Pardon, ich bin bei meiner Nachbereitung im Oktober hängen geblieben. Immerhin habe ich inzwischen das Projekt „nebenberufliches Studium“ abgeschlossen! Es fehlt nur noch die Urkunde. Da sollte doch auch die Schreiblust in Kürze wieder vollständig hergestellt sein.
Jedenfalls, den Besuch des Museums Kunst der Westküste Mitte/Ende Oktober möchte ich nicht unter den Tisch fallen lassen. Mit der Ausflugsidee war ich praktischerweise nicht allein: Außer mir hatten auch Kerstin und Caren den Instawalk-Anstoß der MKdW-Ausstellung „Zwischen Sturm und Stille“ im Internationalen Maritimen Museum Hamburg aufgenommen – völlig unabgesprochen im gleichen Zeitraum! Zu Dritt wurden wir also in eine Führung durch die Ausstellung „600 Fuß über NN – Das Wattenmeer fotografiert von Peter Hamel“ eingeschleust. Inklusive Fotografiererlaubnis! Toll!
Faszinierende Aufnahmen sind Peter Hamel da aus dem Cockpit einer Cessna gelungen. Einiges ist auf den ersten Blick erkennbar als „Wattenmeer von oben“, aber nicht weniges mutet vollkommen abstrakt an. Wie Hamel arbeitet, kann man in diesem Video erfahren:
In einem zweiten, großen Bereich des Museums war die Wanderausstellung „Frischer Wind – Impressionismus im Norden“ untergebracht, ein Gemeinschaftswerk von MdKW, Singer Laren und des Landesmuseums Hannover.
Das Bild der Schau, welches mich am meisten faszinierte, ließ sich leider nicht gut ablichten: „Der Dam (die Nieuwe Kerk in Amsterdam)“ (1891) von George Hendrik Breitner. Ich hatte bei dem Werk den Eindruck, nur einen beherzten Schritt vom Eintritt in die Szene entfernt zu sein. Vielleicht hätte ich es versuchen sollen? Aber am Ende ist jedes dieser Exponate auf die eine oder andere Weise ein Zeitreise-Portal.
Zurück zur Gegenwart! Ein Besuch des Museumsshops und der Museumsgastronomie („Grethjens Gasthof„) lohnt sich auch.
Eine qualitativ ähnlich gute Trümmertorte habe ich auf der Insel nur noch auf Hinrichsen’s Farm genießen dürfen. Fairerweise sei allerdings erwähnt, dass ich die Variante in „Stelly’s Hüüs“ bisher nicht probiert habe.
Das hole ich beim nächsten Föhr-Aufenthalt nach. Und auch das Museum werde ich wieder besuchen: Das MdKW hat nämlich keine Dauerausstellung, sondern wechselt beständig durch. Wenn ihr zeitlich flexibel planen könnt, solltet ihr Museumsbesuch und/oder Inselurlaub daher so legen, dass die nicht gerade in eine der Umbauphasen fallen. Dann fehlt nämlich ein gutes Stück MdKW. Und das wollt ihr nicht!
Ich bin vorher schon zwei- oder dreimal in Wien gewesen, das letzte Mal vor über zwanzig Jahren. Wie die vorherigen Male war es damals eine Reise mit übersichtlichem Budget. Da fand ich Wien schon super. Wenn man aber ein etwas höheres Budget zur Verfügung hat und mitnehmen kann, wonach einem der Sinn steht, ist Wien noch viel superer. Denn günstig ist die österreichische Hauptstadt nicht. Zumindest nicht, wenn man im oder nahe des 1. Bezirks wohnen, Top-Sehenswürdigkeiten mitnehmen und in die Oper, ins Konzert und auch mal nett Essen gehen will. Dieses Mal wollte und konnte ich das alles – was für ein Luxus!
Das historische Gebäude an der Ringstraße wurde 2018 bis 2022 umfassend saniert. Mit der Sanierung war eine weitgehende Öffnung des Hauses verbunden. Seither gibt es neben Führungen ein noch umfassenderes Angebot zur Demokratiebildung, einen Ausstellungs- und Erlebnisbereich („Demokratikum“) und einen Parlamentsshop; das Volk kann in der Parlamentsgastronomie essen und in der Parlamentsbibliothek lernen und arbeiten. Man darf im Rahmen einer Führung sogar in den Sälen des National- und des Bundesrates auf den Stühlen Platz nehmen (ich weiß jetzt, wie ein österreichischer Vizekanzler sitzt). Nur die Bestuhlung des historischen Sitzungssaals bleibt abgesperrt, um die ebenfalls historische Möblierung zu schützen. Er wird überhaupt auch nur bei besonderen Anlässen verwendet, zum Beispiel, wenn die Bundesversammlung zusammentritt.
Mich hat das Gebäude, vor allem aber die Offenheit des Gebäudes tief beeindruckt. Ja, ich weiß, den Reichstag in Berlin kann man auch besuchen, ich war selbst mehrfach dort. Aber ein offenes Haus im österreichischen Sinne ist der Bundestag nicht.
Was unbestritten zum Flair der Stadt gehört und in jedem Reiseführer Erwähnung findet ist die berühmte Wiener Kaffeehauskultur. So richtig konnte ich mich damit bisher nicht anfreunden. Ich bin an sich keine Kaffeehaussitzerin; ich kaufe meinen Kuchen gerne „to go“ und fläze mich damit aufs Sofa.
In Wien könnte ich mir das Kaffeehaussitzen aber glatt angewöhnen. Diese ganz spezielle Atmosphäre des In-Gesellschaft-in-Ruhe-gelassen-werdens hat schon ihren Reiz. Ich testete unter anderem das Café Museum, das Café Leopold Hawelka und das Café Prückel und obwohl ich im Museum den wahrscheinlich besten Apfelstrudel meines bisherigen Lebens genießen durfte, hat das Prückel mein Herz erobert. Im Keller gibt es sogar ein Theater!
Wo war ich noch? In der Österreichischen Nationalbibliothek natürlich. Neben dem ganz normalen Bibliotheksbetrieb gehören zu dieser fünf verschiedene Museen sowie das Haus der Geschichte Österreichs. Ich entschied mich für das Globenmuseum im Palais Mollard und den barocken Prunksaal. Beides sehr empfehlenswert.
Falls ich künftig in die Verlegenheit kommen sollte, den Begriff „barockes Gesamtkunstwerk“ erklären zu müssen, werde ich einfach immer auf dieses Bauwerk verweisen. Wahnsinn! Nur die Sonderausstellung hat mir nicht gefallen. Beziehungsweise, dass es dort überhaupt Sonderausstellungen gibt. Der Star ist doch der Saal, da wirkten die Exponate irgendwie störend.
Zum Thema Reisebudget sei erwähnt, dass der reguläre Eintritt in das Kunsthistorische Museum stolze 21 (in Worten: einundzwanzig) Euro kostet. Dafür kann man aber auch überall hin. Zumindest theoretisch, denn Richtung Gastronomie bildete sich bald eine beeindruckende Schlange und ohne reservierten Timeslot waren die Chancen auf einen Blick in die Rembrandt-Sonderausstellung äußerst gering. Weil diese Option ausgebucht war, schloss ich mich spontan einer Führung an. Dafür musste ich zwar noch einmal zehn Euro auf den Tisch legen. Dafür kam ich aber mit der Gruppe an der Schlange vorbei in die Ausstellung und in den Genuss kompetenter Erläuterungen. Davon bin ich bei bildender Kunst nämlich abhängig, wenn es mir jenseits des bloßen Konsums darum geht, zu verstehen und einzuordnen. Hat sich gelohnt in diesem Fall.
Vorher hatte ich noch Gelegenheit, mich in der Kunstkammer umzusehen. Die Kunstkammer Wien beherbergt historische Sammlungen adeliger und königlicher Persönlichkeiten und gilt als Wiege des heutigen Museums. Es fällt schwer, unter den vielen spektakulären Objekten einen Favoriten zu küren, aber mir ist es gelungen!
Das ist ein Automat in Form einer Galeone von Hans Schlottheim, datiert auf das Jahr 1585. Hier kann man das gute Stück in Aktion erleben:
Fehlen noch die beiden musikalischen Höhepunkte der Reise. Ins Haus des Musikvereins trieb mich hauptsächlich, dass ich gerne einmal ein Konzert im Goldenen Saal besuchen wollte. Das ist der Saal, in dem die Wiener Philharmoniker das alljährlich in zig Länder übertragene Neujahrskonzert spielen. Die Philharmoniker passten leider nicht ins Programm, aber dafür das ORF RSO Wien unter der enthusiastischen Leitung von Maxime Pascal und mit Truls Mørk als Solist am Violoncello.
Gegeben wurden Werke von Arnold Schönberg, Henri Dutilleux und Claude Debussy sowie eine Solistenzugabe von Benjamin Britten. Das hat mir ausnehmend gut gefallen. Schade, dass das Konzert nicht ausverkauft war. Richtig gut ist, dass man in den vorderen Parkett-Logenplätzen auf Höhe des Bühne sitzt. Man hat dadurch noch mehr als in anderen Häusern das Gefühl, Teil des Orchesters zu sein. Der Platz war auch gar nicht so teuer – ok, schon teuer, aber nicht absurd teuer.
Ganz andere Preise werden dagegen in der Wiener Staatsoper aufgerufen. Schon die Führungen schlagen mit 15 Euro zu Buche. Dafür sind sie generalstabsmäßig organisiert und in mindestens fünf Sprachen verfügbar. Wenn man eine Aufführung besucht und nicht nur hören, sondern auch etwas sehen möchte, sollte man am Eintrittspreis dennoch nicht sparen. Günstige Tickets gibt es auch – ich habe auf solchen Plätzen schon gesessen – aber dann ist es halt mehr Hörspiel als Oper.
Diesen Blick von der Mittelloge habe ich aber auch nur bei der Führung dokumentieren können.
Die Aufführung – Giuseppe Verdis „Macbeth“ in der 2020er Inszenierung von Barrie Kosky – habe ich aus einer Perspektive ein Stockwerk höher und etwas seitlicher gesehen. Dabei führte das Hauspersonal ein strenges Regiment, unter anderem mit sehr klaren Ansagen bezüglich Handynutzung und Geräuschvermeidung. Das hat entscheidend zu einem weitgehend ungetrübten Operngenuss beigetragen und fand daher meine volle Unterstützung. Gerald Finley und Anastasia Bartoli als Macbeth und Lady Macbeth haben mich nicht nur gesanglich, sondern vor allem darstellerisch überzeugt. Ich mochte die düstere Inszenierung mit dem sehr reduzierten Bühnenbild, nur die merkwürdige Nude-Kostümierung des (Bewegungs-)Chors hat mir nicht zugesagt. Zum Raum: Was für eine phänomenale Akustik! Und was für ein geniales Über- beziehungsweise Untertitelsystem! An jedem Platz, auch den Stehplätzen, gab es kleine Displays, auf denen es Informationen zum Programm in zwei und Untertitel in acht Sprachen zu lesen gab. Gesehen hat man dabei nur den eigenen Bildschirm und wenn man gewollt hätte, hätte man das Teil auch einfach eingeklappt und ungenutzt lassen können. Großartig. Wann gibt es das in Hamburg?
Aus dieser Wien-Reise hätte ich gut und gerne eine mehrteilige Rückschau schnitzen können, ähnlich wie ich es mit meinen Besuchen in London getan habe. Aus Zeitgründen verzichte ich dieses Mal darauf. Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen und mehr Muße für die Nachbereitung im Anschluss.
Weiter geht es voraussichtlich erst im Mai, denn der April ist fast vollständig durch Termine anderer Art besetzt. Der Bericht folgt Ende Juni. Wenn mich dann nicht die Masterarbeit verschluckt hat.
Was soll ich sagen – liebe Leserin, lieber Leser (und alle dazwischen): Die Masterarbeit hatte mich verschluckt. Jetzt, genau vier Wochen vor dem Abgabetermin, sehe ich allmählich wieder Land und kann die begonnene Reihe fortsetzen. Der Plan: die Spanne Mai bis August fasse ich knapp zusammen, flankierend gibt es ein paar gesammelte „Statt Postkarten“, das Internationale Sommerfestival bekommt wie jedes Jahr einen eigene Berichterstattung und ab September wird wieder normal gebloggt! So!
Mai
Anfang Mai hatte ich die Gelegenheit und das Vergnügen, an einem hamburgafterwork-Instawalk durch die Ausstellung „Zwischen Sturm und Stille“ im Internationalen Maritimen Museum teilnehmen zu dürfen.
Die Ausstellung des Museums Kunst der Westküste (MKdW) ist kürzlich bis zum 12. Januar 2025 verlängert worden. Der Besuch lohnt sich sehr. Zu diesem Urteil wäre ich mutmaßlich auch ohne die Veranstaltung gekommen, den Wein vom Föhrer Weingut Waalem hätte ich dagegen wohl nicht so schnell entdeckt. Im Oktober werde ich dem MKdW höchstselbst einen Besuch abstatten. Dem Weingut leider nicht, dort ist dann nämlich Erntezeit und deshalb für Besucherinnen und Besucher verständlicherweise kein Raum.
Ansonsten war ich bei zwei Konzerten des Internationalen Musikfests Hamburg – das Kronos Quartet und Teodor Currentzis und Utopia mit Anton Bruckners Sinfonie Nr. 9 d-Moll – und bei einem „Blind Date“, alles in der Elbphilharmonie. Das Konzert des Kronos Quartet war mit „KRONOS – Five Decades Celebration“ überschrieben, hatte dann aber doch etwas weniger „Best of“-Charakter als erhofft. Meine Lieblingsstücke: „Lunch in Chinatown“ von Terry Riley und „Different Trains für Streichquartett und Tonband“ von Steve Reich.
Von Teodor Currentzis und Utopia habe ich an dieser Stelle schon ausführlich geschwärmt, das muss ich im Rahmen dieses Schnelldurchlaufs nicht in epischer Breite wiederholen. Jedenfalls wurde ich nicht enttäuscht. Im letzten „Blind Date“ der Saison 2023/24 schließlich präsentierten Nils Mönkemeyer (Bratsche), Sebastián Sciaraffia (Barockgitarre), Gonzalo Manrique (Barockgitarre), Martín Bruhn (Percussion) und Rubén Dubrovsky (Colascione, Charango) unter der Überschrift „Viola Latina! Living Baroque“ eine Reise durch verschiedene Regionen und Musikstile Südamerikas. Das traf nicht ganz mein Geschmack, was aber bei der „Blind Date“-Reihe nur eine untergeordnete Rolle spielt, denn, ich erwähnte es vermutlich schon mehrfach: Man kann sich auf die Qualität der dort auftretenden Künstlerinnen, Künstler und Ensembles im wahrsten Sinne des Wortes blind verlassen.
Juni
Der Juni begann mit dem ELBJAZZ. Man sollte es vielleicht nicht mehr so nennen: Vielleicht sind es noch 50% Jazz gewesen, möglicherweise ist aber auch das schon eine zu optimistische Einschätzung. Die Bezeichnung Etikettenschwindel drängt sich auf, nicht erst seit diesem Jahr.
Die Rocket Men habe ich aufgrund ungünstiger Umstände leider nur außerhalb der Schiffbauhalle erleben dürfen und mir deshalb im Anschluss schleunigst eine Karte für eine der beiden inzwischen ausverkauften „Lost in Space“-Shows Ende November im Planetarium Hamburg gesichert. Das wird bestimmt großartig.
Meine nichtmusikalischen Highlights: der Kameramann an der Hauptbühne, das Holzofenbrot – zugegebenermaßen hauptsächlich wegen des Holzofens – und das Crumble. Eine Glühweinbude wäre angesichts der vorherrschenden Temperaturen, verstärkt durch den zeitweisen Niederschlag, auch nicht verkehrt gewesen. Ebenfalls nicht ganz so günstig waren die auffällig hartnäckigen Technikprobleme, vor allem während des Auftritts von Asaf Avidan. Ich erwarte Besseres von einem Festival dieses Kalibers, von dem Konzertausschnitte (leicht zeitversetzt) auch auf arte CONCERT präsentiert wurden.
Moment, da war doch vorher noch was! Ein Stummfilmkonzert in der Laeiszhalle nämlich: „Das Cabinet des Dr. Caligari“, untermalt von Klängen durch Karl Bartos (Kraftwerk). Das fand im Rahmen des Schleswig Holstein Musik Festival statt und war bemerkenswert gut.
Das „War Requiem“ von Benjamin Britten, als Programmpunkt des Internationalen Musikfests Hamburg gegen Ende des Monats aufgeführt vom SWR Symphonieorchester, dem London Symphony Chorus, dem SWR Vokalensemble Stuttgart, dem Knabenchor Hannover sowie Irina Lungu (Sopran), Allan Clayton (Tenor) und Matthias Goerne (Bariton), allesamt unter der Leitung von Teodor Currentzis, überforderte mich bedauerlicherweise aufgrund eines hauptsächlich masterarbeitsbedingten Formtiefs. Meine Konzentration reichte nicht, meine emotionale Verfassung befand sich in leichter bis mittelschwerer Schieflage und das Werk eignet sich nun einmal auch nicht sonderlich als Stimmungsaufheller.
Juli
Anfang Juli war ich bei Charly Hübner und Caren Miosga zu einer andeutungsweise szenischen Lesung mit Musik aus den „Jahrestagen“ von Uwe Johnson. Wobei weder die Vortragenden (Ninon Gloger am Klavier ausgenommen) noch das Publikum (wahrscheinlich zündet das Sujet im Osten der Republik noch anders) in Top-Form waren. Aber die Großartigkeit des Formats blitzte durch.
In der Schule quälte man uns mit „Mutmaßungen über Jakob“, was dazu führte, dass ich um Johnsons Werk fortan einen großen Bogen machte. Merkwürdigerweise habe ich den ersten Satz des Romans („Aber Jakob ist immer quer über die Gleise gegangen.“) nie vergessen können, den Rest aber vollkommen verdrängt… So oder so, vielleicht war der Abend im St. Pauli Theater ja der erste Schritt einer Wiederannäherung. Apropos St. Pauli Theater: Ich hatte vergessen, wie furchtbar unbequem man da sitzt!
Tags drauf sah und hörte ich das Chineke! Orchestra mit „African Suite“ von Fela Sowande, „To the Hibiscus“ von Cassie Kinoshi und Max Richters „Recomposed: Vivaldi – The Four Seasons“ (mit Elena Urioste an der Solovioline) in der Elbphilharmonie, eine weitere Veranstaltung des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Das hat mir richtig gut gefallen, ganz besonders der Richter/Vivaldi: Bis dato war das wohl die mit Abstand schönste Interpretation dieses Lieblingswerks, die ich erleben durfte. Ziel der Chineke! Foundation ist übrigens die Förderung der ethnischen Vielfalt in Orchestern und generell der klassischen Musikszene, hier erklärt von der Gründerin, Chi-Chi Nwanoku:
August
Der August war auch in diesem Jahr geprägt vom Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel (Bericht folgt – siehe oben). Zwischendrin war ich aber noch ein letztes Mal beim Schleswig-Holstein Musik Festival, genauer: beim Duo Ruut im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Das war ebenso zauberhaft wie unterhaltsam, des sehr speziellen Humors der beiden Musikerinnen wegen.
Allen Lockerungen zum Trotze: Die Kontaktbeschränkungen wurden verlängert und die Kultur steht weiterhin mehrheitlich auf „Pause“. Dennoch hat diese Woche unter der Tagline „Vorfreude klang nie schöner“ der Vorverkauf zur nächsten Elphi-Spielzeit begonnen – der Tradition folgend zunächst mit einem Zusammenbruch des Online-Buchungssystems.
Deutlich unschöner ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass Konzert- und Theaterkassen dieses Mal keine Kartenkontingente für Veranstaltungen der HamburgMusik gGmbH und der Konzertdirektion Dr. Rudolf Goette (ProArte) erhalten haben. Bei allem Verständnis für die nachvollziehbaren Gründe dieser Aktion – bessere Kontrolle des Kartenverkaufs beziehungsweise einer gegebenenfalls notwendigen Rückabwicklung, Einführung des „Bestelle jetzt, zahle erst dann, wenn sicher ist, dass das Konzert auch stattfindet“-Prinzips (zumindest bei der HamburgMusik gGmbH) – wird da ein Glied der kulturellen Nahrungskette im Stich gelassen, das zweifelsohne ebenfalls schwer unter den Folgen der Krise zu leiden hat. Mir tut es insbesondere für die Theaterkasse Schumacher leid, die mir mit ihrem Elphi-Sondernewsletter und dem dazugehörigen Service in der Vergangenheit mehrfach Zutritt zu eigentlich längst ausverkauften Veranstaltungen verschaffen konnte. Vollkommen legal, versteht sich. Ab jetzt und bis auf Weiteres keine Selbstverständlichkeit mehr.
So oder so, das Spielzeitprogramm ist Zukunftsmusik im Wortsinne. Mit hohem Unsicherheitsfaktor.
Wobei die Hamburger Orchester keineswegs untätig sind. So spielen Musiker des Philharmonischen Staatsorchesters beispielsweise im Rahmen des Formats „Philharmoniker to go“ für Menschen in Senioren- und Pflegeeinrichtungen. Umsonst, draußen und selbstverständlich unter Einhaltung der Abstandsregeln.
Übrigens, Stichwort Hamburg, ich habe da eine Streamingreihe übersehen und gar keine kleine: die Corona-Konzerte des Hamburger Abendblatts nämlich. Das ist mir ein bisschen peinlich. Dankenswerterweise sind alle Folgen noch bei YouTube abrufbar.
Eine anderes Streamingangebot kam an dieser Stelle dagegen schon mehrfach zu Ehren: National Theatre at home. Das ist nicht ohne Grund die Initiative, für die ich bisher am fleißigsten gespendet habe. Die Summen, die da aus aller Welt jeweils zusammenkommen, sind teilweise ganz ordentlich, aber natürlich bei weitem nicht ausreichend, um den Laden dauerhaft über Wasser zu halten. In Großbritannien schießen inzwischen auch die ganz renommierten Institutionen rot, darunter Royal Albert Hall, National Theatre, Royal Shakespeare Company und Royal Opera House. Alles Häuser und Ensembles, die anders als vergleichbare Einrichtungen in Deutschland keine regelmäßigen Subventionen der öffentlichen Hand erhalten. Nicht nur angesichts des politischen Vollchaos, was momentan jenseits des Ärmelkanals tobt, wird das Unvorstellbare allmählich erschreckend wahrscheinlich: „If this goes on much longer, it’s hard to imagine any theatre surviving“.
Auch das Old Vic gehört zu den gefährdeten Stätten und reagiert mit einem eigenen Format namens „in Camera“. 1.000 Tickets zu Preisen zwischen £10 und £65 sollen je Vorstellung erhältlich sein. Das erste Stück der Reihe, „Lungs“ mit Claire Foy und Matt Smith, wird dazu in einer „Socially distanced“-Version vor leerem Saal aufgeführt.
Aus dem „Guardian“ habe ich noch eine Graphic Short Story von Mark Haddon („Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“) aufgepickt: „Social Distance“. Wahrscheinlich ist das da in der Geschichte gar kein Reh (oder Hirsch), sondern ein Patronus.
Eine Vermutung, die mich direkt zu J. K. Rowling bringt: Die „Harry Potter“-Autorin veröffentlicht ab 26. Mai 2020 ihr neues Kinderbuch „The Ickabog“ kapitelweise im Internet, noch vor dem offiziellen Erscheinungstermin im November. Parallel dazu läuft eine „Illustration Competition“ für Kinder im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren. Einige der ersten auf Twitter gezeigten Beiträge sehen vielversprechend aus!
Wer in Hamburg leben möchte und weder Immobilien geerbt hat noch über ein unbegrenztes Budget verfügt, muss sich zwangsläufig mit dem leidigen Thema Wohnungssuche beschäftigen. (Manche müssen das aus Gründen sogar innerhalb weniger Monate zum wiederholten Male – unschöne Sache, ich kann das so gar nicht zur Nachahmung empfehlen.) Selbst wenn man eine ebenso bezahl- wie bewohnbare Mietbehausung gefunden hat, sicher kann fast niemand in der Stadt mehr sein, dass nicht irgendwann eine Erbengemeinschaft oder ein Investor auf teure Ideen kommt. Auch in meiner Wahlheimat Barmbek-Nord kommen die Einschläge näher: Die Dichte der Biosupermärkte, für viele ein (wenn nicht der) Indikator für Gentrifizierung, hat sich signifikant erhöht in den letzten Jahren. Die Beschäftigung mit Stadtentwicklung liegt also nahe, weswegen ich nicht zögerte, als das Altonaer Museum zur Instatour im Rahmen der aktuellen Sonderausstellung „Schöner Wohnen in Altona? Stadtentwicklung im 20. und 21. Jahrhundert“ einlud.
Schon ein kurzer Blick auf die Ausstellung beweist, dass das Thema beileibe kein neues ist. Ausgehend von der Wohnsituation der 1890er Jahre bis in die Gegenwart werden die unterschiedlichen Strömungen, die Ideen dahinter und realisierte, aber auch nicht realisierte Projekte beleuchtet. An verschiedenen Stationen haben Besucher außerdem die Möglichkeit, eigene Erfahrungen und Vorstellungen zum Thema einzubringen.
Nach einer einstündigen Führung durch die Ausstellung und einer kleinen Mittagspause starteten wir schließlich zur eigentlichen Instatour, für die der VHH freundlicherweise einen Oldtimerbus aus den 1980er Jahren beisteuerte. Schulbuserinnerungen kamen hoch!
Ich habe die insgesamt fünf Stationen der Tour chronologisch sortiert. Am Anfang steht somit die Steenkampsiedlung (1914-1926). Eine klassische Gartenstadt, beinahe dörflich-ruhig, inklusive Freigängerkatze. Manche Häuser wirken ein klein wenig angestaubt, was aber dem Charme des Ensembles keinen Abbruch tut.
Der Friedrich-Ebert-Hof (1928-1930) ist ein repräsentatives Beispiel für Wohnraumplanung der 1920er Jahre, die unter dem Motto „Licht, Luft, Sonne“ stand. Er besteht aus kleinen, einfach ausgestattete Wohnungen. Die charakteristischen Elemente Rotklinker, Sprossenfenster, Flachdach und Blockrandbebauung sind in überall in Hamburg zu finden.
Das Flachdach, so lernten wir bereits in der Ausstellung, war während der Nazizeit verpönt, eben weil es charakteristisch für die unmittelbar vorausgegangene Bauperiode war. Bereits bestehende Gebäude wurden vielfach durch Aufsetzen von Spitzdächern aufgestockt. Mir geht auf, dass davon möglicherweise auch das Haus betroffen ist, in dem ich lebe: Das Dachgeschoss will mit dem Rest des Blocks irgendwie nicht recht harmonieren, was sich unter anderem in den Rissen in meiner Schlafzimmerwand manifestiert.
Vom Friedrich-Ebert-Hof ist es ein großer Sprung zum Osdorfer Born (um 1970). Autogerechte „Urbanität durch Dichte“ am Stadtrand, verbunden mit der konsequenten Trennung von Wohnen und Arbeiten: Das war die Idee hinter den Großsiedlungen, die mittlerweile vielfach als soziale Brennpunkte verschrien sind. Den mäßig hübschen Plattenbauten steht eine Begrünung entgegen, die den Kolossen etwas von ihrer Wuchtigkeit nimmt. Zurzeit ist eine Fassadensanierung im Gange, die mindestens optisch einiges an Verbesserung verspricht. Eine Anbindung an das U-Bahn-Netz war zwar geplant, wurde dann aber letztlich nicht ausgeführt. Immerhin kann man den täglichen Einkauf in der unmittelbaren Umgebung tätigen.
Die 1960er Jahre brachten einiges in Gang: Gegen Planungen des CDU-geführten Senats, im bis dato durch Altbauten geprägten Kern von Ottensen in Anlehnung an die bereits etablierte „City Nord“ eine „Bürostadt West“ aufzubauen, regte sich erfolgreich Widerstand.
Heutige Projekte setzen auf Bürgerbeteiligung und den vielbeschworenen Drittelmix aus Wohnen, Büroflächen und (Einzel-)Handel. Was leider keineswegs bedeutet, dass die so entstandenen und noch im Entstehen befindlichen Quartiere für jedermann erschwinglich sind.
Die Othmarscher Höfe (2014-2016) wurden auf dem Gelände einer ehemaligen Margarinefabrik errichtet. Anders als in der erst seit kurzem im Bau befindlichen neuen Mitte Altona (2017-) sind sowohl Begrünung als auch Versorgungsinfrastruktur bereits vorhanden. Das Areal ist riesig und ziemlich eng bebaut. Darüber kann auch der in Hamburg häufig angewandte Trick mit den Staffelgeschossen nicht hinwegtäuschen.
Ein Teil der neuen Mitte Altona entsteht auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs. Weitere Flächen werden künftig u. a. durch Verlagerung des Fernbahnhofs zum Diebsteich und den Umzug der Holstenbrauerei frei. Neben den Neubauten soll die sogenannte Kleiderkasse, ein denkmalgeschütztes Backsteingebäude, erhalten bleiben und ein acht Hektar großer Park entstehen. Als Zentrum des Quartiers wird die ehemalige Güterhalle fungieren. Momentan wirken die bereits fertiggestellten (und bewohnten) Häuser im Bereich der Harkortstraße jedoch noch etwas deplatziert.
Die 1:1-Gegenüberstellung von Ausstellungsinhalten und Originalschauplätzen ist zwar gewissermaßen der Idealfall, Beispiele für die einzelnen Epochen der Stadtentwicklung finden sich aber überall in der Stadt verteilt. Insofern lässt sich die Ausstellung „Schöner Wohnen in Altona?“ problemlos auf Hamburg insgesamt skalieren und ist damit viel mehr als „nur“ die gelungene Beleuchtung eines Teils der Altonaer Geschichte und Gegenwart.
„Schöner Wohnen in Altona?“ läuft noch bis zum 24. Juni 2019. Im Rahmenprogramm werden u. a. Kuratorenführungen, Vorträge und Lesungen sowie diverse Stadtteilrundgänge angeboten.
Einen Tag nach Ausstellungseröffnung wurden dort gestern Blogger, Instagrammer, Twitterer und überhaupt, Social Media-Menschen begrüßt, mit #EisZeitenHH-Bier, Brezeln und #EisZeitenHH-Eis bewirtet, mit WLAN versorgt, durch die Ausstellung geführt und aufgefordert, hemmungslos zu tippen, zu filmen und zu fotografieren. Mit großer Resonanz: die Social Media Wall glühte, dass es eine wahre Pracht war.
Bei der Doppelausstellung thematisiert das Museum für Völkerkunde unter dem Titel „Die Menschen des Nordlichts“ die Lebensweise der Volksgruppen nördlich des Polarkreises. Dabei ist „zirkumpolar“ der zentrale Begriff: In der Ausstellung wird nicht nach einzelnen Volksgruppen unterschieden, sondern nach Lebensbereichen. Diese enthalten jeweils Exponate verschiedener Herkunft und beweisen eindrucksvoll, wie wenig Relevanz von Menschen gezogene Landesgrenzen unter klimatisch herausfordernden Bedingungen letztlich haben.
Nicht nur dort, sondern auch im zweiten Ausstellungsteil, „Die Kunst der Mammutjäger“ (Archäologisches Museum Hamburg), gibt es spektakuläre Ausstellungsstücke aus der Kunstkammer St. Petersburg zu sehen. So z. B. eine geschnitzte Frauenfigur aus der Zeit von 21.000 bis 19.000 v. Chr., also richtig, richtig alt. Das ist schon sehr speziell, man sollte sich das vielleicht mal anschauen. Die Dame und ihr Gefolge reisen in ihrem Alter nicht mehr so gern und wer weiß, ob jemals wieder.
Mein Lieblingsstück steht allerdings jetzt schon fest: die Kopfbedeckung der Alutiiq-Jäger in Seehundsform. Ich bin verliebt!
Das MKG tausche ich jederzeit gegen drei bis vier Hamburger Kunsthallen – ich mag’s bei der Kunst halt gerne angewandt. Und überhaupt, die Musikinstrumentensammlung! Es ist das einzige Museum in Hamburg und Umgebung, das ich mindestens einmal im Jahr besuche. Im Moment lohnt sich das besonders wegen der Ausstellungen „Jugendstil. Die große Utopie“, „No name design“ und vor allem: „Christoph Niemann. Unterm Strich“. Letztere befindet sich im 2. Obergeschoss und für den unwahrscheinlichen Fall, dass man die Wegweiser nicht finden sollte, kann man sich akustisch am unkontrollierten Kichern der anwesenden Besucher orientieren. Ich gestehe, ich habe den ganzen Raum zusammen gelacht und empfehle Besitzern von mobilen Apfelgeräten die App „Streichelzoo“ sowie diesen und allen anderen das Buch „Abstract City“, in deutscher Sprache beim Knesebeck Verlag erschienen. Köstlich.
Was man aber auch sehr gut machen kann: ins Helms-Museum nach Harburg fahren. Da war ich gestern im Rahmen der Veranstaltung #Ausgegraben – Social Media Abend zur Sonderausstellung „Ausgegraben. Harburg archäologisch.“ Zum ersten Mal und angemessen beeindruckt, sowohl von Gebäude, Ausstellungspräsentation als auch von den anwesenden Mitarbeitern. Nun werde ich beizeiten das restliche Museumsangebot nachholen müssen – klassischer Fall von angefixt!
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