Resozialisierung

Ja, also. Hm. Test, Test, eins zwo. Wie ging das noch mit dem Schreiben?

Jedenfalls, ich habe keine Ausrede mehr. Es gibt endlich wieder Input, live, in Farbe und vor allem offline. Seit Mitte Juli war ich schon auf drei Konzerten. Genauer:

Auf das erste Draußenkonzert hatte ich mich schon zwischen den Impfungen getraut. Alles andere verschob ich auf „ab Erreichen des vollständigen Impfschutzes“. Ersten Beobachtungen nach war das keine ganz dumme Idee. Die sogenannten 3G-Nachweise („gechiptimpft/genesen/getestet“) werden nämlich mancherorts eher lässig kontrolliert. Folglich ist das einzig belastbare Plus an Sicherheit, welches man zurzeit haben kann, sich selbst geimpft zu wissen. So ganz grundsätzlich. Epidemiologisch betrachtet eh, aber psychologisch mindestens ebenso wertvoll. Für euch getestet.

Next Stop: Das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel. Ab dann wieder im gewohnten Format. Falls ich es noch kann. Drei vier!

The Show must go online (17)

Ich gestehe, ich habe nun endgültig den Überblick über das Kulturstreaming verloren. Dadurch habe ich blöderweise einiges verpasst, was ich gerne gesehen/gehört hätte. Zum Beispiel das Jahresabschlusskonzert des Tingvall Trio am 13. Dezember. Mist!

Noch nicht zu spät ist es dagegen für Chilly Gonzales‘ „A Very Chilly Christmas Special“ auf ARTE Concert (verfügbar bis 21. Januar 2021).

Am zweiten Weihnachtsfeiertag sendet das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von Kent Nagano ein Weihnachtskonzert aus dem Hamburger Michel (zu sehen auf YouTube).

Am 27. Dezember folgt „Vetrasól“, das Weihnachtskonzert von Árstíðir aus der Fríkirkjan in Reykjavík. Ich hatte Ende letzten Jahres das Vergnügen in München und freue mich daher umso mehr, die Jungs auch einmal in ihrer natürlichen Umgebung erleben zu dürfen. Sei es auch nur vom heimischen Sofa aus.

Wem das alles zu besinnlich ist, der findet eventuell am „Kabarettistischen Jahresrückblick 2020“ gefallen, aufgezeichnet im Mehringhoftheater Berlin.

Oder am Neujahrskonzert von Erobique! Special Guest: das Bo.

Wer „zwischen den Jahren“ Zerstreuung sucht, kann sich beispielsweise im Rahmen der Ausstellung „Karten Wissen Meer – Globalisierung vom Wasser aus“ auf der Webseite des Deutschen Schifffahrtsmuseums eine eigene Seekarte zusammenbauen. Oder einen Blick auf alte Schätzchen der hauseigenen und der Sammlung Perthes Gotha werfen.

Außerdem hat das National Theatre das Bitten und Flehen seines Publikums erhört und bietet nun regulär einen „At Home“-Streamingdienst an. Hurra! Ich habe gleich am ersten Tag ein Abo abgeschlossen, aber seither noch kein einziges Stück angeschaut. Es gab so viel anderes Zeug zu sehen und zu hören! Mein Vorsatz daher für 2021: den Theaterdonnerstag wieder einführen und genüsslich das Archiv leer gucken. Sollte mir nicht allzu schwerfallen.

The Show must go online (16)

Es riecht nach Verlängerung des (Kultur-)Shutdowns. Kaum überraschend, aber zunehmend unschön.

Um den Faden aus Folge 15 direkt wieder aufzunehmen: Das Brooklyn Museum präsentiert in der virtuellen Ausstellung „The Queen and the Crown“ Kleidungsstücke aus den beiden Netflix-Serien „The Crown“ und „The Queen’s Gambit“ sowie dazu passende Objekte aus der eigenen Sammlung. Sehr ansprechend gemacht.

Das Deutsche SchauSpielHaus hatte unlängst Livestream-Premiere, meiner Twitter-Timeline zufolge mit einigen technischen Problemen. Am 29. November 2020 folgt mit „Anna Karenina – allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“ der zweite Anlauf. Ich werde wegen einer Terminkollision leider nicht dabei sein können, denn das Lockdown Theatre hat zu eben diesem Termin die Veranstaltung „For One Knight Only“ angekündigt. Als Gastgeber fungiert Sir Kenneth Branagh, die Gäste sind Dame Judi Dench, Sir Derek Jacobi, Dame Maggie Smith und Sir Ian McKellen. Einnahmen aus der Show fließen an „Acting for Others“ und kommen damit Theaterschaffenden zugute.

Apropos Großbritannien, im Londoner Barbican gibt es bekanntermaßen nicht nur das LSO zu sehen und zu hören. Auch für Auswärtige zugänglich sind die Reihen „Concerts on Demand“ und „Live from the Barbican – From our hall to your home“. Wem beispielsweise die Theateradaption von „A Christmas Carol“ – Stichwort Old Vic: In Camera – nicht zusagen sollte, der kann alternativ am 22. Dezember 2020 auf das Programm von „A Dickensian Christmas“ zurückgreifen. Der Schauspieler Kevin Whately („Lewis“) liest Auszüge aus dem Weihnachtsklassiker, dazu spielen London Concert Brass unter der Leitung von Hilary Davan Wetton. Alles andere als Humbug!

Klassische Weihnachtslieder, but with a twist: So kann man „A very chilly christmas“ beschreiben, das in der vorletzten Woche erschienene Album von Chilly Gonzales. Am 4. Dezember 2020 stellt Gonzales sein neues Werk im Rahmen der Classic Album Sundays im „Elgar Room“ der Royal Albert Hall vor. Kostenpunkt: £10.

Ganz und gar kostenfrei ist dagegen Martin Kohlstedts gestreamte Release Party anlässlich des Erscheinens des Albums „FLUR“ am 26. November 2020 (ab 20:00 Uhr).

Um das Dreigestirn komplett zu machen: Auch Nils Frahm hat einen neuen Tonträger angekündigt. Das Livealbum „Tripping with Nils Frahm“ wird vom gleichnamigen Konzertfilm flankiert – oder umgekehrt, je nach Perspektive. Das Album erscheint am 3. Dezember 2020 bei Erased Tapes, die Filmpremiere findet am gleichen Tag exklusiv bei MUBI statt.

The Show must go online (15)

Die letzte Kulturveranstaltung, die ich vor dem zweiten Shutdown ab dem 2. November 2020 noch besuchen konnte, war übrigens das „Requiem“ von Wolfgang Amadeus Mozart als Konzertinstallation, stimmgruppenweise eingespielt vom Chor St. Johannis-Harvestude, untermalt von einem Orchester und garniert mit Visuals, beides aus dem Computer. Alles zusammen hat erstaunlich gut funktioniert.

„It will help the ages to mourn“, urteilt Antonio Salieri über Mozarts „Requiem“ in Peter Shaffers Theaterstück „Amadeus“, das den meisten in der Filmadaption von Miloš Forman bekannt sein dürfte. Ich könnte es besser nicht ausdrücken.

Ólafur Arnalds hat am gestrigen Freitag ein neues Album herausgebracht. Einige Stücke aus „some kind of peace“ werden am kommenden Wochenende (13./14. November 2020) im Rahmen eines von den Iceland Airwaves präsentierten Livestream Festivals erstmals live zu hören sein. Außerdem mit von der Partie bei „Live from Reykjavík“ sind unter anderem Emilíana Torrini, Júníus MeyvantÁsgeir und Of Monsters and Men.

In früheren Folgen hatte ich bereits die Online-Inhalte des einen oder anderen Museums erwähnt. In der c’t wurde kürzlich eine ausführliche Liste veröffentlicht. Sie gehört zu einem Artikel, der unter der Kapitelüberschrift „Gesellig & fit trotz Corona“ präsentiert wird. Der Spruch – naja. Reicht jetzt auch damit. Aber die Liste! Erste Klasse.

Ein Lichtblick im hiesigen Novemberdunkel ist, dass die Hamburger Bücherhallen geöffnet bleiben durften. Außerhalb deren Räumlichkeiten und unabhängig von stationären Öffnungszeiten können Inhaber:innen einer Kundenkarte aber auch auf die eBuecherhalle zugreifen. Neben der Onleihe und dem Zugang zu digitalen Zeitungen und Magazinen (pressreader, GENIOS EBIB) stehen dort verschiedene Informationsdienste und Streamingangebote zur Verfügung. Über GENIOS kann man beispielsweise dem Hamburger Abendblatt mit einem Tag Verzögerung zumindest punktuell hinter die Paywall gucken.

Speaking of Streamingangebote: Netflix braucht nun wirklich keine Werbung von dieser Stelle, aber ab 15. November 2020 ist dort die vierte Staffel von „The Crown“ zu sehen und ich finde, dass solltet ihr wissen. Das heißt, falls nicht eh schon bekannt. Ich liebe die ersten beiden Staffeln heiß und innig und musste sie mir folglich als Hardcopy ins Regal stellen. Die dritte hat mich nicht ganz überzeugt, aber der Trailer zur vierten sieht vielversprechend aus.

Wer immer noch meint, die Story sei doch ein alter Hut und nicht der Beachtung wert: Selbst alte Hüte werden wieder spannend, wenn sich jemand dransetzt, der richtig gut erzählen kann. Peter Morgan konnte das schon für die große Leinwand („The Queen“) und fürs Theater („The Audience“) und bekam mit dem Serienformat schließlich die Beinfreiheit, innerhalb des ganz großen viele kleine und mittelgroße Bögen zu spannen. Meisterhaft.

The Show must go online (14)

Was soll ich sagen. Sir Simon Rattle und das Mahler Chamber Orchestra wären es im November gewesen. Und ein weiteres „Blind Date“. Ich wusste schon, warum ich mir den Gutschein für die Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker bis zum Herbst aufgehoben hatte. (Die Zugabe des Konzerts vom 31. Oktober 2020: „4’33“ von John Cage.) Der Vorverkauf für die Dezember-Konzerte in Hamburg soll übrigens wie geplant anlaufen. Ich überlege inzwischen, ob ich noch zugreife oder lieber nicht mehr. Was abgesehen von der allgemein unerfreulichen Lage mittlerweile nämlich auch ganz schön an die Nieren geht: ausgebremste Vorfreude. 

Daniel Hope startet ab kommenden Montag (2. November) eine neue Runde „Hope@Home“ bei ARTE Concert. Diesmal sollen junge, freischaffende Künstler im Fokus stehen, die von den coronabedingten Schließungen und Absagen bekanntlich besonders betroffen sind.

Das NDR Elbphilharmonie Orchester musste sein 75jähriges Jubiläum zwar vor leerem Saal begehen, aber immerhin, es konnte. Das Konzert vom 30. Oktober 2020 ist beim NDR als „Video on Demand“ abrufbar.

Die Nordischen Filmtage 2020 (4. bis 8. November) finden statt als Hybridformat nun komplett im Netz statt. Der Vorverkauf für die Streams startet am 1. November.

Ab 9. November gibt es Tickets für die neueste „In Camera“-Produktion des Old Vic Theatre zu kaufen: Jack Thornes Version von „A Christmas Carol“ wird zwischen dem 12. und 24. Dezember aufgeführt.

Das wird dann wohl spätestens der Moment sein, in dem ich Felicity Cloake’s Mince Pie Masterclass angehe. Letztes Jahr bin ich nicht dazu gekommen.

The Show must go online (13)

Ich fürchte beinahe, es ist ein passender Zeitpunkt, um wieder einzusteigen in meine kleine Serie. Zum Beispiel hätte ich morgen Abend eigentlich in der Laeiszhalle sitzen wollen, um Jordi Savall und seinem Orchester Le Concert des Nations zu lauschen. Beethoven sollte es geben. Leider wurden einige Orchestermusiker positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Absage also. Wird wohl nicht die Letzte dieser Art bleiben.

Die Frankfurter Buchmesse ist dieses Jahr digital. Das dürfte den meisten Leser:innen des Susammelsuriums bereits bekannt sein. Viele der präsentierten Inhalte werden nicht nur live gestreamt, sondern sind nachträglich noch in diversen Mediatheken abrufbar. Zum Beispiel die Präsentation von Chilly Gonzales‚ Buchdebut „ENYA – A Treatise on Unguilty Pleasures“ (auf ARTE Concert).

Und wenn man einmal dabei ist, kann man sich auch gleich die Doku „Shut up and play the piano“ anschauen. Auch bei ARTE.

The Show must go online (12)

Während allerorten die ersten mehr oder weniger gelungenen Versuche starten, den Kulturbetrieb mit Publikumsbeteiligung wieder aufzunehmen, wird schon aufgrund der drastisch geringeren Platzkapazitäten das Online-Angebot dennoch nicht kleiner. Abgesehen davon zahlt es sich sehr wahrscheinlich aus, diesbezüglich am Ball zu bleiben. Denn die Infektionszahlen steigen wieder und wie sich die Lage im Herbst entwickeln wird, ist schwer vorherzusagen.

Aber noch ist Sommer und ein Spektakel, das im Hamburg untrennbar zu dieser Jahreszeit gehört, sind die Wasserlichtkonzerte in Planten un Blomen. Auch sie werden in diesem Jahr ins Netz verlegt.

Ich war ja auch schon im Haus der Orgelspieler (und fand es ziemlich spannend).

Gestern haben die Bayreuther Festspiele begonnen. In einer drastisch abgespeckten Version, aber immerhin. Geplant ist die Inszenierung der Werke Wagners als Gesamtkunstwerk mit coronakompatiblen Live-Darbietungen, Archivaufnahmen und Sondersendungen – online, bei BR-KLASSIK und bei 3sat. Zusammen mit dem Partner Deutsche Grammophon wurden zudem die virtuellen Festspiele ins Leben gerufen. Parallel zum ursprünglich geplanten Spielplan werden Archivaufnahmen gezeigt, die Ticketinhaber jeweils für 48 Stunden abrufen können. Kostenpunkt je Ticket: 4,90 Euro.

Nicht in erster Linie, aber auch online ist das vom Land Schleswig-Holstein ins Leben gerufene Kulturfestival Schleswig-Holstein präsent. Vom 13. bis 25. Juli 2020 war ein Kulturtruck unterwegs, ab 27. Juli 2020 startet das reguläre Programm. Bis Ende Oktober 2020 sind über 90 Veranstaltungen geplant. Bewerben können sich neben Künstlerinnen und Künstler aus den Bereichen Musik, Theater, Tanz, bildende Kunst, Film, Literatur und Kleinkunst auch Veranstaltungslocations. Die Palette der bereits veröffentlichten Termine reicht vom Jazzabend in Dithmarschen über die Krimilesung in Kiel und den Poetry Slam in Wohlde bis hin zur Schlagernacht in Leck.

Währenddessen hat das Old Vic in London die zweite „In Camera“-Inszenierung angekündigt. Trotz der technisch bedingten Abzüge in der B-Note, die ich bei der Premiere vornehmen musste, konnte ich auch dieses Mal nicht widerstehen und habe eine Karte erstanden. Das Stück heißt „Three Kings“ und wurde eigens für die „In Camera“-Reihe geschrieben. In der einzigen und Hauptrolle: Andrew Scott. Ich habe mich für die Donnerstagsvorstellung entschieden, denn durch die nach 16 gezeigten Stücken (von denen ich 15 gesehen habe, und zwar jeweils am Premierentag) inzwischen leider beendete „National Theatre at home“-Reihe hat sich der Donnerstag bei mir mittlerweile als Theatertag verfestigt. Das Savoy hat zwar bei der Aufnahme des Spielbetriebs auch wieder „English Theatre on screen“-Vorstellungen ins Programm genommen. Aber bisher gab davon es nur eine und das Stück kannte ich schon.

It takes two to tango

Es hilft nichts, ich muss doch darüber schreiben.

Zuerst lese ich es im Newsletter des Schleswig-Holstein Musik Festivals: Wir machen wieder Livekonzerte! Freude, schöner Götterfunken usw. usf.! Äh, Moment: „Für jedes dieser Konzerte stehen 125 ‚Duo-Karten‘ zur Verfügung, die jeweils zum Einlass von zwei Personen eines Haushalts berechtigen“. Ich zähle die Personen meines Haushalts und komme exakt bis eins. Und nun?

Als nächstes folgt die Elbphilharmonie mit „Sommer, Sonne, Konzertkino“. Buchbar sind die Ticketvarianten Wiesenfläche für 4 Besucher bzw. Strandkörbe oder Wiesenfläche für 2 Besucher – schönen Dank auch. Damit nicht genug: In-House-Konzerte können vorerst nur mit stark verringerter Besucherzahl angeboten werden. So weit, so verständlich. Der Corona-Saalplan des Großen Saals sieht bei 628 bestückbaren Plätzen allerdings gerade einmal 13 Einzelsitze vor, bei denen es sich weder um Rollstuhlbegleit- noch um unverkäufliche Dienst- und Direktionsplätze handelt. Im Kleinen Saal werden gar keine Einzelplätze angeboten. Euer Ernst?

Bei allem Verständnis dafür, dass man trotz der geltenden Beschränkungen möglichst viele Plätze besetzen will: Kulturfans treten nicht nur paarweise auf. Laut Statistikamt Nord werden 54,5% der Haushalte in Hamburg von nur einer Person bewohnt. Der Begriff „Minderheit“ ist in diesem Zusammenhang relativ.

Als Einpersonenhaushalt darf ich mir nun also aussuchen, ob ich doppelt löhnen oder auf das Abstandsgebot pfeifen soll. Beides für mich keine Option. Ich zahle aus Prinzip keine Einzelzimmerzuschläge, sondern trage mein Geld zu Unternehmen, die Alleinreisende nicht als Abweichung von der Norm verstehen. Da fange ich mit so etwas erst recht nicht bei Kulturveranstaltungen an – Corona hin, Hygiene her.

Was bleibt mir übrig? Da zu buchen, wo Einzelkämpfer erwünscht sind und nicht draufzahlen. Bei den Konzerten auf dem Lattenplatz des Knust zum Beispiel. Oder beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel.

Ansonsten bin ich im Lichte der neuen Erkenntnis sehr gespannt, was mit meinem (bereits bezahlten) Elbphilharmonie-Abo passiert. Hatte ich übrigens erwähnt, dass ich immer noch auf Ticketrückerstattungen warte?

Theater, Theater: „Lungs“ im Old Vic

Ich bin in London! Im Theater! Also, quasi.

Immerhin, Claire Foy und Matt Smith stehen zu einem festgelegten Zeitpunkt gemeinsam und live auf der Bühne des Old Vic und mir ist es wundersamerweise gelungen, ein Ticket für die Premiere zu ergattern. „Lungs“ gefällt mir sehr gut und ich hätte wohl keine Gelegenheit bekommen, dieses Stück zu sehen, wäre es eine reguläre Vorstellung gewesen. Wohl nur in der „In Camera“-Version hat die „Socially distanced“-Inszenierung so gut funktionieren können: Auf Foy und Smith konzentriert sich je eine Kamera und alle Szenen, in denen sich die beiden eigentlich nahe bis sehr nahe hätten kommen müssen, werden als Splitscreen-Komposition zusammengeschnitten. Dazu ein erhöhtes Tempo und fertig ist die nahezu perfekte Illusion.

Für einen substantiellen Abzug in der B-Note sorgt jedoch das Werkzeug, nämlich die Übertragung per Zoom. Die Bildqualität kann man höchstens als mäßig bezeichnen, Bild und Ton sind zeitweise nicht synchron und diversen Facebook-Kommentaren zufolge haben nicht wenige Ticketinhaber mit erheblichen technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Alle Kameras und Mikros der Zuschauer sind verständlicherweise deaktiviert, bleiben es aber auch nach Ende des Stücks. Simuliert man im Vorlauf noch mit Gemurmel, Geklingel und Ansagen Theateratmosphäre, wird das Publikum unmittelbar nach dem Abspann kurzerhand aus dem Meeting geworfen. Die Euphorie verpufft. Der Applaus kann nirgendwohin. Die Illusion ist zerstört.

Es ist Freitag Abend und ich sitze nicht im Londoner Old Vic, sondern auf meinem Sofa in Barmbek. Ich werde nicht das Theater verlassen, zum Themseufer und über die Golden Jubilee Bridge zur Haltestelle Embankment schlendern, mit der Tube zu meinem Quartier fahren und am nächsten Tag die Entdeckung meiner Lieblingsstadt in einem anderen Viertel fortsetzen. Ich kann nicht einmal sicher sein, ob das Old Vic oder irgend eines der anderen Theater noch existiert, wenn ich das nächste Mal in London bin. Wann immer das sein wird.

Keine schöne Vorstellung.

The Show must go online (11)

Schnellen Schrittes geht es auf Mittsommer zu. Höchste Zeit, sich dem Thema Festivals zu widmen.

Die bekanntermaßen bis Ende August größenteils nicht in gewohnter Form stattfinden können – den neuesten Meldungen zufolge sogar bis Ende Oktober nicht.

In ungewohnter Form, nämlich bei ARTE und online, geht daher an kommenden Wochenende das Hurricane an den Start.

Bereits am 9. Juni hatte das Team des Schleswig-Holstein Musik Festivals den „Sommer der Möglichkeiten“ ausgerufen. Auch hier ist ein Mix aus TV- und Radioübertragungen, Onlineangeboten sowie – sofern möglich – einzelnen Live-Konzerten geplant. Das Eröffnungsfest wird am 5. Juli 2020 auf 3sat (20:15 Uhr) und NDR Kultur (20:05 Uhr) übertragen. Daniel Hope wird ebenfalls wieder dabei sein – „Hope@Home“ ist mittlerweile „on Tour“ gegangen. Was mich in diesem Zusammenhang besonders freut: Auch Klarinettist und Jazzpianist Ilja Ruf zählt zu den Gästen des Lübeck-Musikfests. Sein erfolgreicher Auftritt beim Auswahlkonzert für den „Steinway Förderpreis Jazz“ im November 2017 hatte mich nachhaltig beeindruckt. Nicht zuletzt deshalb, weil Ruf dieses im zarten Alter von gerade einmal 16 Jahren und einer beneidenswerten Souveränität bestritt.

Der NDR hat in der Zwischenzeit einen weiteren Aktionstag ausgerufen: Unter dem Stichwort „Kultur trotz Corona – Der Festivalsommer“ zeigt das NDR-Fernsehen vom 20. auf den 21. Juni 2020 eine lange Nacht der Festivals. Auf NDR.de wird dazu am 19., 20. und 21. Juni 2020 jeweils ab 14 Uhr Archivmaterial gestreamt. Das Thema Festival bleibt über das Aktionswochenende hinaus bis in den September auf NDR.de präsent.

Kein Festival, aber zweifelsohne eine Besonderheit unter den Corona-Livestreams wird das „Concierto para el Bioceno“ werden, welches am 22. Juni 2020 ab 17 Uhr auf dem YouTube-Kanal von des Gran Teatre del Liceu in Barcelona verfolgt werden kann. Das Konzert wird nämlich vor rund 2.300 Topfpflanzen aufgeführt, die anschließend als Dankeschön an Beschäftigte des Gesundheitswesens gespendet werden. Auf dem Programm steht das Streichquartett „Crisantemi“ von Giacomo Puccini. Mein aus Heimarbeitsgründen aus dem Büro evakuierter Ficus und ich gucken bestimmt mal rein.