In Concert: Das Kaiser Quartett im Golem

Wenn ich nun erzähle, dass ich vorgestern Abend im Golem war und dort Stücke unter anderem von Giorgio Moroder, Daft Punk, Chilly Gonzales und Depeche Mode hörte, dass Valeska Steiner von BOY als Gastmusikerin auftrat und zur Zugabe der schöne Satz „Das ist mir zu tonal, Alter!“ fiel, kommt man vielleicht nicht zwingend darauf, dass da ein Streichquartett sein erstes Soloprogramm vorstellte.

Das Kaiser Quartett ist allerdings kein gewöhnlicher Vertreter seiner Art. Vor zwölf Jahren als Studioensemble gegründet, wurde es einem breiteren Publikum durch zahlreiche Auftritte an der Seite von Chilly Gonzales bekannt. Und so hatte ich die Jungs zuvor schon dreimal live gehört: Als Teil der musikalischen Untermalung von „The Shadow“, im Rahmen der „Chambers“-Tour in der ausverkauften Laeiszhalle und zusammen mit Jarvis Cocker in der „Work in Progress“-Variante des Projekts „ROOM 29“, das im März 2017 offiziell Premiere feiern wird.

Am Samstag wurde bewiesen: Solo zu viert können sie auch! Das war nicht nur musikalisch fein, sondern darüber hinaus auch sehr unterhaltsam, und vielleicht sage ich ja irgendwann: „Ich kannte sie schon, als sie noch in kleinen Clubs an der Elbe…“

Ding Dong Merrily on High

Vor einigen Jahren beschrieb Maximilian „Tippeditipp“ Buddenbohm die Entstehungsgeschichte der familieneigenen Weihnachtsplaylist. Wenn ich mich richtig erinnere, handelte es sich bei der kunterbunten, inzwischen auf stattliche rund 5 Stunden Länge angewachsenen Sammlung ursprünglich um einen Kompromiss, da die Musikgeschmäcker im Hause Buddenbohm recht verschieden sind. Bedauerlicherweise erschien der Text seinerzeit nicht in den Herzdamengeschichten, sondern aushäusig und ist mittlerweile nicht mehr online. Oder, wie es der Autor auf Nachfrage formulierte: „Den haben die Möbelschweden versenkt.“ Gar nicht mal so nett von den Möbelschweden.

Bezüglich meiner eigenen Liste erinnere ich keinen speziellen Entstehungsanlass. Es ist eine organisch gewachsene „Best of Weihnachten plus X“, deren harter Kern seit Jahren unberührt ist. Mal kommt ein Stück hinzu, mal fliegt eines raus; aber im Prinzip steht das Gerüst.

Das Intro bildet kurioserweise ein Dreikönigs-Song, nämlich „A Long Way Around the Sea“ von Low. Ich habe mehrfach versucht, das Stück chronologisch korrekt ans Ende der Liste zu schieben. Es funktioniert nicht, es ist einfach das Intro der Weihnachtsliste, punktum. Schließlich ist nach Dreikönig auch irgendwie vor Weihnachten und im Rest der Liste wird auch kein Unterschied zwischen Advent und Christi Geburt gemacht. Man will schließlich nicht päpstlicher als der Papst sein. Allerdings ist die Intro-Idee als solche zugegebenermaßen geklaut, und zwar bei der sehr schönen Kompilation „Seasonal Greetings“ von Mobilé Records aus dem Jahre 2002. Auf dieser ist auch die einzige Version von „Last Christmas“ enthalten, die ich erträglich finde: Erlend Øye macht tatsächlich ein völlig neues Stück aus diesem schlimmsten aller weihnachtsmusikalischen Folterinstrumente.

Es folgt eine Zusammenstellung von persönlichen Lieblingsstücken aus Nils Landgrens „Christmas With My Friends“ (Vol. I bis III), allen voran das zauberhafte „In Dulce Jubilo“ von Bugge Wesseltoft. Ich erfreue mich jedes Jahr wieder aufs Neue an der Art, wie Sängerin Ida Sand bei „Ding Dong Merrily on High“ das „In Excelsis Deo“ intoniert. Very cute & very Swedish. Den Abschluß der besinnlichen Runde bildet eine Version von „Maria durch ein Dornwald ging“ von Edgar Knecht, die ich irgendwann eines Abends im Frühling (sic!) bei N-JOY Abstrait entdeckte.

Der zweite Bogen beginnt mit der unvermeidlichen „Overture“ aus „The Muppets Christmas Carol“. Diese bereitet den Boden für Jona Lewie – hat der eigentlich noch etwas anderes gesungen als „Stop the Cavalry“? -, dem Vince Guaraldi Trio, Eartha Kitt, Frank Sinatra und Nat King Cole.

Aus einer alten Winterliste haben sich fürderhin vier Stücke aus den Soundtracks zu „Kitchen Stories“ und „O’Horten“ eingemogelt. In beiden Filmen kommt viel Schnee und Eis vor, von daher passt das.

Und dann sind es eben vier Perlen aus der Buddenbohm-Weihnachtsplaylist, die sich problemlos integrieren ließen: „The Christmas Waltz“ von She & Him, „Fairy Tale of New York“ von den Pogues, „Baby, It’s Cold Outside“ von Willie Nelson & Norah Jones und das wundervolle „On Christmas Day“ von Dido.

Den Schluss bilden Till Brönner mit „Auld Lang Syne“ und „All I Want for Christmas Is New Year’s Day“ von Hurts, denn wegen zweier Songs zum Jahreswechsel muss man nun wirklich kein eigenes Fass aufmachen.

Wonach ich schon seit einiger Zeit suche: Eine Version von „All I Want for Christmas Is You“, bei der ich keine Zahnschmerzen bekomme (Mariah Carey) und die nicht zu schmalzig ist (Michael Bublé). Eine Zeitlang hatte ich eine Interpretation von Lady Antebellum im Blick, die sich aber als dauerhafte Lösung nicht bewährte. Falls jemand einen Vorschlag hat: immer her damit!

Darüber hinaus geht immer „It’s Snowing on My Piano“ von Bugge Wesseltoft. Oder zur Abwechslung mal das komplette „A Charlie Brown Christmas“-Album vom Vince Guaraldi Trio. Und wenn es einer dieser hellen, raufreifigen, frostigen Tagen ist, kommt „Star Is Just a Sun“ oder „Come Up for Air“ von The White Birch auf die Ohren. Funktioniert tatsächlich am besten bei kaltem, weißem Wetter.

So. Zeit für die Weihnachtsdeko. Ich wünsche einen schönen ersten Advent!

Theater, Theater: Der Schimmelreiter im Thalia

„Erzählt, erzählt nur, Schulmeister“, riefen ein paar der jüngeren aus der Gesellschaft.

„Nun freilich“, sagte der Alte, sich zu mir wendend, „will ich gern zu Willen sein; aber es ist viel Aberglaube dazwischen und eine Kunst, es ohne diesen zu erzählen.“

„Ich muß Euch bitten, den nicht auszulassen“, erwiderte ich; „traut mir nur zu, daß ich schon selbst die Spreu vom Weizen sondern werde!“

Theodor Storm: Der Schimmelreiter

Das Theater und ich, wir sind bisher nicht so recht warm geworden miteinander. Insbesondere, wenn es um zeitgenössische Inszenierungen und Formate geht. Wie ich neulich bei einer lebhaften Facebook-Diskussion über die von Jette Steckel inszenierte „Zauberflöte“ lernte, kann man das, mit dem ich in der Hauptsache fremdele, unter dem Begriff „Regietheater“ zusammenfassen.

Da nimmt also ein Regisseur ein Stück bzw. einen Stoff, transportiert ihn in einen anderen Zeitrahmen oder Zusammenhang und baut eigene Elemente ein. Im Falle der „Zauberflöte“ hinterließ mich das mit großen Fragezeichen, denn da tauchten Dinge auf, die sich meines Erachtens in keiner Weise mit der im Libretto erzählten Geschichte in Einklang bringen ließen. Was mich zu der Frage brachte: Wenn jemand eine neue/andere Geschichte erzählen will, warum gibt er nicht einfach ein neues Stück oder eine neue Oper in Auftrag? Oder: Warum heißt es dann „Wolfgang Amadeus Mozart: ‚Die Zauberflöte‘, Inszenierung: Jette Steckel“ und nicht „Jette Steckels ‚Zauberflöte'“? Das wäre für mich als unbelecktes Element jedenfalls deutlich übersichtlicher.

Ich mag außerdem keine Stücke, bei denen schauspielerische Leistung darin besteht, scheinbar zusammenhanglos herumzulaufen und zu schreien und in denen Blut, Sex, Exkremente, Gewalt und Nacktheit um ihrer selbst willen zum Einsatz kommen. Das mag für manche Menschen Theater sein, aber damit fange ich nichts an. Für mich ist das blanker Unsinn. Auf einem meiner neu entdeckten Lieblingssender, dem Deutschlandfunk, hörte ich unlängst zufällig die Sendung „Zwischentöne“, in der der Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier zu Gast war. Der nannte diese Art von Darstellung „Blut-und-Hoden-Theater“ und brachte überhaupt ziemlich genau auf den Punkt, was mich an solcherlei Ausprägungen dieser Kunstform so irritiert. Womit ich mich vermutlich als stockkonservativ oute, aber dazu stehe ich, zumindest in diesem Zusammenhang, uneingeschränkt.

Trotz dieser Voraussetzungen wagte ich mich also gestern ins Thalia zur Premiere des „Schimmelreiters“ unter der Regie von Johan Simons. Der, wie in seiner Biografie zu lesen ist, im Alter von 7 Jahren die Flutkatastrophe von 1953 miterlebte. Wie geht so jemand mit dem Schimmelreiter um?

Die Antwort: Erstaunlich puristisch. Der Deich war ein Deich, die Glocke eine Glocke und der (tote) Schimmel ein (toter) Schimmel. Eine halbe Stunde verging und immer noch passierte nichts Ungeheuerliches. Ich war beinahe ein bisschen enttäuscht, genoss dann aber bald, mich nur auf das Spiel konzentrieren zu können (Barbara Nüsse! Jens Harzer!), auf den zyklischen Aufbau und die feinen, aber signifikanten Änderungen an der Konstellation des Ensembles, gerade bei den Wiederholungen. Erst ganz zum Schluß gab es einen Ausfallschritt, den man als Bruch werten kann. Ich möchte ungern spoilern und daher nur sagen: Ich meine das nicht, weil sich da kurz vor Dunkeltuten tatsächlich noch jemand auszieht. An dieser Stelle war Nacktheit sehr schlüssig und wurde zudem durch geschickte Beleuchtung abstrahiert.

Das Publikum wirkte am Ende ermattet: Dafür, dass außer dem Schimmelreiter nichts passierte, war’s dann doch arg lang. Vielleicht hätte man etwas straffen können. Aber als (Wieder-)Einstiegsdroge war das alles gar nicht so verkehrt.

Nachtrag: Neben mir saß übrigens jemand, der sich hauptberuflich mit der Materie beschäftigt. Was er zum Stück zu sagen hatte, kann man im „Hamburger Abendblatt“ nachlesen. Aber Achtung: Spoiler!

Krückstockgefuchtel

Woran ich merke, dass ich allmählich alt bequem und unleidlich werde oder: Dinge, die ich bei Konzerten nicht mehr brauche.

  • Künstler/Bands, die das Publikum warten lassen. Zumal unter der Woche.
  • Wenn in Konzertsälen gequarzt wird, die nicht ausdrücklich Raucherclubs sind. Vor allem, wenn das Etablissement eigens Räumlichkeiten dafür ausweist.
  • Direkt ins Publikum gerichtete, grelle Lichteffekte. Wenn ich geblitzdingst werden will, frage ich die „Men in Black“.
  • Leute, die laut weiter sabbeln, wenn die Musik leise wird.
  • Muffliges Personal.
  • Garderobenschlangen, die kein Ende nehmen.
  • Grabscher und Zunahesteher.
  • Weißwein(-schorle) in Plastikbechern serviert zu bekommen.
  • Eklige Klos, in denen sämtliches Papier schon vor Konzertbeginn zur Neige geht.
  • Im eigenen Saft zu stehen, obwohl es nicht ausverkauft, es draußen kalt und die Musik nicht sonderlich schweißtreibend ist.
  • Dauernd das Smartphone des Nebenstehers im Gesicht zu haben, weil der während des Konzerts bei jedem einzelnen Song ein Selfie mit seiner Freundin machen muss.

Ich schätze, die Liste wird im Laufe der Jahre noch wachsen.

In Concert: Hundreds im Gruenspan

Ja, doch: Atmosphäre können sie. Projektionen, Lichteinsatz und Nebeleffekte waren perfekt auf die Musik abgestimmt, der Sound war makellos, und ja, ich mag den Hundreds-Sound. Diese Frau! Diese Stimme! Es ist schon ein Erlebnis, die Band live zu sehen und zu hören.

Was mich störte: das Übermaß an Perfektion, das aus den allermeisten der Songs taktgenau abgezirkelte Kunstwerke macht. So etwas lässt wenig Raum für Abweichungen und daher sogar Teile dessen vorproduziert klingen, was tatsächlich live auf der Bühne passierte.

Vielleicht bleibt es deswegen bei zwei Gruenspan-Konzerten. Aber vielleicht denke ich auch beim nächsten Mal wieder: „Das darfst Du nicht verpassen.“

In Concert: Wantu & The srie 4’s im Der Clochard

Als ich gestern Abend gegen 22:40 Uhr mit den Worten „famous first times“ meine Bier trinkende Anwesenheit im Clochard meldete, sorgte das unter meinen (Facebook-)Freunden für einige Überraschung – kaum verwunderlich, wenn man einen Blick auf die Kategorie „Musik & Konzerte“ wirft. Aber wenn man den Leadsänger und Gitarristen der aufspielenden Bonner Band schon seit über 16 Jahren kennt, den Bassisten beinahe ebenso lange und mit zwei Dritteln der Band schon im Rahmen des „St. Pauli Lauf gegen Rechts“ um die Alster getrabt ist, verpflichtet das zum Konzertbesuch. Da kann man nicht einfach zum parallel stattfindenden Überjazz Festival auf Kampnagel gehen: The Cinematic Orchestra! Ed Motta! GoGo Penguin! Weh & ach! Aber hilft ja nix. Nächstes Jahr.

Zurück zur gestrigen Örtlichkeit. Der Kulturschock beim Betreten des Etablissements hielt sich in Grenzen, waren doch sowohl meine Begleitung – sonst eher im Bereich Singer/Songwriter mit Schwerpunkt Island unterwegs – als auch ich entsprechend vorgewarnt worden. Dann trinkt man das Bier halt aus Flaschen, schaut möglichst nicht so genau auf den Fußboden, meidet die sanitären Anlagen und lüftet über Nacht die Klamotten auf dem Balkon aus. Was macht man nicht alles für alte Freunde. Und so viel schlimmer als das alte Molotow ist das Clochard nun auch wieder nicht.

Wir waren nicht die einzigen Neulinge vor Ort. Mindestens zwei Bandmitglieder sind sowohl eingefleischte St. Pauli-Fans als auch fleißige Twitterer und erfüllten sich zum 25. Bandjubiläum mit dem Auftritt an der Reeperbahn einen langgehegten Traum. Wir trafen daher auch auf Teile dessen, was ich „die St. Pauli-Abteilung meiner Twitter-Timeline“ nenne, und zusammen mit den üblichen Verdächtigen und sonstigen Kiezgängern ergab das ein herrlich buntes Publikum.

Wantu & The srie 4’s spielen Punkrock, und zwar die knackig-simple, kurzweilige Spaßversion. Das löste mehrheitlich wohlwollendes rhythmisches Kopfnicken aus und unter den Eingefleischten durchaus auch mehr als das. Insbesondere der Herr, der bei einem Lemmy Kilmister-Look-alike-Wettbewerb gute Chancen auf vordere Plätze gehabt hätte, reagierte enthusiastisch – dies umso mehr, als die Band ihm ein Motörhead-Cover widmete. Kurzum: Das war sehr, sehr lustig! Wir hatten Spaß.

Apropos St. Pauli: Falls dieses Mal aus dem „Das müssen wir ändern!“ wirklich Ernst werden sollte, berichte ich nächsten Sonntag an dieser Stelle von meinem ersten Besuch eines Heimspiels am Millerntor. Bleiben Sie dran!

So long, Mr. Cohen

Als Kind konnte ich meinen Namen nicht ausstehen. Es gab diverse Petras, Claudias und Kathrins in meiner Jahrgangsstufe, man hieß Beate, Christiane oder Nicole. Susannes waren dünner gesät. Tatsächlich blieb ich bis zur Oberstufe die einzige mit diesem Namen in meiner Umgebung.

Ich fühlte mich sowieso schon als Außenseiterin. Durch einen Wachstumsschub in der Grundschule überragte ich die Mehrheit meiner Klassenkameraden & -innen um Haupteslänge und wurde daher stets für älter gehalten, als ich war. Manch einer mutmaßte gar als Schlussfolgerung, ich sei „hängengeblieben“ – dabei gehörte ich zu den Jüngsten der Klasse.

Es ist bei alldem nicht hilfreich, den Namen Susanne zu tragen, wenn man zum Lispeln neigt. Und dann kam auch noch Otto.

Ich war also mit diesem Schicksal äußerst unzufrieden und hätte mir einen zweiten Vornamen gewünscht. Um die Wahl zu haben.

Das änderte sich, als ich zum ersten Mal „Suzanne“ von Leonard Cohen im Radio hörte. Ein Lied mit meinem Namen! Ich war fasziniert und schlagartig versöhnt und meine Zuneigung zu dem Song und zum Schöpfer desselben wuchs in dem Maße, wie ich nach und nach lernte, den Text zu verstehen.

So long, Mr. Cohen, und vielen Dank. Insbesondere für „Suzanne“.

Le Cinéma Abstrait mit Raphaël Marionneau im Meßmer Momentum

Aufführungen von „le cinéma abstrait“ in Hamburg sind leider selten. So ganz verstehen kann ich das nicht; meiner Meinung nach ist das mit das Beste, was Soundpilot Raphaël Marionneau in seinem musikalischen Portfolio hat.

Raphaël hat mittlerweile sechs Stummfilme neu vertont: „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ (1927), „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920), „Menschen am Sonntag“ (1930), „Metropolis“ (1927), „Der müde Tod“ (1921) und „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922). „Neu vertont“ bedeutet hier: In wochenlanger, mühsamer Kleinarbeit sucht er passende Musik zu jeder einzelnen Szene heraus und legt diese bei Aufführungen in Kinos und auf Festivals live auf.

Da kommt bisweilen eine Mischung heraus, die auf den ersten Blick zusammenführt, was nicht zusammengehört. In „Berlin – Sinfonie der Großstadt“ geben sich beispielsweise A Winged Victory for the Sullen, Philip Glass, Ulrich Schnauss, die Chemical Brothers, Pantha du Prince und Red Nichols die Klinke in die Hand. Aber das passt tatsächlich (alles!), und erneuert auf diese Weise den Blick auf vermeintlich überbekannte, weil schon x-mal gesehene Filmklassiker.

„le cinéma abstrait“ wurde mittlerweile unter anderem in Berlin, Madrid, Paris, Brüssel, New York und auf Mallorca präsentiert. In Hamburg aber sind die Termine so sparsam gesät, dass mir immer noch drei Filme fehlen.

Ob es daran liegt, dass sprichwortgemäß der Prophet im eigenen Lande nichts gilt? Oder gar daran, dass Hamburg eventuell doch ein winziges bisschen weniger Filmstadt ist, als gerne behauptet wird?

Mit mangelndem Publikumsinteresse an neu bzw. live vertonten Stummfilmen kann man es jedenfalls nicht begründen. Die Hamburger Symphoniker, Stephan Graf von Bothmer und bis letztes Jahr auch das NDR Elbphilharmonie Orchester füllen damit regelmäßig ganze Säle.

Vorsicht, Kamikazemütter

An die Mutter mit dem SUV-großen Kinderwagen, die mich mit Leidensbittermiene und radikaler Entschlossenheit zu einem kurzfristigen Ausweichmanöver durch eine große Matschpfütze zwang: Ich freue mich schon darauf, wenn dein Nachwuchs mich einst an der Alster auf Fahrrad, Long- oder Hoverboard ohne Federlesens vom Gehweg fegt.

Nicht.

Airwaves

Ich bin noch neu in der (Blogger-)Branche. Umso mehr erfreuten mich die lebhaften Rückmeldungen zu und Reaktionen auf meinen gestrigen Beitrag zum Thema Dudelfunk, allen voran der wundervolle Text von Kiki, drüben im e13 Blog.

Da wurde viel Nostalgie ausgebreitet, es wurden Erfahrungen ausgetauscht, über die Definition von Mainstream und Indie diskutiert und ich erntete nebenbei ein paar Empfehlungen. Auf Twitter wurde mir WDR 5 angetragen, via Facebook legte man mir FluxFM und radioeins nahe und überhaupt, so ein Internetradio sei ja gar nicht teuer.

Man verstehe mich bitte nicht falsch: Ich besitze bereits ein solches Gerät. Es steht im Wohnzimmer zwischen Klavier und Grammophon, im Stapel mit einem iPad, dem CD-Player mit USB-Eingang und dem Receiver, der auch DAB und DAB+ versteht. Ich nutze es ähnlich wie Mixcloud, Spotify und SoundCloud, denn unabhängig vom Sender, der gerade läuft und der Tatsache, ob eine Sendung live on air, vorproduziert, nachzuhören oder eine schnöde Dauerschleife mit Jingle und Werbeunterbrechung ist, ist Internetradio für mich kein Radio.

Radio, das ist für mich Ultrakurzwelle mit Antenne und schwankender Empfangsqualität. Radio ist, wenn man mit dem Auto durchs westliche Münsterland fährt und zwischendrin plötzlich Niederländisches hört, bei dem also eine Bezeichnung wie „der Sektor“ (1LIVE) tatsächlich geographische Bedeutung hat und bei dem man sich durch das Bedienen der Sendersuche an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Stunde und an einem bestimmten Ort dem Zufallsprinzip ausliefert. Das macht für mich die Magie aus.

Es hat darüber hinaus einiges mit Konsumverhalten und Hörgewohnheit zu tun. Im Wohnzimmer höre ich gezielt: einzelne Tracks, eine Sendung, einen Podcast, eine Playlist, einen (Sparten-)Sender oder von einem Algorithmus gesteuerte Empfehlungen. In meiner Küche aber will ich Radio: am liebsten Informatives abwechselnd mit Musik, gerne ohne „die besten Hits von heute“ in kurzatmiger Rotation und vorzugsweise mit Regionalbezug. Radio, und das ist dabei kein unwesentlicher Faktor, das auch dann weiterläuft, wenn der Router hustet.

Läuft das schon unter „Krückstockgefuchtel“? Vermutlich.

Wie dem auch sei, was spannend sein wird: Diesen Text in zehn bis fünfzehn Jahren nachzulesen. Wahrscheinlich ist dann eh alles anders.