Theater, Theater: „Lungs“ im Old Vic

Ich bin in London! Im Theater! Also, quasi.

Immerhin, Claire Foy und Matt Smith stehen zu einem festgelegten Zeitpunkt gemeinsam und live auf der Bühne des Old Vic und mir ist es wundersamerweise gelungen, ein Ticket für die Premiere zu ergattern. „Lungs“ gefällt mir sehr gut und ich hätte wohl keine Gelegenheit bekommen, dieses Stück zu sehen, wäre es eine reguläre Vorstellung gewesen. Wohl nur in der „In Camera“-Version hat die „Socially distanced“-Inszenierung so gut funktionieren können: Auf Foy und Smith konzentriert sich je eine Kamera und alle Szenen, in denen sich die beiden eigentlich nahe bis sehr nahe hätten kommen müssen, werden als Splitscreen-Komposition zusammengeschnitten. Dazu ein erhöhtes Tempo und fertig ist die nahezu perfekte Illusion.

Für einen substantiellen Abzug in der B-Note sorgt jedoch das Werkzeug, nämlich die Übertragung per Zoom. Die Bildqualität kann man höchstens als mäßig bezeichnen, Bild und Ton sind zeitweise nicht synchron und diversen Facebook-Kommentaren zufolge haben nicht wenige Ticketinhaber mit erheblichen technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Alle Kameras und Mikros der Zuschauer sind verständlicherweise deaktiviert, bleiben es aber auch nach Ende des Stücks. Simuliert man im Vorlauf noch mit Gemurmel, Geklingel und Ansagen Theateratmosphäre, wird das Publikum unmittelbar nach dem Abspann kurzerhand aus dem Meeting geworfen. Die Euphorie verpufft. Der Applaus kann nirgendwohin. Die Illusion ist zerstört.

Es ist Freitag Abend und ich sitze nicht im Londoner Old Vic, sondern auf meinem Sofa in Barmbek. Ich werde nicht das Theater verlassen, zum Themseufer und über die Golden Jubilee Bridge zur Haltestelle Embankment schlendern, mit der Tube zu meinem Quartier fahren und am nächsten Tag die Entdeckung meiner Lieblingsstadt in einem anderen Viertel fortsetzen. Ich kann nicht einmal sicher sein, ob das Old Vic oder irgend eines der anderen Theater noch existiert, wenn ich das nächste Mal in London bin. Wann immer das sein wird.

Keine schöne Vorstellung.

The Show must go online (11)

Schnellen Schrittes geht es auf Mittsommer zu. Höchste Zeit, sich dem Thema Festivals zu widmen.

Die bekanntermaßen bis Ende August größenteils nicht in gewohnter Form stattfinden können – den neuesten Meldungen zufolge sogar bis Ende Oktober nicht.

In ungewohnter Form, nämlich bei ARTE und online, geht daher an kommenden Wochenende das Hurricane an den Start.

Bereits am 9. Juni hatte das Team des Schleswig-Holstein Musik Festivals den „Sommer der Möglichkeiten“ ausgerufen. Auch hier ist ein Mix aus TV- und Radioübertragungen, Onlineangeboten sowie – sofern möglich – einzelnen Live-Konzerten geplant. Das Eröffnungsfest wird am 5. Juli 2020 auf 3sat (20:15 Uhr) und NDR Kultur (20:05 Uhr) übertragen. Daniel Hope wird ebenfalls wieder dabei sein – „Hope@Home“ ist mittlerweile „on Tour“ gegangen. Was mich in diesem Zusammenhang besonders freut: Auch Klarinettist und Jazzpianist Ilja Ruf zählt zu den Gästen des Lübeck-Musikfests. Sein erfolgreicher Auftritt beim Auswahlkonzert für den „Steinway Förderpreis Jazz“ im November 2017 hatte mich nachhaltig beeindruckt. Nicht zuletzt deshalb, weil Ruf dieses im zarten Alter von gerade einmal 16 Jahren und einer beneidenswerten Souveränität bestritt.

Der NDR hat in der Zwischenzeit einen weiteren Aktionstag ausgerufen: Unter dem Stichwort „Kultur trotz Corona – Der Festivalsommer“ zeigt das NDR-Fernsehen vom 20. auf den 21. Juni 2020 eine lange Nacht der Festivals. Auf NDR.de wird dazu am 19., 20. und 21. Juni 2020 jeweils ab 14 Uhr Archivmaterial gestreamt. Das Thema Festival bleibt über das Aktionswochenende hinaus bis in den September auf NDR.de präsent.

Kein Festival, aber zweifelsohne eine Besonderheit unter den Corona-Livestreams wird das „Concierto para el Bioceno“ werden, welches am 22. Juni 2020 ab 17 Uhr auf dem YouTube-Kanal von des Gran Teatre del Liceu in Barcelona verfolgt werden kann. Das Konzert wird nämlich vor rund 2.300 Topfpflanzen aufgeführt, die anschließend als Dankeschön an Beschäftigte des Gesundheitswesens gespendet werden. Auf dem Programm steht das Streichquartett „Crisantemi“ von Giacomo Puccini. Mein aus Heimarbeitsgründen aus dem Büro evakuierter Ficus und ich gucken bestimmt mal rein.

The Show must go online (10)

Hatte ich eigentlich erwähnt, dass die „Harry Potter“-Vorstellung in London, für die ich eine Karte hatte, inzwischen abgesagt wurden? Nein? Immerhin war das Geld in Rekordzeit zurück auf meinem Kreditkartenkonto. Den Hauptteil davon habe ich eh längst in die britische Theaterlandschaft reinvestiert – passt also. Mit den Philharmonikern bin ich ebenfalls quitt – das war vorbildlich! -, aber auf die Erstattungen der Elbphilharmonie warte ich noch immer und von Ticketmaster fange ich besser gar nicht erst an.

Indes fordert die anhaltende Veranstaltungsmisere die ersten Opfer in Hamburg: Die Theaterkasse Schumacher, älteste Vorverkaufsstelle der Hansestadt, wird im 117. Jahr ihres Bestehens das „Geschäftsfeld ‚Vermittlung und Verkauf von Eintrittskarten‘ ab dem 30. Juni 2020 weitestgehend einstellen.“

Aber es gibt auch hoffnungsfrohe Nachrichten. Die Initiatoren von „Keiner kommt – alle machen mit“ legen nach: „Eine(r) kommt, alle machen mit“ soll „ein Ständchen für die Helfer*innen werden“ und kommt am 18. Juni 2020 als Streaming-Live-Show aus der Elbphilharmonie, zu sehen unter anderem beim Stern, der Mopo und auf hamburg.de.

Die Hamburger Symphoniker haben sich derweil Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ vorgenommen und präsentieren unter dem Titel „Die liebe Erde allüberall“ zwischen dem 20. und 28. Juni 2020 an sechs Abenden auf www.symphonikerhamburg.de musikalische Collagen live aus der Laeiszhalle, flankiert von philosophisch-poetischen Kommentaren, Videokunst und einer durch künstliche Intelligenz geschaffenen Bildwelt. Am letzten Abend wird „Das Lied von der Erde“ selbst aufgeführt – coronagerecht von 16 Musikern in der Kammerorchesterfassung von Schönberg/Riehn. Zu den musikalischen Gästen zählen unter anderem Martha Argerich und Andrei Ioniță.

Auch für den Fall, dass der eine oder die andere genervt mit den Augen rollt, aber ich muss an dieser Stelle noch ein weiteres Mal die Werbetrommel für National Theater at home rühren. Vorgestern wurden die vorerst letzten fünf Termine angekündigt, darunter auch „A Midsummer Night’s Dream“ in einer Produktion des Bridge Theatre mit Gwendoline Christie als Titania. Ich hatte letztes Jahr bereits im Rahmen der Reihe „English Theatre“ im Savoy das Vergnügen und kann die Inszenierung daher aus voller Überzeugung empfehlen. Wer sich von euch für (englisches) Theater, Shakespeare im Allgemeinen, den „Sommernachtstraum“ im Speziellen oder Gwendoline Christie interessiert (Mehrfachnennungen möglich): unbedingt anschauen! Wer sich in dieser Auflistung nicht wiedergefunden haben sollte, aber einigermaßen der englischen Sprache mächtig ist: Guckt einfach mal rein und ihr versteht vielleicht, warum ich von dem Thema nicht lassen kann. Die Premiere ist am 25. Juni 2020 um 20.00 Uhr (MESZ) und der Stream danach noch für eine Woche auf dem YouTube-Kanal des National Theatre abrufbar.

Aus Folge 9 dieser Serie möchte ich noch nachtragen, dass Mark Haddon das Reh (den Hirsch?) in seiner Graphic Short Story „Social Distance“ definitiv nicht als Patronus gedacht hat. Das war meine Phantasie, nicht seine. Ich habe es aus erster Hand: Er schrieb mir auf Twitter. Ein Grund, warum ich das liebe, was man gemeinhin Social Media nennt (und immer fleißig die Blogbeiträge in den diversen Kanälen verlinke).

Extrablatt!

Für die, die es noch nicht mitbekommen haben: Igor Levit spielt heute Nachmittag ab 14 Uhr Erik Saties „Vexations“. Nicht in seinem Wohnzimmer, sondern im Berliner b-sharp Studio. Die Besonderheit: Das Stück dauert etwa 20 Stunden. Der Pianist will mit der Aufführung auf die Notlage von Künstlerinnen und Künstlern in der Corona-Pandemie aufmerksam machen. Zu sehen ist der Livestream unter anderem auf Levits Twitter– und Instagam-Kanal, aber auch bei The Gilmore und The New Yorker.

Kurz nach Erscheinen des letzten Beitrags wurde das Programm der diesjährigen BBC Proms angekündigt. Es wird in der Hauptsache aus der Sendung von (Radio-)Archivmaterial mit Zuhörerbeteiligung bestehen. Auf BBC Four und über den BBC iPlayer kommen ausgewählte Fernsehaufzeichnungen hinzu und ab dem 28. August 2020 soll es Livekonzerte in der Royal Albert Hall geben. Zum Termin der First Night wird online ein eigens kommissioniertes Mash-up aus Beethovens Sinfonien aufgeführt und zwar gemeinsam von allen BBC-Orchestern und -Chören, als „Grand Virtual Orchestra“. „Not the Proms as we know them, the Proms as we need them“, heißt es in der Pressemeldung. Für die Briten mag das funktionieren; Auswärtige ohne BBC-Lizenz werden dagegen wohl leider auf das Bild- und Onlinematerial verzichten müssen. (Irgendwas mit „Splendid Isolation“.)

Ganz anders das Konzept von TV Noir. Durch Ticketverkäufe im Rahmen der Reihe „Aus meinem Wohnzimmer“ waren über 55.000 Euro zusammengekommen. Woraufhin das Team beschloss: Die frei zugänglichen Livestreams auf YouTube und Facebook gehen weiter, kommen aber künftig in bester Bild- und Tonqualität aus dem TV Noir-Hauptquartier.

Mit den Corona-Folgen für Kulturschaffende, aber auch mit kreativen Wegen aus der Krise beschäftigt sich seit gestern übrigens auch ein neuer Podcast beim NDR: „Kultur trotz Corona“, eine Audio-Aufzeichnung im Stil einer Radiosendung, soll wöchentlich freitags um 9.00 Uhr erscheinen. Wer es klassischer mag: Das Format wird außerdem jeden Freitag um 18:30 Uhr auf NDR Kultur gesendet.

The Show must go online (9)

Allen Lockerungen zum Trotze: Die Kontaktbeschränkungen wurden verlängert und die Kultur steht weiterhin mehrheitlich auf „Pause“. Dennoch hat diese Woche unter der Tagline „Vorfreude klang nie schöner“ der Vorverkauf zur nächsten Elphi-Spielzeit begonnen – der Tradition folgend zunächst mit einem Zusammenbruch des Online-Buchungssystems.

Deutlich unschöner ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass Konzert- und Theaterkassen dieses Mal keine Kartenkontingente für Veranstaltungen der HamburgMusik gGmbH und der Konzertdirektion Dr. Rudolf Goette (ProArte) erhalten haben. Bei allem Verständnis für die nachvollziehbaren Gründe dieser Aktion – bessere Kontrolle des Kartenverkaufs beziehungsweise einer gegebenenfalls notwendigen Rückabwicklung, Einführung des „Bestelle jetzt, zahle erst dann, wenn sicher ist, dass das Konzert auch stattfindet“-Prinzips (zumindest bei der HamburgMusik gGmbH) – wird da ein Glied der kulturellen Nahrungskette im Stich gelassen, das zweifelsohne ebenfalls schwer unter den Folgen der Krise zu leiden hat. Mir tut es insbesondere für die Theaterkasse Schumacher leid, die mir mit ihrem Elphi-Sondernewsletter und dem dazugehörigen Service in der Vergangenheit mehrfach Zutritt zu eigentlich längst ausverkauften Veranstaltungen verschaffen konnte. Vollkommen legal, versteht sich. Ab jetzt und bis auf Weiteres keine Selbstverständlichkeit mehr.

So oder so, das Spielzeitprogramm ist Zukunftsmusik im Wortsinne. Mit hohem Unsicherheitsfaktor.

Zurück zum hier und jetzt.

Die #1to1concerts erwähnte ich bereits in Folge 7 dieser Reihe und hoffte schon damals auf Nachahmer. Und siehe da: Berlin, Dresden, Marbach und Erfurt haben sich mittlerweile angeschlossen und zwar mit der Staatskapelle Dresden, der Dresdner Philharmonie, dem Philharmonischen Orchester Erfurt und in Berlin mit einem Musikerteam aus verschiedenen Ensembles. Wann kommt Hamburg?

Wobei die Hamburger Orchester keineswegs untätig sind. So spielen Musiker des Philharmonischen Staatsorchesters beispielsweise im Rahmen des Formats „Philharmoniker to go“ für Menschen in Senioren- und Pflegeeinrichtungen. Umsonst, draußen und selbstverständlich unter Einhaltung der Abstandsregeln.

Übrigens, Stichwort Hamburg, ich habe da eine Streamingreihe übersehen und gar keine kleine: die Corona-Konzerte des Hamburger Abendblatts nämlich. Das ist mir ein bisschen peinlich. Dankenswerterweise sind alle Folgen noch bei YouTube abrufbar.

Eine anderes Streamingangebot kam an dieser Stelle dagegen schon mehrfach zu Ehren: National Theatre at home. Das ist nicht ohne Grund die Initiative, für die ich bisher am fleißigsten gespendet habe. Die Summen, die da aus aller Welt jeweils zusammenkommen, sind teilweise ganz ordentlich, aber natürlich bei weitem nicht ausreichend, um den Laden dauerhaft über Wasser zu halten. In Großbritannien schießen inzwischen auch die ganz renommierten Institutionen rot, darunter Royal Albert Hall, National Theatre, Royal Shakespeare Company und Royal Opera House. Alles Häuser und Ensembles, die anders als vergleichbare Einrichtungen in Deutschland keine regelmäßigen Subventionen der öffentlichen Hand erhalten. Nicht nur angesichts des politischen Vollchaos, was momentan jenseits des Ärmelkanals tobt, wird das Unvorstellbare allmählich erschreckend wahrscheinlich: „If this goes on much longer, it’s hard to imagine any theatre surviving“.

Auch das Old Vic gehört zu den gefährdeten Stätten und reagiert mit einem eigenen Format namens „in Camera“. 1.000 Tickets zu Preisen zwischen £10 und £65 sollen je Vorstellung erhältlich sein. Das erste Stück der Reihe, „Lungs“ mit Claire Foy und Matt Smith, wird dazu in einer „Socially distanced“-Version vor leerem Saal aufgeführt.

Aus dem „Guardian“ habe ich noch eine Graphic Short Story von Mark Haddon („Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“) aufgepickt: „Social Distance“. Wahrscheinlich ist das da in der Geschichte gar kein Reh (oder Hirsch), sondern ein Patronus.

Eine Vermutung, die mich direkt zu J. K. Rowling bringt: Die „Harry  Potter“-Autorin veröffentlicht ab 26. Mai 2020 ihr neues Kinderbuch „The Ickabog“ kapitelweise im Internet, noch vor dem offiziellen Erscheinungstermin im November. Parallel dazu läuft eine „Illustration Competition“ für Kinder im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren. Einige der ersten auf Twitter gezeigten Beiträge sehen vielversprechend aus!

The Show must go online (8)

Mir geht allmählich die Puste aus. Keine Sorge, nicht generell – wenn man von der situationsbedingt schwankenden Tagesform einmal absieht. Sehr wohl aber, was diese Serie angeht. Heute daher nur ein paar Kleinigkeiten.

Gestern fand „Keiner kommt – alle machen mit“ nicht statt. Ich erwähnte das Soli-Festival vor rund sieben Wochen im ersten Teil. Heute wurde die Spendensumme veröffentlicht:

Starkes Ergebnis. Schönster Tweet übrigens dazu von der HOCHBAHN: „Keiner kommt und wir bringen Euch auch nicht hin.“

Ich habe an dieser Stelle eine Livestream-Reihe unterschlagen, die nach über dreißig Episoden mittlerweile eingestellt wurde: Hope@Home bei ARTE Concert. Dafür gab es keinen besonderen Grund. Außer vielleicht, dass Daniel Hope meiner Werbung nicht bedurft hätte – die Wohnzimmerkonzerte waren ein durchschlagender Erfolg mit Zuschauern und -hörern rund um den Erdball. Im britischen Guardian erzählt Hope die Entstehungsgeschichte. Meine Lieblingsfolgen: Episode 20 mit Sir Simon Rattle und Magdalena Kožená und die finale Episode mit Max Richter und Joy Denalane. Alle Videos sind zur Zeit noch abrufbar.

Museen und Gedenkstätten dürfen mittlerweile wieder Besucher empfangen, auch in Hamburg. In einigen Bundesländern gilt das auch für Kinos und zumindest in Sachsen sollen ab dem 15. Mai 2020 auch Theater, Opern- und Konzerthäuser wieder öffnen können. Allerorten wird noch nach praktischen Lösungen gesucht, wie sich die geltenden Hygieneregeln umsetzen lassen. So lassen die Bamberger Symphoniker beispielsweise den Aerosolausstoß von Holz- und Blechblasinstrumenten untersuchen.

Wo ich übrigens komplett raus bin: Autokino/-konzerte/-diskos und dergleichen mehr. Nicht nur, weil ich kein Auto besitze und seit Jahren auch keines mehr gefahren bin. Die Vorstellung erscheint mir atmosphärisch schlicht unschön. Da sitze ich doch lieber allein vorm Fernseher. Für die Künstler mag sich das dagegen anders darstellen: Vor einer Reihe hupender Blechkisten zu spielen ist wahrscheinlich besser als gar kein (sichtbares) Publikum zu haben.

The Show must go online (7)

Elbphilharmonie und Laeiszhalle haben verlängert: Bis wenigstens 31. August 2020 wird es keine Konzerte geben. Damit fällt auch der diesjährige Elbphilharmonie Sommer flach. Keine Überraschung mehr – nichtsdestotrotz frustrierend. Die Programmvorstellung der Spielzeit 2020/21 sollte Mut und Hoffnung machen, so Intendant Christoph Lieben-Seutter. Fürs erste wohl nicht mehr als das, denn niemand weiß, ob und wie es ab September weitergehen kann. Was natürlich bei weitem nicht nur für diese beiden Spielstätten gilt…

Auch das New Bedford Whaling Museum musste umdisponieren: Der diesjährige „Moby-Dick Marathon“ findet online statt. Die ersten 14 Episoden stammen aus dem Archiv, ab Episode 15 lesen zufällig ausgewählte Freiwillige in ihren jeweiligen vier Wänden.

Ebenfalls ins Netz verlegt wurde das Berliner Theatertreffen, inklusive einer Grundsatzdebatte über Sinn und Unsinn des Streamens von Theaterproduktionen. Das Theatertreffen ist eine Veranstaltung, die mich unter normalen Umständen nicht sonderlich interessierte. Aber jetzt, wo ich es kann, zappe ich höchstwahrscheinlich mal rein – soweit mein Diskussionsbeitrag zum Thema „Stoppt das Streaming!“. Die sechs Stücke sind jeweils nur für 24 Stunden „on Demand“ verfügbar. Mit Ausnahme des Bochumer „Hamlet“, den es noch bis Ende Juli in der ZDF Mediathek im Rahmen der Reihe „Starke Stücke“ zu sehen gibt.

Ganz anderes Genre: Die (Corona-)Zeichnungen von Chaz Hutton sind sicher dem einen oder der anderen bekannt. Nein? Auch nicht diese? Ich mag ja auch den hier. Und ganz besonders den. Bislang fehlt die neue Kategorie im Shop. Mal sehen, wie lange noch.

Zur Musik.

Überwiegend eher nicht meine Baustelle, aber wem es gefällt: Die Telekom organisiert zusammen mit Rolling Stone, Musikexpress und Metall Hammer #DaheimDabei-Konzerte mit Künstlern wie Sasha, Doro, Rage, Nik West, Eric Fish und Gavin Rossdale, gestreamt auf der Plattform MagentaMusik 360. Dort ist übrigens noch immer das Geisterkonzert von James Blunt in der Elbphilharmonie abrufbar. Am 11. März war das, quasi zwei Minuten vor dem Lockdown, in der Woche, in der es endgültig Ernst wurde. „Kein Fan von @JamesBlunt, aber schwer beeindruckt davon, wie der Mann das gerade durchzieht vor leerem Haus. Vollprofi. Respekt“, twitterte ich an jenem Abend. Gilt noch.

Deutlich ein paar Nummern kleiner, dafür persönlicher: Bei den SofaConcerts kann man personalisierte Musikbotschaften und Live-Musik per Videochat buchen.

Noch viel persönlicher weil wahrhaftig live sind die 1:1 Concerts mit Mitgliedern des SWR Symphonieorchesters, des Staatsorchesters Stuttgart und der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart. Ein verständlicherweise regional stark begrenztes Angebot. Aber vielleicht finden sich ja Nachahmer.

Apropos wahrhaftige Livemusik, es soll in Hamburg Straßenzüge geben, in denen regelmäßig (semi-)professionelle Balkonkonzerte stattfinden. Nur liegt das mir bekannte Beispiel dummerweise in einer Wohngegend weit jenseits meiner Preisklasse. (Ja, ich bin neidisch!)

Einen habe ich noch (via Alex Ross): Katzenmusik im Wortsinne. Der zieht euch die Schuhe aus. Versprochen.

Hätte, hätte, Infektionskette

Eigentlich wär ich jetzt gerade nicht in Hamburg, sondern auf der Ostsee. Das übliche „Statt Postkarte“-Foto entfällt aus sattsam bekannten Gründen. Aber nicht ersatzlos! Ich biete ein 1A-Symbolbild aus dem nahegelegenen Stadtpark, die Bildunterschrift: „Vandalismus in Zeiten von Corona“. Adam und seine ähnlich verunstaltete Eva (Oskar Ulmer, 1933) wurden mittlerweile wieder gereinigt. Sie sind Kummer gewohnt: „Verzierungen“ kommen mehrfach im Jahr vor, werden aber normalerweise unterhalb der Gürtellinie platziert. Bei Eva gerne auch in Brusthöhe.

Wo ich schon dabei bin, kann ich auch schnell noch zwei neue Lieblings-Splitscreen-Performances und einen Klassiker beisteuern.

Da sind zum einen Manu Delago und Douglas Dare mit „Wherever you are“, aufgenommen im Rahmen des „Sea Change 2020„. Das komplette Festival wurde ins Netz verlegt und ich glaube beinahe, ich muss da nochmal stöbern.

Via Kiki. Vierunddreißig Jahre. Puh. Die Extended Version ist eine der wenigen von mir erworbenen Maxi-Singles aus dieser Zeit, die sich bis heute in meinem Besitz befinden.

Ja, ich weiß: uralt (2009)! Und gar nix mit Corona! Aber hebt zuverlässig die Laune und meine hat es gerade nötig.

Interludium: Weltpremiere bei TV Noir

So geschehen im Rahmen der Reihe „Aus meinem Wohnzimmer“.

Das Bodo Wartke-Konzert in der Laeiszhalle ist von letzter Woche auf Februar 2021 verschoben worden. Ich habe die Karte behalten – Ehrensache! – und freue mich drauf. Sehr.

(Pandemie-Flötensolo.)

The Show must go online (6)

In Hamburg treten diese Woche die ersten Lockerungen nach dem coronabedingten Shutdown in Kraft. Die Kultur ist dabei noch nicht berücksichtigt, wenn man einmal von der schrittweisen Öffnung von Buchhandlungen und Bibliotheken absieht. Ich lasse mich gerne positiv überraschen, aber nach dem aktuellen Stand der Dinge glaube ich nicht, dass die Spielzeit 2020/21 regulär starten kann.

Ich habe hier schon einige Theater-Tipps verteilt, allerdings bisher ausschließlich Auswärtiges. Auf Wunsch eines einzelnen Herrn (quasi Leserbrief! Toll!) weise ich auf die gestreamte „Effi Briest“ des Deutschen SchauSpielhauses hin, die soll nämlich super sein. Damit es keinen Ärger gibt: Das Thalia Theater streamt auch.

Stichwort Streaming: Netflix hat verschiedene Dokumentationen bei YouTube eingestellt, darunter die überaus empfehlenswerte Serie „Abstract: The Art of Design“. Lieblingsfolgen bisher: Christoph Niemann („Illustration“), Paula Scher („Graphic Design“), Platon („Photography“).

Schnitt.

Dass social-media-aktive Museen sich auf Twitter gegenseitig herausfordern, ist nicht unbedingt ein Lockdown-Phänomen. Dennoch sei an dieser Stelle der vom Yorkshire Museum angestoßene #curatorbattle der vergangenen Woche zum Thema #CreepiestObject erwähnt. Mein Favorit ist der Beitrag des York Castle Museums„STEP ASIDE ALL.“. Das Deutsche Historische Museum steuerte übrigens eine Pesthaube bei. Zweifelsohne creepy, aber in Zeiten wie diesen vielleicht etwas phantasielos.

Zurück nach Hamburg. Eigentlich hätte in Hamburg am 25. April 2020 die Lange Nacht der Museen stattfinden sollen. Abgesagt, wie alles übrige. Aber nun wieder „Angesagt“, und zwar digital auf YouTube und Facebook: Ab 18 Uhr geht es los.

Ich erwähnte in der vorletzten Folge die Auswirkungen des Lockdown auf freischaffende Musiker, insbesondere in Großbritannien. Wem der Begriff „Auswirkungen“ zu abstrakt ist: Die New York Times beschreibt diese sehr anschaulich am Beispiel des Tesla Quartets.

Nicht nur junge, aufstrebende Musiker sind betroffen, auch sehr etablierte Ensembles kämpfen ums nackte Überleben. So veröffentlichte das Mahler Chamber Orchestra unlängst einen Spendenaufruf: „Our situation is critical. Help us to #KeepPlaying.“

In Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche Initiativen zur Unterstützung freischaffender (Orchester-)Musiker, so zum Beispiel den Elbphilharmonie Hilfsfonds sowie Spendenaktionen der Deutschen Orchester- und der Hamburgischen Kulturstiftung. Unterstützen kann man auch dadurch, indem man auf Ticketerstattungen verzichtet. Das geht beispielsweise bei der Elbphilharmonie und den Hamburger Philharmonikern ganz einfach per Onlineformular.

Theoretisch bieten auch Ticketverkäufer solche Formulare zur Rückerstattung an. Nur praktisch funktioniert das leider nicht immer. Mich hat sehr beeindruckt, wie schnell und umfassend ich von Künstlern, Veranstaltern und Händlern über Ausfälle, Verschiebungen und Rückerstattungsmodalitäten informiert worden bin. Diese Regel wird durch eine unrühmliche Ausnahme bestätigt: Ticketmaster. Das scheint eine größere Baustelle zu sein. Jedenfalls bekommt der Laden von mir vorerst kein Geld mehr.

Zurück zur Musik. Das von Teodor Currentzis gegründete Ensemble musicAeterna hat den Start einer eigenen digitalen Plattform zum 23. April 2020 angekündigt, unter anderem auf Facebook und mit diesen Worten:

What is it going to be? A concert hall? A study room? An online encyclopedia? First and foremost, it will be our community.

Ich bin sehr gespannt.