Jahres zum ersten Mal bei HAM.LIT – Lange Nacht junger Literatur und Musik war, hinterließ der formatbedingt leider recht kurze Auftritt von Enno Bunger bei mir einen nachhaltigen Eindruck. Ich verliebte mich augenblicklich in „Neonlicht“, solo am Tasteninstrument, fremdelte dann aber mit der beatlastigen Albumversion. Überhaupt stellte ich beim flüchtigen Durchhören der Tonträger auf Spotify schnell fest: Enno Bunger, das ist einer von den Livemenschen. Einer, den man immer wieder im Konzert hören will, weil auf der (Studio-)Konserve – so schön sie auch ist – irgendwie etwas fehlt. Ein Grund, warum ich mir sehr bald nach der Ankündigung eine Karte für das gestrige Konzert auf Kampnagel sicherte.

Da saß ich dann, latent kopfschmerzig und etwas zerstört durch eine aus unspezifischen Gründen schlafarme Nacht zuvor, und freute mich, dass das Programm genau das erfüllte, was der Titel „Herzen auf links – auf die leise Tour“ versprach. Wenn meinem Sprachempfinden auch bei der ein oder anderen Textstelle ein leises Ächzen entfuhr, so wurde das musikalisch-atmosphärisch mehr als ausgeglichen. Wozu auch der spar-, aber wirksame Einsatz von Lichteffekten beitrug. Schade nur, dass die Kampnagel’sche Diskokugel in der K6 klemmte – ein langsames, gleichmäßiges Rotieren bei „Ich möchte noch bleiben, die Nacht ist noch jung“ hätte den auch so schon reichlich vorhandenen Gänsehautfaktor wohl nochmal um mindestens eine halbe Stufe erhöht.

Als Sahnehäubchen gab es „Bleib bei mir“, ein Element of Crime-Cover, sowie als erste Zugabe eine komplett unverstärkte Version von „Heimlich“ mit Akkordeonbegleitung und Trompeteneinlage. Dieses spezielle Vergnügen wurde nur dadurch geschmälert, dass schräg links hinter mir eine Dame den gesamten Song mitsang und dabei bedauerlicherweise nicht einen einzigen Teil der Melodielinie auch nur näherungsweise traf. Aber das muß man wohl zu den Risiken und Nebenwirkungen des Konzertbesuchs zählen. Und: Anlässlich der Tour wurden die Live-Akustik-Versionen von 5 Titeln als EP („Herzen auf links“) veröffentlicht. Somit habe ich meine Lieblingsversion von „Neonlicht“ jetzt auch zum Nachhören.

Alles richtig gemacht, Herr Bunger. Beim nächsten Mal bin ich wieder dabei.