„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, so das heimliche Motto des vorgestrigen Auftritts des vision string quartet im Kleinen Saal der Elbphilharmonie, denn eigentlich hätte das Konzert schon im Februar 2019 stattfinden sollen. Aber dann verunfallte Cellist Leonhard Disselhorst mit seinem Drahtesel – Hashtag #hamwaprobiertwarblöd – und da mich das Ersatzprogramm nicht sonderlich reizte, ließ ich mir den Kaufpreis der Karte erstatten.
Sobald ein neuer Termin in Sicht sei, würden die Karteninhaber angeschrieben, so seinerzeit die Auskunft an der Elphi-Kasse. Klassischer Fall von Pustekuchen. Wenn ich den Herren nicht auf Facebook folgen täte und überdies Inhaberin einer NDR Kultur Karte wäre, ich hätte den Termin glatt verpasst. Offenbar erging es vielen anderen anders, denn die Publikumsränge im Kleinen Saal wiesen unübersehbare Lücken auf. Schon merkwürdig; immerhin sprechen wir hier von einem Ensemble, das durchaus in der Lage ist, den Großen Saal zu füllen. Sollte es etwa auch daran gelegen haben, dass es sich bei dem Veranstalter des Konzerts um die Hamburgische Vereinigung von Freunden der Kammermusik e. V. handelte? Ich teilte die Sitzreihe unter anderem mit dem 1. Vorsitzenden und hatte nicht nur deshalb den Eindruck, dass man doch recht unter sich zu sein schien.
Aber wie dem auch sei.
Als ich neulich auf diesem Kanal über erste und zweite Geiger sinnierte, hatte ich ein bestimmtes Bild im Kopf, genauer gesagt: gleich zwei erste Geiger von Quartetten, die ich kurz zuvor in Aktion erlebt hatte. Wenn ich das vision string quartet auf der Bühne sehe, sehe ich dagegen keinen ersten und zweiten Geiger, keine Bratschisten und keinen Cellisten. Ich sehe und höre ein Quartett. Und zwar nicht nur eines, das Jazz ebenso souverän präsentiert wie alte und neue Kammermusik, sondern das darüber hinaus auch noch Entertainmentqualitäten unter Beweis stellt. Ich freue mich jedenfalls jetzt schon sehr auf die Fortsetzung des Gedichts über „For the Birds“.
Also, liebe Leute in und um Hamburg: Beim nächsten Auftritt der Truppe ist der Saal – ganz egal welcher – bitte wieder voll! Alles andere ist angesichts dieses musikalischen Levels nämlich #hamwaprobiertwarblöd. Um nicht zu sagen: peinlich.
Hundreds in der Elbphilharmonie – was soll ich sagen. Ich kann mich da eigentlich nur wiederholen. Obwohl da schon ein paar Entwicklungen zu verzeichnen sind, so im Vergleich. Meine Jobsituation hat sich seither stabilisiert, das gestrige Konzert fand nicht im Kleinen, sondern im Großen Saal statt, wir hörten Material vom neuen Album „THE CURRENT“ (erscheint im März) und es waren Gäste dabei: Streicher, Saxophon, Gitarre, Xylo- und Vibraphon.
Rundum zauberhaft war’s, das Fest zum Zehnjährigen. Nur leider viel zu schnell vorüber.
Es war einer dieser magischen Elbjazz-Momente: Kat Frankies Auftritt in St. Katharinen vor etwas mehr als 1 1/2 Jahren. Jazz ist das zwar nicht, aber ich kann der Musikrichtung, die man gemeinhin mit „Singer/Songwriter“ belabelt, ja durchaus etwas abgewinnen. Kat Frankies Stimme tat ihr Übriges, um mich zu überzeugen. Insbesondere die Songs, die sie zusammen mit einem fünfköpfigen A capella-Ensemble vortrug, sind mir in bleibender Erinnerung geblieben. Und so musste ich natürlich sofort zuschlagen, als das Konzert der „B O D I E S“-Tour in der Elbphilharmonie angekündigt wurde. Ein ganzer Abend Kat Frankie, a capella? Im Großen Saal? Ja bitte, unbedingt!
Einer Story und des tänzerischen Intros hätte es da meiner Meinung nach nicht bedurft. Gestört hat es mich aber nicht. Denn musikalisch war der Abend exakt so großartig, wie ich es erhofft hatte. Dazu ein ohrenscheinlich mehrheitlich aus Fans bestehendes, aufmerksames Publikum und Standing Ovations zum Schluss.
„Ganz unbedingt und ziemlich dringend“ wollte ich etwas über den Auftritt von Teodor Currentzis und dem SWR Symphonieorchester in der Elbphilharmonie schreiben, so meine Einleitung zur letzten Meldung auf diesem Kanal. Und nun sitze ich hier und weiß nicht so recht, wie anfangen.
Wenn ich über Konzerte und Kulturerlebnisse schreibe, tue ich das nicht aus dem Blickwinkel einer Kulturjournalistin. Schon deshalb, weil ich keine bin. Es geht mir in erster Linie um das Konzerterlebnis und oft beschäftige ich mich mehr mit dem Drumherum als mit der musikalischen Darbietung an sich: Wie bin ich in dieses Konzert gekommen, was verbindet mich eventuell schon mit den Interpreten, den Komponisten oder den Musikstücken, wie empfinde ich den Raum, die Akustik, meinen Sitz- oder Stehplatz, wie geht es mir mit dem Publikum um mich herum und so weiter. Oft ziehe ich ein Fazit, meistens führt mich das eine Konzert zum nächsten und übernächsten. Überhaupt mag ich es, Verbindungen herzustellen, wo auf den ersten Blick vielleicht gar keine zu sehen oder zu hören sind.
Seit ich regelmäßig in Orchesterkonzerte gehe – also seit mittlerweile etwas mehr als sechs Jahren – versuche ich, quasi im Nebenprojekt, mit meinen laienhaften Mitteln die Kommunikation zwischen Dirigent und Orchester zu ergründen.
Zum Vergleich: Was einen Stargeiger ausmacht, war für mich nicht sonderlich schwer herauszufinden. Wobei bei manchen Zeitgenossen das „Star“ deutlich vor dem „Geiger“ zu stehen scheint. Selbst im Kollektiv eines Streichquartetts gibt es einen, der die erste Geige spielt, und das ist zumeist eine andere Type als der, der an der zweiten sitzt.
Leistung oder Status eines Dirigenten einzuordnen, fällt mir dagegen ungleich schwerer. Da steht ein Mensch vorm Orchester und ich kann nur erahnen, wie es um das Verhältnis dieser beiden bestellt ist. Wie sind die Proben gelaufen? Mögen die Musiker den? Nehmen sie ihn ernst? Welche Rolle spielt die Tagesform? Ist das ein „Star“, der sich wahlweise wie eine Diva oder ein Despot gebärdet, wenn das Publikum es nicht sehen kann? Oder ist es jemand, dem es in zuerst um die Musik und erst danach um Person und Renommee geht?
Es gibt da den einen oder anderen Anhaltspunkt, aber es bleibt eine Mutmaßung. Ich beschränke mich in meiner Beurteilung zumeist darauf, ob mich die kollektive Darbietung mitgenommen hat und gehe höchstens noch auf besondere Eigenheiten des Dirigenten ein, die mir aufgefallen sind: Das Schulterzucken von Gustavo Dudamel, die Mimik von Sir Jeffrey Tate, wie Jun Märkl den Brahms tanzte, solche Dinge halt.
Und jetzt, nach Teodor Currentzis und dem SWR Symphonieorchester mit Mahlers 9. Sinfonie in der Elbphilharmonie, wünsche ich mir zum ersten Mal das Vokabular, das Handwerkszeug und das Hintergrundwissen eines ausgewachsenen Musikkritikers. Weil ich nicht weiß, wie ich dem, was ich da erlebt habe, gerecht werden soll. Ich habe nicht sehen können, was Orchester und Dirigent miteinander verbindet, aber ich habe es gehört, so deutlich, dass es beinahe greifbar schien, und der Raum, das Publikum und das ganze Drumherum hat bei diesem Konzerterlebnis zum allerersten Mal keine Rolle gespielt. Zum Ende des letzten Satzes habe ich Rotz und Wasser geheult – lautlos versteht sich, alles andere wäre nicht weniger als ein Sakrileg gewesen. Das hat mit „klassischer“ sinfonischer Musik bisher noch niemand geschafft.
Ich kannte „Atmosphères“ von György Ligeti bislang nur als Teil des Soundtracks von „2001: Odyssee im Weltraum“ und bin zudem davon ausgegangen, dass es ein elektronisches Musikstück ist. So kann man sich irren! Es war faszinierend, dem NDR Elbphilharmonie Orchester beim Erzeugen dieser Klänge zuzusehen, wozu sich mein Platz in 13 F dankenswerterweise ganz hervorragend eignete. Die Menschen um mich herum schienen dagegen eher befremdet. Offensichtlich handelte es sich mehrheitlich weder um Ligeti-Fans noch um Cineasten. Im Programmheft war zu lesen, dass das Publikum bei der Uraufführung des Stücks derart begeistert war, dass das Stück umgehend wiederholt werden musste. Womit hinreichend bewiesen sein sollte, dass die Publikumsschnittmenge zwischen den Donaueschinger Musiktagen und den Abokonzerten des NDR Elbphilharmonie Orchesters nicht eben riesig ist.
Zum zweiten Stück des Abends kam Joshua Bell auf die Bühne. Das Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47 von Jean Sibelius ist mir insbesondere durch eine Aufführung der Hamburger Symphoniker mit Sergey Khachatryan unter Sir Jeffrey Tate in sehr guter Erinnerung geblieben. Ich kann leider gar nicht sagen, ob mir Joshua Bells Vortrag schlagend besser gefallen hat, so sehr habe ich mich von seiner Bühnenpräsenz der Marke „Ich weiß, dass ich sehr, sehr (sehr!) gut bin, und jede/r darf es nicht nur hören, sondern auch sehen“ ablenken lassen. Sympathiepunkte hat ihm das bei mir jedenfalls nicht gebracht. Ich merke mir (quasi als Serviervorschlag): prinzipiell gerne wieder, aber künftig mit geschlossenen Augen zu genießen.
Nach der Pause kam schließlich die Sinfonie Nr. 3 op. 45 von Mieczysław Weinberg zur Aufführung. Weinberg war mir vor der laufenden Konzertsaison vollkommen unbekannt. Diese Bildungslücke kann ich inzwischen als geschlossen betrachten. Der Autor des erläuternden Beitrags im Programmheft schien seltsam zwiegespalten in seiner Bewertung des Werks, aber ich mochte die dritte Sinfonie. Sehr sogar.
Außerdem mag ich Krzysztof Urbański und das NDR Elbphilharmonie Orchester sowieso! Hoffentlich gelingt es mir, ein Ticket zu ergattern, wenn diese Kombination das nächste Mal auf dem Spielplan steht. Das ist nämlich fortgesetzt schwierig. Ich weiß jetzt auch wieder, warum.
Wer sich selbst ein Bild machen will: Das komplette Konzert ist noch bis 11. März 2020 bei ARTE Concert als „Video on demand“ verfügbar.
Ich weiß nicht, ob es allen so geht, aber alle Jahre wieder in der Zeit von Oktober bis Dezember formiert sich in meinem Kalender diese eine Woche, in der man jeden Abend mindestens zweimal mit Konzerten oder anderen Kulturhighlights belegen könnte. Und da jedes Mal Unwiderstehlichkeiten dabei sind, entwickelt sich daraus regelmäßig eine Großkampfstrecke.
Dieser Tage ist es wieder so weit. Gewissermaßen als Vorbote spielte am Donnerstag vorvergangener Woche Francesco Tristano im kleinen Saal der Elbphilharmonie, am Montag folgte die National Theatre-Produktion von „A Mid Summer Night’s Dream“ im Savoy, am Mittwoch Ludovico Einaudi im Großen Saal und am Donnerstag das „Blind Date“ im Kleinen Saal wieder der Elbphilharmonie, gestern Abend standen Martin Kohlstedt und der Leipziger GewandhausChor in der Laeiszhalle auf der Bühne und morgen geht es nahtlos weiter mit meinem kleinen ungeraden Philharmoniker-Montagsabo. Dann ist dreieinhalb Wochen Konzertpause. Das aber auch nur, weil ich mein Max Richter-Ticket aus dienstreisetechnischen Gründen in gute Hände abgeben habe müssen.
Man verzeihe mir also, dass ich vorübergehend in den Schnelldurchlaufmodus umschalte.
Francesco Tristanos Debut in der Elbphilharmonie bestand aus der Präsentation seines aktuellen Albums „Tokyo Stories“. Anders als die „Piano Circle Songs“, die ich 2017 in der Royal Festival Hall hörte, sind die „Tokyo Stories“ mehrheitlich nicht Piano solo, sondern Piano plus Rhythmisch-Elektronisches besetzt, wobei letzteres mehr oder weniger vom Band (= Computer) lief. Man könnte sagen: Tristano spielte live auf dem Konzertflügel gegen sein elektronisches Ich. Das muss man so überzeugend wie geschehen auch erst einmal hinlegen. Symptomatisch nannte das zum Eintritt gereichte Infoblättchen – ich möchte es nicht Programm nennen, aber immerhin, es gab eines – den Track „Electric Mirror“ und ja, der ist definitiv symptomatisch für die Musik des Francesco Tristano, wenn auch nicht unbedingt für die „Tokyo Stories“. Das ist viel eher „The Third Bridge of Nakameguro“; es ist wohl kein Zufall, dass der Song auch für den Albumtrailer ausgewählt wurde.
Ich mochte die „Tokyo Stories“, die hektischen wie die kontemplativen, und es dauerte es eine Weile und mehrere vertiefende Durchgänge bei Spotify, bis ich herausfand, was mich an ihnen stört: Es sind die Sounds. Vermutlich passen sie ganz hervorragend zur beschriebenen Stadt, das kann ich mir sehr gut vorstellen, sogar ohne jemals dort gewesen zu sein. Aber sie passen nicht ganz in mein Ohr. Wobei, zugegeben, als Nils Frahm-Aficionado bin ich diesbezüglich extrem verwöhnt. Oder voreingenommen, je nach Blickwinkel.
Übrigens ist das Konzert Teil von ProArte X, wurde von Mischa Kreiskott (NDR Kultur Neo) anmoderiert und falls diese Reihe weiterlaufen sollte, werde ich mich wohl um ein Abo bemühen müssen.
Die Veranstaltung mit Ludovico Einaudi ein paar Tage später fiel gleich ein paar Nummern größer aus: Nicht nur, dass es ein Zusatzkonzert gab, beide Termine waren restlos ausverkauft und an beiden Abenden standen deshalb je eine gute Handvoll hoffnungsvoller Ticketsuchender frierend vorm Eingang. Die meisten waren mit klassischen Papier- bzw. Pappschildern bewaffnet, aber ich sah auch jemanden, der ein Tablet nutzte. Gar nicht so dumm, weil hintergrundbeleuchtet! Eine besondere Stimmung war das im Großen Saal: Das Publikum bestand mehrheitlich aus andächtig lauschenden Einaudi-Verehrern, darunter viele Elphi-Erstis und nicht wenige davon in Abendgarderobe. Das gelegentlich vernehmbare Hustenbonbonpapierknistern und die mindestens zwei aus Hosentaschen oder von Sitzen polternd abgestürzten Mobiltelefone finde ich unter solchen Umständen verzeihlich, denn da saßen keine gelangweilten Elbphilharmonie-Touristen, sondern Konzertsaalneulinge und doch, diesen Unterschied kann man hören und spüren. Apropos, wir können alle miteinander froh sein, dass die Sitze im Großen Saal nahezu geräuschlos hochklappen und auch die Türen im Flüstermodus bedienbar sind. Das ist in der Laeiszhalle leider ganz anders und entsprechend wirkt es sich auf die Nebengeräuschkulisse aus. Insbesondere, wenn es sich um ein Konzert mit mehrheitlich unkundigem Publikum und niedrigem Lautstärkepegel handelt, in das Zuspätkommer zu allem Übel dann auch noch unerklärlicherweise mitten im Stück eingelassen werden.
Aber zurück zu Ludovico Einaudi. Musikalisch gesehen bewege ich mich inzwischen in anderen Gewässern, aber vieles von dem, was mir heute selbstverständlich ist, hat mit ihm seinen Anfang genommen. Das habe ich nicht vergessen und ich kann es auch immer noch hören. Nichtsdestotrotz werde ich dieses Kapitel wohl mit dem Abend in der Elbphilharmonie abschließen.
Was keinesfalls für die Reihe „Blind Date“ im Kleinen Saal gilt! Nur ein paar Notenständer waren zu sehen, bevor die Überraschungsgäste des Abends vor dem Publikum erschienen. Pünktlich um kurz nach halb acht traten nicht weniger als acht Posaunisten aus der Tür und begannen ihren Auftritt höchst effektvoll mit der „Olympic Fanfare“ von John Williams. Trombone Unit Hannover nennen sich die Musiker, die hauptamtlich in Orchestern wie den Bamberger und Hamburger Symphonikern, dem SWR Symphonieorchester, dem Orchester der Staatsoper Hannover, der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken oder dem Berliner Konzerthausorchester unterwegs sind.
Ich würde mich nun nicht gerade als blechbläseraffin bezeichnen, aber dieses Ensemble hat mich überzeugt. Meinen beiden Lieblingsstücken aus dem präsentierten Programm: die Improvisation über gregorianische Gesänge von Hildegard von Bingen und „Osteoblast“ von Derek Bourgeois.
Bleibt zum vorläufigen Schluss der gestrige Auftritt von Martin Kohlstedt und dem GewandhausChor in der Laeiszhalle, zu dem mir bis zur Stunde immer noch kein angemessener Wortbeitrag eingefallen ist, der über den Satz „Was für ein Geschenk!“ hinausgeht.
Aber vielleicht kommt das ja noch. Dann hole ich es nach.
Hier fehlt noch etwas, nämlich wenigstens ein Kurzbericht über zweimal Klavier.
Schon vor einer Woche präsentierte Martin Tingvall sein neues Soloalbum „The Rocket“ im Kleinen Saal der Elbphilharmonie, zum ersten Mal live und obendrein vor heimischen Publikum, und gestand ganz offen seine Nervosität ob dieser Kombination ein. Die man auch tatsächlich hören konnte, da war noch nicht alles im Flow. Was zugegebenermaßen Jammern auf sehr hohem Niveau ist und sich zudem mit der Zeit von selbst erledigen wird. Auf alle Fälle hätte ich gerne mehr Soloauftritte von Martin Tingvall.
Womit ich aber ausdrücklich nichts gegen das Trio gesagt haben will! Wir merken uns schon einmal den 18.12.2019, da gibt’s nämlich wieder ein Jahresabschusskonzert in der Fabrik.
Tags zuvor hatte ich noch bei Martha Argerich und den Hamburger Symphonikern in der Laeiszhalle gesessen. Ich hatte mir aus den diesjährigen Festivalkonzerten ganz bewusst eines mit Sylvain Cambreling ausgesucht, wohl wissend, dass der Star des Abends und des Festivals vermutlich wieder nur einen kleinen Teil des Programms bestreiten würde. Die Rechnung ging auf: Von der ersten bis zur letzten Note war das alles ganz phantastisch. Und dass Martha Argerich aufgrund einer gerade erst überstandenen Bronchitis und der stickigen Luft in der so gar nicht klimatisierten Laeiszhalle etwas angeschlagen wirkte, konnte man zwar ahnen, aber nicht hören.
Das nächste Klaviervergnügen wird wieder ein ganz anderes, nämlich eins mit Bodo Wartke im Thalia Theater.
Die Frage „Was machen an Pfingsten?“ hatte sich für mich spätestens mit der Durchsicht der diversen Kulturprogrammhefte für die Saison 2018/2019 erledigt. Nils Frahm kuratiert ein Mini-Festival in der Elbphilharmonie? Kauf ich. Blind!
Naja, so blind dann letztlich doch nicht. Auch mein Kulturbudget ist begrenzt und eine Flatrate gab es leider nicht. Es reichte immerhin für
die Fotoausstellung „Fourth Wall – Stages & Cages“ von Klaus Frahm (wann kommt endlich der Bildband?!) und
den Kurzfilm „Ellis“ mit Robert de Niro.
Gerne hätte ich auch den Workshop „Polyrhythmus verstehen und umsetzen“ von Sven Kacirek besucht, aber da war ich leider nicht fix genug beim Vorverkauf. Und eigentlich hatte ich auch noch eine Karte für die After-Show-Party am Samstag auf der MS Stubnitz, aber dazu später.
Die Gentleman Losers waren mir schon mehrfach über den Weg gelaufen. Der Spotify’sche Algorithmus machte mich bereits vor Jahren mit dem Track „Ballad of Sparrow Young“ aus dem Album „Dustland“ bekannt, eine Empfehlung der ich gerne gefolgt bin. Es hätte ruhig ein klein wenig mehr live und weniger „vom Band“ sein können beim Auftritt des Duos am frühen Samstagabend, aber sei’s drum. Die stimmige Kombination aus Musik und filmischer Collage gefiel.
Martyn Heyne freute sich als gebürtiger Hamburger im Anschluss ganz besonders über den lokalen Premierenort seines Soloprogramms. Nichts gegen die Kantine am Berghain, aber gegen den kleinen Elphi-Saal kommt der Laden nicht an. (Vorausgesetzt man kann ohne Rauchwerk.)
Überhaupt, die Freude. Nils Frahm hüpfte bei seinem Auftritt geradezu über die Bühne und Arthur Jeffes und seine Mitstreiter von Penguin Café strahlten tags drauf im Großen Saal um die Wette darüber, im Selbstversuch die Unterschiede der Akustik von Royal Albert Hall und Elbphilharmonie erforschen zu dürfen. Was dem Tour-Trailer übrigens noch fehlt: Termine auf dem Kontinent.
Fröhliche Gesichter gab es auch im Publikum, insbesondere bei Nils Frahm am Samstagabend. Ich sah und hörte „All Melody“ zum insgesamt vierten Mal: Köln war ganz am Anfang, Hamburg gut eingespielt und München Routine – Anekdoten wie Noten in nahezu perfekter Wiederholung dessen, was ich schon kannte. Ich will nicht von Enttäuschung sprechen, aber ernüchtert war ich doch. Glücklicherweise war beim Reflektor-Konzert das Spielkind wieder da. Hurra!
Den Abschluss des Festivals bildeten Erlend Øye und la Comitiva mit stargaze. Dass der Norweger mit seiner tiefenentspannten Grundhaltung noch jeden Saal zum Tanzen bringt, wurde in der Elbphilharmonie nicht widerlegt – ganz im Gegenteil. Als Ergänzung des Quartetts wären mir stargaze nicht als erstes eingefallen, aber das funktionierte geradezu zauberhaft gut. Und was machte die aufgezählte Versammlung mit dem Weinberg? Sie stellte sich im Kreis auf der Bühne auf. Großes Lob auch dafür. Zur letzten Zugabe gesellte sich noch Nils Frahm am Flügel dazu und da war es endlich wieder, das „Possibly Colliding“-Gefühl.
Zu gern hätte ich diesen Reflektor in vollen Zügen genossen. Leider war mein Vergnügen ziemlich eingetrübt, denn am Samstag ist in der Schwingemündung ein Schiff gesunken, welches mir sehr am Herzen liegt.
Die After-Show-Party auf der Stubnitz habe ich daher ausgelassen.
„Für die einen ist es das Elbjazz-Festival, für die anderen der größte Biergarten Hamburgs!“
Das klingt vielleicht ein wenig gemein, aber den Eindruck konnte man mit Blick auf das Blohm+Voss-Gelände durchaus bekommen. Die Übernahme der Veranstaltung durch Karsten Jahnke ab 2017 mag das Elbjazz finanziell und grundsätzlich gerettet haben, aber angesichts der damit verbundenen Veränderungen frage ich mich nun im Jahr drei, ob ich dort noch richtig bin.
Das liegt in der Hauptsache daran, dass mich in erster Linie die kleineren Konzerte interessieren, das Festival aber insgesamt auf Masse setzt. So wird bei Blohm+Voss seit letztem Jahr leider nur noch die Alte Schiffbauhalle bespielt, die zweite kleine Bühne in der Schiffbauhalle 3 fehlt. Hinzu kommt, dass viele Veranstaltungen mittlerweile in den Sälen der Elbphilharmonie stattfinden und man sich frühzeitig und lange vor Bekanntgabe des restlichen Spielplans auf eines (!) dieser Konzerte festlegen muss.
Und dann ist da noch das Transferproblem zwischen den einzelnen Schwerpunkten, in diesem Jahr verschärft durch die Sperrung der U-Bahnlinie zwischen St. Pauli und Baumwall. Wer bei zeitlich nah aneinander liegenden Auftritten an weit auseinander liegenden Orten einen akzeptablen (Sitz-)Platz ergattern wollte, musste gut zu Fuß sein – auf den Busshuttle konnte man sich da im Zweifel nicht verlassen. Meine neue persönliche Bestleistung auf der Strecke St. Katharinen – Baumwall – Landungsbrücken – Alter Elbtunnel – Blohm+Voss beträgt knapp unter 40 Minuten.
Am zweiten Festivaltag bin ich diese Strecke gleich zweimal gelaufen: einmal, um es von KID BE KID feat. Julia Kadel gerade noch rechtzeitig in die Alte Schiffbauhalle zu Shalosh zu schaffen. Eigentlich hätte ich danach gleich wieder umkehren müssen, zu Hans Lüdemann nämlich. Aber das war mir einfach zu stressig. Stattdessen probierte ich es ersatzweise mit der Hauptbühne, auf der wenig später Sophie Hunger antrat. Mein Fall, so erkannte ich schnell, war die Dame allerdings nicht und der Vorplatz war zu diesem Zeitpunkt schon dermaßen bevölkert, dass ich allein aus diesem Grund schon das Weite gesucht hätte. Nach kurzem Zwischenstop zwecks Verpflegung bin ich daher wieder zurück Richtung St. Katharinen, gerade noch rechtzeitig, um das letzte Stück von Herrn Lüdemann zu hören und im Anschluss satte 1 1/2 Stunden auf den Auftritt von Teresa Bergmann zu warten. Alternativlos, denn die HFMT Young Talents-Bühne war um diese Uhrzeit bereits verwaist, in die Elbphilharmonie kam man ohne Sitzplatzticket nicht hinein, die MS Stubnitz war für einen spontanen Ausflug zu weit entfernt und abgesehen von der noch längeren Wegstrecke zurück zu Blohm+Voss habe ich Tower of Power schon als Jugendliche gehasst.
Gesehen/gehört hatte ich zuvor am ersten Tag: Joja Wendt, ADHD, das Michael Wollny Trio und Kit Downes. Die beiden Klaviateure waren erwartungsgemäß großartig, dazwischen fügten sich ADHD nahtlos ein – meine persönliche Entdeckung der diesjährigen Elbjazz-Auflage!
Für Kit Downes‘ Orgelexpeditionen in der Elbphilharmonie fehlte mir zum Schluss leider die Konzentration. Höchstwahrscheinlich wäre ich bei Jamie Cullum auf der Hauptbühne bei Blohm+Voss besser aufgehoben gewesen. Aber einfach mal eben wechseln ging halt nicht.
Auch der Auftritt von KID BE KID an Tag zwei hat mir gut gefallen. Gesang, Beatbox und Klavier live und gleichzeitig, so etwas funktioniert ja nur, wenn man es kann – sie kann, und wie!
Den anschließenden Sprint zu Shalosh habe ich musikalisch ebenso wenig bereut wie die Wartezeit bis zum Auftritt von Teresa Bergman als Schlusspunkt des Elbjazz-Programms in St. Katharinen.
Wie schon im letzten Jahr habe ich auch diesmal wieder die MS Stubnitz und die HFMT Young Talents-Bühne auslassen müssen. Besonders schade war’s um Glass Museum und die Rocket Men. Ins übrige Elbphilharmonie-Programm habe ich gar nicht mehr geschaut. Um mich nicht ärgern zu müssen.
Fazit? Die Perlen sind (immer noch) da, daran liegt es nicht. Allein, die Schale drum herum ist gefühlt deutlich dicker geworden, und mühsamer zu knacken. Auf mich passt wohl einfach das Format nicht mehr.
Ein Abschied also. Oder mindestens ein Aussetzen. Man soll ja niemals nie sagen.
„Diese neue Oper da, an der Elbe“, so wird die Elbphilharmonie gelegentlich von orts- und/oder kulturunkundigen Menschen beschrieben. Aber manchmal stimmt es eben doch, so z. B. gestern: Eine konzertante Aufführung von Strawinskys Oper „The Rake’s Progress“ bildete den Abschluss des 4. Internationalen Musikfests Hamburg, und keine Geringere als Barbara Hannigan dirigierte die diversen Ensembles, die dazu zusammen gekommen waren (Ludwig, Cappella Amsterdam und sechs Solisten aus den Reihen der Equilibrium Young Artists).
Das mit dem Gesang in der Elbphilharmonie ist ja bekanntermaßen eine knifflige Sache. Ich kann diese Kritik nicht teilen: Auf meinem Platz schräg hinter der Bühne konnte ich alle Sänger gut hören (und streckenweise sogar verstehen), die mir nicht oder zumindest nicht ständig den Rücken zudrehten. Das waren insbesondere die männlichen Stimmen der Cappella Amsterdam, aber auch viele der Solisten. Die Übrigen waren gegenüber dem Orchester immerhin noch passabel hörbar. Zwar ist es leider noch immer nicht bei allen angekommen, dass „frontal“ im Großen Saal ein relativer Begriff ist, aber das scheint mir tatsächlich das Hauptproblem zu sein. Zumindest, wenn man den Raum und seine Akustik im Griff hat. Und das hat Barbara Hannigan zweifelsohne.
Apropos Oper und frontal, dazu noch ein Hinweis ans Haus: Die Übertitel auf zwei von vier Seiten zu projizieren ist schon einmal sehr löblich, aber wenn zusätzlich zu vorne und hinten auch links und rechts ginge, müssten alle, die seitwärts sitzen, sich die Köpfe nicht so verdrehen. Bei fast drei Stunden Spielzeit geht das in meinem Alter schon ein klein wenig auf die Nackenwirbelsäule.
An dieser Stelle unerwähnt blieb übrigens bisher das Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters unter der Leitung von Paavo Järvi am 17. Mai 2020, bei dem ich ausnahmsweise in Begleitung war und noch ausnahmsweiser in der ersten Preiskategorie saß. Noblesse oblige: Immerhin handyfilmte man dort minimalinvasiv – gewissermaßen aus der Hüfte – und konsumierte stilles (!) Wasser statt Cola.
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