London (Part III): Tag 7 & 8

Finale! Es folgen die letzten beiden Tage der London-Nachlese. Was zuvor bzw. im letzten Jahr geschah, kann bei Interesse unter dem Schlagwort London nachgelesen werden.

Den Mittwochmorgen lasse ich wieder etwas ruhiger angehen. Das Wetter ist trüb und ich mache mich auf den Weg nach Little Venice.

Winter is coming
Winter is coming

Beim Umsteigen in Paddington entdecke ich eines der „Quote of the Day“-Schilder, die in manchen Tube-Stationen für Erbauung und Erheiterung sorgen. Ich bin keine „Game of Thrones“-Guckerin, aber diese Referenz erkenne ich auch ohne Insiderwissen.

Little Venice
Little Venice

Eigentlich will ich nahe der Lagoon eine weitere London Walks-Führung mitmachen, entschließe mich dann aber spontan, den London Waterbus bis Camden Lock zu nehmen.

Regent's Canal
Regent’s Canal

In Camden Lock und Stables Market ist es zunächst noch ruhig, erst gegen Mittag wird es lebhafter. Bei meinem ersten Besuch, an einem sonnigen Sonntagnachmittag, drängelten sich hier die Massen. Heute haben Amy und ich etwas mehr Luft.

Amy
Amy

Nachmittags bin ich fußläufig zum Market mit meiner Konzertbekanntschaft vom letzten Jahr verabredet. Wir essen, schwatzen und absolvieren anschließend eine Hunderunde um den Primrose Hill. Die Aussicht von dort auf die Stadt ist phantastisch, bleibt aber aus Wettergründen undokumentiert.

Später nehme ich den Bus No. 168 Richtung Waterloo Station. Linienbusfahren ist in London vergleichsweise günstig: Da es für die Oyster Cards keine Lesegeräte an den Haltestellen gibt, kostet die einfache Fahrt nur £1,50. Der Nachteil: Man steckt im Autoverkehr fest. Ich sitze im Doppeldecker oben und freue mich darüber, viel Zeit zu haben. Tägliches Buspendeln stelle ich mir nervtötend vor – sowieso, aber in London noch einmal mehr. Die Route ist immerhin unterhaltsam: Via Roundhouse und Camden Town geht es am Russel Square vorbei weiter zur Euston Station, nach Holborn, über den Strand und schließlich auf die Waterloo Bridge Richtung South Bank.

Dort angekommen, nehme ich mir ausführlich Zeit, das Southbank Centre zu erkunden. Ich stöbere lange bei Foyles und im Festival Terrace Shop und bin kurzzeitig sehr versucht, in diesem eine wunderhübsche Teekanne mit Themsemotiv zu erstehen. Abgesehen von der Preisfrage überwiegen schließlich die Bedenken ob des sicheren Nachhausetransports*).

Der eigentliche Grund, weswegen ich mich am Southbank Centre herumdrücke, ist aber das Konzert von Francesco Tristano in der Royal Festival Hall. Tristano bewegt sich zwischen Klassik, Jazz und Elektronik und will am Abend sein neues Album „Piano Circle Songs“ vorstellen. Die Karte mit festem Sitzplatz hatte ich bereits Mitte Juli gekauft, wurde dann aber zwei Tage vor dem Termin per E-Mail darüber informiert, dass das Publikum nicht im Zuschauerraum, sondern auf und hinter der Bühne sitzen würde – mit Tickettausch an der Abendkasse und freier Platzwahl. Ob das von Anfang an der Plan war oder ein schwacher Vorverkauf die entscheidende Rolle gespielt hat, blieb dabei unklar. So oder so, das frühe Eintreffen sichert mir einen Bühnenplatz in der zweiten Reihe. Der Flügel ist dem rückwärtigen Teil der Bühne zugewandt und die restliche Hall mit ihren rund 2.500 Plätzen bleibt, durch eine Abtrennung abgehängt, im Dunkeln. Ein extrem intimes Setting mit entsprechend nervösen Sicherheitsleuten.

Francesco Tristano trägt dessen ungeachtet sein Programm mit großer Konzentration und Präzision vor. Es ist faszinierend, ihm dabei zuzusehen. Die CD muss ich dennoch nicht unbedingt kaufen und drücke mich daher trotz freundlicher Aufforderung durch das Personal vor der anschließenden Signierstunde.

Am Abreisetag begebe ich mich nach Frühstück und Check-out noch einmal in die Kensington Gardens, in der Tasche eine eigens erworbene Portion naturbelassener Cashew-Kerne. Zuerst muss ich meine Gabe mühsam ans Eichhorn bringen. Einige der Nager agieren äußerst vorsichtig und manche haben Schwierigkeiten, sich gegen aggressiv auftretende Krähen und Tauben durchzusetzen.

Kensington Gardens
Kensington Gardens

Erst mit der vorletzten Nuss gerate ich an einen Profi, der mir erst in den Finger zwickt, dann halb den Arm hoch rennt und schließlich äußerst ungehalten reagiert, als ich das leere Tütchen vorzeige.

Ich habe noch ein weiteres Ziel an diesem Morgen: die Sonderausstellung „Diana: Her Fashion Story“. Im letzten Jahr hatte ich bereits die Roben der Queen im Buckingham Palace bewundert. Das diesjährige Programm des Kensington Palace erscheint mir daher als logische Fortsetzung.

Kensington Palace
Kensington Palace

Mit der Idee bin ich nicht allein: Zur Öffnung um 10 Uhr haben sich bereits Schlangen gebildet. Dabei wird sorgsam zwischen Vorverkaufs- und Tageskassenbesuchern unterschieden. Abwicklung und Sicherheitskontrolle gehen dann aber zügig voran und im Gebäude verläuft sich der erste Ansturm schnell.

Queuing up for Diana
Queuing up for Diana

Anders als der Buckingham Palace sind Teile des Kensington Palace ganzjährig für Besucher zugänglich. Die Atmosphäre in den Räumen ist daher ungleich musealer. Neben der Sonderausstellung kann man die ehemaligen State Apartments bewundern. Die anderen Teile der Dauerausstellung widmen sich einerseits Queen Victoria, andererseits den „Enlightened Princesses“ Caroline von Braunschweig-Wolfenbüttel, Augusta von Hannover und Charlotte-Augusta von Wales.

Draußen gibt es noch ein weiteres Juwel zu bewundern: Der im „Sunken Garden“ des Palastes neu angelegte „White Garden“ soll ebenfalls an Prinzessin Diana erinnern. Ihr Todestag hatte sich Ende August zum zwanzigsten Mal gejährt.

The Sunken Garden
The Sunken Garden
The White Garden
The White Garden

Die Sonderausstellung drinnen gerät zur Zeitreise in meine eigene Kindheit und Jugend. An viele der Outfits kann ich mich noch gut erinnern. Zahlreiche Fotos und Zeichnungen dokumentieren neben den ausgestellten Kleidern die modische Entwicklung Dianas. Verglichen mit der Präsentation der Queen-Garderobe im Ballsaal des Buckingham Palace ist es zwar eine kleine, aber ausnehmend feine Sammlung, in Auswahl und Gestaltung.

Bald bunt
Bald bunt

Nach dem obligatorischen Cream Tea im Palace Café ist es Zeit zum Aufbruch. Da die British Airways-App, die bisher immer tadellos funktionierte, mir dieses Mal aus unerfindlichen Gründen keine Bordkarte ausstellen will, muss ich sicherheitshalber etwas mehr Zeit für den Check-in in Heathrow einrechnen.

In der Tube auf dem Weg zum Flughafen stoße ich im Evening Standard auf einen Artikel, der mich daran erinnert, was mich bei meiner Rückkehr nach Hamburg erwartet. Ich nicke bei jedem Satz.

Es braucht eine Weile, bis ich den richtigen Schalter gefunden habe. Der Check-in selbst ist problemlos und ich komme in Rekordzeit durch die Sicherheitskontrolle. Das verschafft mir genügend Muße, um mein letztes Münzgeld zu verfeuern. Nach gründlicher Suche macht schließlich ein Gläschen „Old English Hunt“-Orangenmarmelade von Fortnum & Mason das Rennen und die allerletzten Pence-Stücke landen in einer Spendenbox.

Der Heimflug ist erfreulich unspektakulär und ja, es wird einen Part IV geben. Es ist nur eine Frage der Zeit.


*) Dieses Modell, das fällt mir beim Schreiben dieser Zeilen erst auf, ist mir zum Glück nirgendwo über den Weg gelaufen.

London (Part II): Tag 4

City of London mit Monument, Royal Stock Exchange und Bank of England, „Meet The Composer: Peter Broderick ‚Partners'“, Camden Market und „London’s Burning“.

We didn't start the fire
We didn’t start the fire
On sale
On sale

Was vom historischen Stadtkern übrig ist, ist größenteils übel verbaut, ungemütlich, außerhalb der Bürozeiten bis auf ein paar versprengte Touristen menschenleer und dass heute im weiten Umkreis nicht ein einziges der öffentlichen Klos zugänglich war, hat nicht zur Steigerung der Gastlichkeit beigetragen. Mit dem Teil der Stadt bin ich durch – danke, reicht; den Rest ziehe ich mir aus Büchern.

Umso erbaulicher war dafür die Veranstaltung „Meet the Composer“ mit Peter Broderick im Brilliant Corners. Als bekennendes Erased Tapes-Fangirl konnte mir das nicht entgehen lassen und überhaupt, die Idee der Classic Album Sundays, abgefahren reizvoll, wann gibt’s das in Hamburg? Aber zurück zu Peter Broderick. Der stellte sich gut gelaunt den Fragen von Colleen „Cosmo“ Murphy und der anwesenden Zuhörer, gab hilfreiche Tipps zu seinem Steckenpferd, der Pflanzenwelt („The dandelion is just a great plant to hang out with!“) und spendierte nach der Session Makronen für alle (die mich aus der drohenden Unterzuckerung retteten). Während wir lauschten, hatte er genügend Zeit zum Einkaufen: Er hat „Partners“, sein neues Album, nach der Aufnahme nämlich bisher nicht angehört und auch nicht vor, dies zu tun. Um, das nur als Kurzversion, nicht Gefahr zu laufen, im eigenen Saft zu schmoren. Der Zufall war ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung des durch die Musik von John Cage inspirierten Albums und der Zufall wollte es auch, dass es eine feueralarmbedingte Unterbrechung gab und die Platte (we’re talking vinyl here) trotz feinsten Audioequipments deutlich hörbar knisterte, an einer Stelle sogar sprang. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Welcome to Camden
Welcome to Camden
Camden Market
Camden Market
"Madam, just mind the gaps, will you?"
„Madam, just mind the gaps, will you?“

Zum Camden Market sind es von Dalston Kingsland nur vier Stationen mit der Overground. Ein echtes Kontrastprogramm: von leise, minimal und zurückgenommen auf bunt, laut und wuselig in weniger als 15 Minuten. Ganz großartig ist es da und wenn ich eines Tages einmal viel Geld habe und noch mehr Mut, meinen (Bekleidungs-)Stil radikal zu ändern, dann werde ich wieder hinfahren und dort einkaufen.

Camden Town
Camden Town

Dieses Jahr begeht London den 350. Jahrestag des „Great Fire of London“ (wer nicht rechnen will: 1666). Ganz genau war das am 2. September, also vorgestern. Unter dem Titel „London’s Burning“ fanden daher bis einschließlich heute zahlreiche Veranstaltungen statt. Als Schlusspunkt wurde vorhin auf der Themse ein auf einer Schute installiertes Holzmodell des alten Londoner Stadtkerns feierlich in Brand gesetzt. Dazu war nicht nur die Themse, sondern auch Uferstraßen gesperrt und nicht ohne Grund, denn die Leute kamen in Strömen. Offiziell wurde keine Musik dazu gegeben, aber unter den Wartenden wurde der mögliche Soundtrack ausführlich diskutiert. Unter den Favoriten waren The Clash, Arthur Brown und Johnny Cash.