In Print: „Watching the English“ von Kate Fox

Was ich gerade lese und sehr empfehlen kann: „Watching the English“ von Kate Fox.

Watching the English

Aus der Rolle der teilnehmenden Beobachterin heraus versucht die Sozialanthropologin in diesem Buch, typisch englische Verhaltensweisen herauszuarbeiten und zu analysieren. Dabei befolgt sie durchgehend die wichtigste der selbst formulierten Regeln für „Englishness“: sich selbst niemals allzu ernst zu nehmen („The Importance of Not Being Earnest Rule“).

Abgesehen vom Unterhaltungswert und (Sprach-)Lerneffekt – auch als mittlerweile einigermaßen fortgeschrittene Leserin habe ich noch einiges an Vokabular nachschlagen müssen – entpuppt sich die Lektüre gerade für den Außenstehenden als kulturell sehr erhellend. Bei so mancher selbstironisch gemeinten Anspielung in britischen Filmproduktionen, Romanen und Songtexten habe ich bisher höchstens geahnt, dass es sich um eine solche handelt. Durch „Watching the English“ vervollständigt sich das Bild.

Being English means always having to say that you’re sorry.

Die Sache hat darüber hinaus einen hohen praktischen Nutzwert: Das neu erworbene Wissen wird mir sowohl im Berufsleben als auch bei meinem nächsten Londonbesuch sehr nützlich sein. Mir gehen wenigstens drei schlimme Fettnäpfe auf, in die ich während der letzten Inselaufenthalte halbwissentlich gestolpert bin. Ohne ins Detail gehen zu wollen: Mindestens einer davon ist mir auch nachträglich noch unfassbar peinlich. So sehr peinlich, wie laut Kate Fox eigentlich nur den Briten etwas peinlich sein kann. Aber eine familienforschende Großtante mütterlicherseits vermutete unsere Clanwurzeln ja einst im verarmten englischem Landadel. Überraschen tät’s mich nicht.

Last but not least bringt mich das Buch auf völlig neue Reiseideen und -ziele. So werde ich beispielsweise unbedingt irgendwann einmal ein englisches Pferderennen besuchen müssen.

Wem das Studium von „Watching the English“, das bisher leider nicht in deutscher Sprache erschienen ist, als zu herausfordernd erscheint, möge sich alternativ den „Very British Problems“ zuwenden, vorzugsweise in der 140-Zeichen-Version. Das mag zwar schon wieder arg kurzgefasst sein. Aber als Comic relief taugt diese Variante allemal.

In Print: „Geschichte vom Soldaten und dem Schwanenprinzen“ von Dagmar Möhring

Dieses Buch fiel mir kürzlich bei der Vernissage einer Schülerausstellung der Kunstschule Hamburg-KAW in die Hände und wer die Einträge der letzten Wochen hier verfolgt hat, wird nachvollziehen können, warum ich es sofort gründlich begutachten und dann auch kaufen musste. Aber es sind nicht nur die zauberhaften (Schwanen-)Illustrationen, die mich begeistern.

Geschichte vom Soldaten und dem Schwanenprinzen
Geschichte vom Soldaten und dem Schwanenprinzen

Der Prinz wird vor dem Traualtar von der unglücklich in ihn verliebten Gärtnerin in einen Höckerschwan verwandelt. Der Soldat hat seine eigenen Gründe, warum er sich das Tier im anschließenden Trubel kurzerhand unter den Arm klemmt, um sich mit ihm auf die Suche nach der (mittlerweile verschwundenen) Gärtnerin zu machen. Als die beiden diese nach Jahren der Wanderschaft schließlich finden, erfolgt die Rückverwandlung des Schwanenprinzen nicht ganz nach den üblich verdächtigen Märchenregeln. Sicher ein Grund, warum Dagmar Möhring die Geschichte mit dem Untertitel „Ein Märchen für Erwachsene“ versehen hat.

Das Buch ist in Eigenregie erschienen und für 15 Euro in der Kunstschule Hamburg-KAW zu kaufen. Aber eigentlich gehört es in das Programm eines entsprechenden Verlags – nahezu so, wie es ist, nur selbstverständlich als Hardcover – und wenn ich wen kennen würde, der in einem Haus arbeitet, für das solches infrage käme, ja dann!

Aber vielleicht liest hier ja jemand mit, auf die oder den das zutrifft. Eine Leseprobe kann man hier herunterladen.

In Print: „Sunday Sketching“ von Christoph Niemann

Erst bei der Durchsicht der Texte, die von Facebook hierher umziehen sollten, ist mir aufgefallen, dass ich kaum über Bücher schreibe. Das Klischee, „Diplom-Bibliothekarin“ automatisch mit „Leseratte“ gleichzusetzen, wird in meinem Falle zwar durchaus erfüllt, aber Texte schreiben über Texte? Dazu drängt es mich nicht; das waren gelegentlich höchstens ein, zwei Zeilen oder ein Foto. Zu diesen Ehren kamen beispielsweise „Der Grund“ von Anne von Canal (Klavierschubauslöser), „Vor dem Fest“ von Saša Stanišić (einfach zu schön) oder „Der Pfau“ von Isabel Bogdan, dessen Schlüpfen ich zusammen mit vielen anderen über Wochen und Monate hin mitverfolgen durfte.

Bücher, die eine Spontanbegeisterung bei mir auslösen, sind ausnahmslos schöne, soll heißen: schön gestaltete bzw. illustrierte Titel. So kaufte ich in London eine Ausgabe von „Alice in Wonderland“ einzig deshalb, weil die Illustrationen von Tove Jansson stammen. Folgerichtig ist das bisher einzige Buch, das mehr als zwei Zeilen von mir erntete, „Ein Ozean der Liebe“ von Wilfrid Lupano und Grégory Panaccione. Es kommt komplett ohne Worte aus.

Die zweite Ausnahme ist nun „Sunday Sketching“ von Christoph Niemann, kürzlich erschienen im Knesebeck Verlag. Einige seiner Illustrationen kannte ich bereits, bevor ich durch die Ausstellung „Unterm Strich“ im Museum für Kunst und Gewerbe über seinen Namen stolperte. „Sunday Sketching“ eröffnet Einblicke in die Arbeitsweise des 46-jährigen Illustrators und ist zugleich ein Querschnitt durch sein bisheriges Werk. Meine Lieblinge sind dabei die Kombinationen aus fotografierten (Alltags-)Gegenständen und Pinselstrich. „Genau mein Humor“, sagt man gemeinhin, aber es braucht eben Christoph Niemanns Auge, um in einer Socke den Tyrannosaurus Rex im Rollkragenpullover zu sehen.

Großartig.

In Print: „Ein Ozean der Liebe“ von Wilfrid Lupano und Grégory Panaccione

Als Kind liebte ich Lurchi und die Lustigen Taschenbücher, später mochte ich die Peanuts und Asterix und Obelix und als mare die Sonderbände über die Ducks und Popeye herausbrachte, stellte ich sie mir ins Regal. Darüber hinaus bin ich kein Comicfan geworden und mit dem, was seit einigen Jahren als „Graphic Novel“ bezeichnet und beworben wird, konnte ich wenig anfangen.

Bis ich gestern „Ein Ozean der Liebe“ von Wilfrid Lupano und Grégory Panaccione aus dem Splitter Verlag in die Hand bekam. Der Titel täuscht etwas, dafür trifft es das Rezensionszitat „Eine hinreißende Mixtur aus Slapstick und großen Gefühlen!“ (kulturradio) umso besser. Das Schönste: Die Geschichte um den tapferen bretonischen Fischer und seine nicht weniger mutige Frau kommt mit insgesamt nur drei Sprechblasen und ohne ein einziges gesprochenes Wort aus. Ich zählte ansonsten noch drei Satzzeichen auf 224 Seiten – selbst die hätte man problemlos auslassen können.

In einem Wort: meins!

(Möwen gibt’s auch.)