Die Sache mit den Elphi-Tickets

Zugegeben, es gibt im Moment bedeutend wichtigere Dinge, über die es sich aufzuregen lohnt. Aber was mich trotz allem so richtig auf die Palme bringt: die Elphi-Ticketabzocke von Wiederverkäufern auf ebay, viagogo & Co.

So werden beispielsweise zwei zusammenhängende Tickets für den Konzertabend „Philip Glass zum 80.“ am 9. 7. 2017 mit Daniel Hope und dem hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Hugh Wolff zu Preisen von bis zu 379,98 Euro angeboten. Im konkreten Falle: Bereich 15 J, Reihe unbekannt; regulär bis zu 74,00 Euro pro Karte (Preisklasse 1).

Jetzt kann man natürlich, falls vorhanden, das Geld ausgeben. Und dann Pech haben wie seinerzeit bei Lang Lang, der krankheitsbedingt absagen musste. Dumm gelaufen für die, die zu Mondpreisen zugeschlagen hatten: Ersetzt wurde nur der reguläre Betrag – mein Mitleid hielt sich in Grenzen. Man kann aber auch beim Veranstalter des fraglichen Events nachforschen. Im Falle von „Philip Glass zum 80.“ ist es das Schleswig-Holstein Musik Festival. Während das Konzert im Elbphilharmonie-Ticketshop als „ausverkauft“ gemeldet ist, kann man sich auf der SHMF-Webseite in eine Warteliste eintragen.

Die größten Chancen hat man dabei übrigens als Einzelticket-Jägerin. Für euch (erfolgreich) getestet.

BookCrossing im Plöner Schlossgarten

Wo man ganz unbedingt mal hinfahren sollte: nach Plön. Insbesondere, wenn das alljährliche Picknick im Schlossgarten ansteht.

Noch mehr Bücher
Noch mehr Bücher
Crepes & Coffee (& more)
Crepes & Coffee (& more)
Alle meine Entchen...
Alle meine Entchen…
... fliegen hoch!
… fliegen hoch!
Kann denn Liegen Sünde sein?
Kann denn Liegen Sünde sein?
Melonenmord
Melonenmord

In Concert: Elbjazz 2017

Zum Elbjazz-Festival kam ich sehr spät – nämlich erst 2014 – und sehr spontan. So spontan, dass zunächst keine Gelegenheit blieb, sich vorab mit dem Programm zu beschäftigen. Ohnehin stand der Jazz als Genre zu dieser Zeit auf meiner Liste nicht sehr weit oben. Ich ließ mich also mitziehen, ganz ohne Erwartung, und wurde positiv überrascht. Entsprechend angefixt war ich im Jahr darauf wieder dabei. Ich erinnere zahlreiche Highlights aus dem Programm, scheiterte aber – abgesehen vom Wetter, für das keiner etwas kann – an einer überambitionierten „Möchte ich unbedingt sehen“-Wunschliste in Kombination mit dem zeitweise stockenden Barkassen- und Busshuttle zwischen den verstreuten Veranstaltungsorten. Insbesondere das Hafenmuseum erwies sich als Sackgasse; effektives Pendeln zum Werftgelände von Blohm+Voss und retour war praktisch unmöglich.

Für den diesjährigen Neustart nach der Festivalpause nahm ich mir daher vor, größere Zeitpuffer einzubauen, bevorzugt shuttleunabhängige Transfermöglichkeiten zu nutzen, mich am Hallenprogramm (und nicht an den Headlinern) zu orientieren und im Zweifel konsequent vom vorgefassten Plan abzuweichen – alles unter dem Motto „Weniger ist mehr“.

Tag eins

Ich startete am Freitagabend mit Beady Belle & Bugge Wesseltoft. Der Mann an den Tasten hielt sich vornehm zurück, was in der vorliegenden Konstellation zwar nachvollziehbar, für mich jedoch ein wenig enttäuschend war. Nichts gegen die Dame – phantastische Stimme! -, nur trafen die Songs nicht ganz meinen Geschmack. Aber dann kam Joshua Redman für ein Stück mit auf die Bühne. Highlight-Alarm! Ich schmiss auf der Stelle meine Planung um, um ihn eine Stunde später mit seinem Trio an gleicher Stelle erleben zu können. Eine sehr gute Entscheidung.

Eingedenk der Wegstrecke entschied ich mich anschließend, Richtung St. Katharinen aufzubrechen, um dort noch rechtzeitig zum Konzert von ALA.NI einzutreffen – gewissermaßen die Zwischenstation vor dem fest reservierten Mitternachtstermin in der Elbphilharmonie. Es half dabei sehr, gut zu Fuß und obendrein ortskundig zu sein. Über die Künstlerin wusste ich nichts und der Billie Holiday-Vergleich in der Ankündigung hatte bei mir reflexartig Skepsis ausgelöst. Im Falle von ALA.NI komplett unnötig. Diese Stimme vergisst man nicht so leicht – Gänsehaut pur! Die Akustik des Kirchenschiffs tat das Übrige hinzu, überhaupt, St. Katharinen! „Klug, mutig, schön“ – eine traumhafte Location. Was mich ein wenig abgelenkt hat, war das kleinmädchenhafte Gehabe der Dame. Das nervt mich tendenziell, bei solchen Gelegenheiten frage ich mich immer: Ist das Masche, gehört das zur Marke oder ist die wirklich so?

Aber dann stimmte sie auch schon den nächsten Song an und das ganze Drumherum wurde ganz und gar nebensächlich.

Der Weg von St. Katharinen zur Elbphilharmonie ist kurz und so hatte ich genügend Muße, mich zum Abschluss des ersten Festivaltages auf mein mittlerweile siebtes Konzert im Großen Saal einzustimmen.

Dass die Elphi-Konzerte des Elbjazz nur über Vorreservierung zugänglich waren, ist einerseits verständlich, widerspricht aber auf der anderen Seite dem Grundgedanken des Festivals. Die Tickets gab es nur über den sehr rechtzeitig zu tätigenden Vorverkauf, man musste sich weit vor Termin festlegen und viele der angekündigten Künstler traten ausschließlich dort auf. Ich hatte mich also im Vorfeld nicht nur für Christoph Spangenberg entscheiden müssen, sondern auch gegen Jan Garbarek. Immerhin, als „Early Bird“-Ticketkäuferin konnte ich alle Optionen nutzen und hatte dann auch noch Losglück bei der Platzverteilung: Bereich 13 I bedeutet noch nicht hinter, sondern seitlich von der Bühne und ziemlich nahe dran zu sitzen.

Spangenberg spielt Nirvana – nicht der erste Programmpunkt, bei dem man sich fragen kann: Was hat das mit Jazz zu tun? Wobei es letztlich auf das musikalische Ergebnis ankommt, unabhängig davon, ob es sich um originäre Jazzstücke oder -standards handelt oder eben nicht. Spangenbergs Interpretationen hingen an der Grenze, aber doch, es passte schon. Von mir aus hätten sie im Schnitt noch ein bis zwei Stufen dreckiger sein können. Vielleicht war die relative Zuckrigkeit doch der Tatsache geschuldet, dass Spangenberg im Gründungsjahr von Nirvana (1989) gerade ein Jahr alt war und sich den Grunge gewissermaßen nachträglich erarbeiten musste. Der besonderen Atmosphäre des Konzerts zur Geisterstunde tat das keinen Abbruch. Im Gegenteil.

Dazu kam das surreale Element. Als das Nirvana-Album „Nevermind“ in den Charts stand, war ich kurz vorm Abitur. Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich 26 Jahre später im Großen Saal einer nach allen Regeln der Kunst neu erbauten Hamburger Philharmonie sitzen und diesen Songs in einer Version für Konzertflügel lauschen würde, ich hätte wohl ohne Umschweife mit „Was hast Du denn geraucht?!“ gekontert.

Tag zwei

Ich schaffte es gerade rechtzeitig zurück aufs Gelände, um noch ein halbes Stündchen der Band Mörk zuhören zu können. Sehr dynamisch, aber hier bleibe ich streng: Mit Jazz hatte das wenig gemein. Wie übrigens abends zuvor auch die Musik von Agnes Obel, deren Auftritt auf der Hauptbühne ich zugunsten von ALA.NI ausgelassen hatte.

Beim zweiten Konzert des Tages hatte ich mich glücklicherweise an der Elbjazz-App orientiert: Der einstündige Auftritt von Vincent Peirani & Émile Parisien auf der neuen NDR Info Radio Stage wurde zwar sowohl dort als auch auf der Webseite angepriesen, war aber nicht im Programmheft abgedruckt. Aus dem Bauch heraus entschied ich, mir bereits vierzig Minuten vor Beginn einen Sitzplatz zu sichern. Keine dumme Idee, wie sich bereits rund zwanzig Minuten später herausstellte. Und was für ein sensationeller Auftritt war das! Vincent Peirani am Akkordeon und Émile Parisien am Sopransaxophon demonstrierten eindrucksvoll mit Witz und Können, dass miteinander zu musizieren im Idealfall eine ausnehmend intensive Kommunikationsform darstellt. Insbesondere Parisien zeigte dabei vollen Körpereinsatz. Mein persönlicher Elbjazz-Höhepunkt.

In der Schiffbauhalle 3 wurde nebenbei bewiesen, dass man nicht nur bei klassischen Stücken an den falschen Stellen klatschen kann. Eine kleine Herausforderung für die Radiocrew, denn ein Großteil der Interaktion zwischen Künstlern und Publikum an diesen Stellen kommt im Mitschnitt naturgemäß unter die Räder.

Mein nächstes Ziel war der Auftritt von Dhafer Youssef in der Alten Maschinenbauhalle. Auch hier sicherte ich mir sehr rechtzeitig einen guten Stehplatz nahe der Bühne, denn leider war dort für den Festivalsamstag die Bestuhlung abgebaut worden. Stilistisch kam ich zwar nicht ganz mit, aber der Gesang! Beeindruckend.

Blieb nur noch eine halbe Stunde bis zum Konzert von Greogry Porter & Band auf der Hauptbühne. Der Headliner bekam anders als die übrigen Künstler einen anderthalbstündigen Slot ganz am Ende des zweiten Festivaltags – zu Recht. Das ist schon amtlich, was der Mann da abliefert. Unterstützt wurde Porter vom Kaiser Quartett, welches ich aus der Ferne allerdings kaum hören konnte. Überhaupt schien der Sound gedrosselt zu sein. Von den seitlichen Rändern der Bühne aus war der Auftritt akustisch so gut wie nicht zu verfolgen, ganz anders als noch bei Mörk am Nachmittag. Aufgrund des Gedränges im Vordergrund sicherte ich mir einen halbwegs akzeptablen Hörplatz in einem der NDR Info-Liegestühle, um mich dann knapp vor Konzertende aus dem Staub zu machen, dem Massenaufbruch erfolgreich zuvorkommend. Ich hätte noch Lust gehabt, zu Mousse T. in den Mojo Club zu gehen, aber der tote Punkt erwischte mich auf halber Strecke zwischen dem alten Elbtunnel und der Reeperbahn.

Prädikat unterm Strich: Gelungene Wiederaufnahme! Diesmal spielte sogar der Himmel mit. Wenn nichts dazwischenkommt, bin ich 2018 wieder dabei.

Wetterchen
Wetterchen

Einen Wunsch habe ich fürs nächste Mal: Früher war mehr Klavier beim Elbjazz. Da geht doch sicher noch was – looking at you, Karsten Jahnke!

Meanwhile on the Balcony

  • Rucola „Wild West“,
  • Ringelblumen,
  • Pflücksalat „Drunken Woman“,
Drunken Woman
Drunken Woman
  • Erbeeren: 3x „Ostara“, 3x „Mieze Schindler“,
  • Tomaten: 2x „Harzfeuer“, 1x „Namenlos“ „Micro Cherry“,
Strawberry Fields
Strawberry Fields
Harzfeuer
Harzfeuer
  • Paprika „Orange Bell“
  • Thymian
  • Schnittlauch,
Sgt. Pepper
Sgt. Pepper
Schnittlauch
Schnittlauch
  • rotes Basilikum,
  • Kapuzinerkresse,
  • Borretsch,
  • Rosmarin und
  • anderthalb Hibiskusse.

In Concert: Die Elph-Cellisten mit J’nai Bridges in der Elbphilharmonie

Wenn ich jetzt sage, dass das Beste an den Elph-Cellisten die Sängerin war, klingt das nicht nur komisch, es ist auch ziemlich unfair: Unter dem Titel „A Cello Affair“ demonstrierten die Cellisten des NDR Elbphilharmonie Orchesters am vergangenen Montag in der Elbphilharmonie eindrucksvoll die Bandbreite ihres Könnens. Nach anfänglicher Zurückhaltung drehte das Ensemble spürbar auf, was sich insbesondere in den teilweise durch den Einsatz von diversem Schlagwerk aufgepeppten lateinamerikanischen Stücken manifestierte. Der Tango „Bien al Mango“ von Raúl Garello und „La Peregrinación“ von Ariel Ramírez gefielen mir von diesen am besten.

Dennoch, sobald J’nai Bridges die Bühne betrat, schrumpften die Elph-Cellisten beinahe zwangsläufig zur Begleitband. Was für ein Auftritt, was für eine Präsenz, was für eine Stimme! Fünf gemeinsame Stücke standen auf dem Programm, darunter auch Gershwins „Summertime“, was mich besonders bezauberte. Dazu trug ganz wesentlich das wunderschöne, an die Version von Ella Fitzgerald und Louis Armstrong angelehnte Arrangement von Valentin Priebus bei.

Als schließlich zur zweiten Zugabe ein James Bond-Medley angespielt wurde, blieb nur noch die Frage: „Diamonds are forever“ oder „Goldfinger“? Das Intro und J’nai Bridges‘ Garderobenwechsel gaben die Antwort beinahe simultan.

Golden words he will pour in your ear
But his lies can’t disguise what you fear
For a golden girl knows when he’s kissed her
It’s the kiss of death from

Mister Goldfinger

Und dazu hätte man ihr dann doch – nur ganz kurz, für die Dauer des Songs! – ein großes Orchester gewünscht.

Barmbek bleibt bunt

Liebe Nachbarn, die ihr mit skeptischer Miene am Straßenrand oder in den Fensterrahmen standet und zugeschaut habt: Selbst wenn euch die Demonstrationen wegen „der ganzen Chaoten“ suspekter sind als es der Thor Steinar-Laden in der Fuhlsbütteler Straße 257 ist, lauft bitte trotzdem mit beim nächsten Mal. Denn: Je mehr Menschen mitmachen, desto schneller verschwindet der Laden. Und dann ist auch wieder Ruhe in eurer kleinen Welt. Vorher nicht.

Barmbek bleibt bunt
Barmbek bleibt bunt

Andererseits, die „Lautis“ von heute mögen doch bitte ihren Soundtrack und auch die Lautstärke überdenken. Es mag den einen oder die andere abgeschreckt haben und das ist schließlich so ganz und gar nicht Sinn und Zweck der Übung.

Vermischtes

Ich mache nicht so gerne Sammeleinträge ins Susammelsurium, aber es sind schon wieder drei Veranstaltungen aufgelaufen und es soll nicht in Stress ausarten. Ganz im Gegenteil. Ich bemühe daher ausnahmsweise den Schnelldurchlauf.

Montag

Frau F. und ich waren bei hidden shakespeare im Schmidt Theater! Endlich! Das wollten wir ja, seit wir „Heiligabend mit Hase“ und „Ein Endspiel“ im Abaton gesehen hatten. Es war grandios. Meine Lieblinge: das Lacrosse-Pony und der Galoppflamingo. Wobei ich ein wenig mit dem Publikum fremdelte. Das Prinzip des Verzehrtheaters – was für ein schönes Wort! – scheint doch die ein oder andere Spezies anzulocken, die man in die Kategorie Mädelsabend, Junggesell(-inn-)enabschied oder Betriebsausflug stecken kann. Nicht unbedingt die Atmosphäre, in der ich mich zu Hause fühle. Andererseits war ich ja tatsächlich mal selbst im Rahmen eines Betriebsausflugs, also, das ist Jahre her, bei „Cavemusic“ im Schmidts Tivoli, und da hat es mich gar nicht gestört. Was meiner Erinnerung nach ganz wesentlich mit dem Auftritt Christian von Richthofens zu tun hatte. Für solche Menschen wurde der Begriff „musikalisch“ erfunden. Was für eine Rampensau! Er stahl dem Caveman die Show, nach allen Regeln der Kunst, und man konnte ihm nicht böse sein. Jedenfalls nicht aus der Publikumsperspektive – Kristian Bader mag seinerzeit anders darüber gedacht haben.

Bei Bodo Wartkes „König Ödipus“ vor fast genau acht Jahren war wiederum deutlich mehr Theater spürbar, trotz des Kabarettansatzes. Zwei Gegenstände in meiner Wohnung erinnern mich seither an diesen Abend: das gelbe Reclamheftchen im Buchregal und Carl der Löwe alias die Sphinx („Wie ‚Pfingsten‘ nur mit ‚S‘!“) auf dem Kleiderschrank. Bodo Wartke wird mit gemischten Gefühlen an diese Premiere zurückdenken, er brach sich nämlich während der Vorstellung das rechte Wadenbein.

Wie komme ich jetzt darauf? Ach ja: Theater.

Mittwoch

Nächste Station: „Unwiderstehlich“ im Ernst Deutsch Theater. Im Vergleich zum Montag war das naturgemäß ein komplett anderer Film. Frau F. und ich hatten beide Schwierigkeiten mit dem Stück, wobei mir nicht ganz klar war, ob es am Text selbst oder an der Regie lag oder vielleicht an der Kombination von beidem. Das hat uns aber keineswegs daran gehindert, die schauspielerische Leistung von Anika Maurer und Boris Aljinovic anzuerkennen.

Die Vorstellung war in zwei Teile gegliedert, unterbrochen durch eine Pause. Mir persönlich hat der dritte Teil am allerbesten gefallen. Ich habe mich lange nicht mehr so gründlich und so nett verquatscht. Ganz lieben Dank auch dafür.

Donnerstag

Ein klein wenig Theater gab es auch bei Lambert im resonanzraum und sei es nur des Maskenspiels wegen. Anders als vor anderthalb Jahren auf Kampnagel waren dieses Mal keine Bläser dabei (die Gitarre war OK, hätte aber nicht sein müssen). Dadurch wirkte das Programm ernster, was sich auch in den tendenziell weniger spaßigen Ansagen widerspiegelte. Ich mochte auch diese Variante sehr. Schade nur um das Bundesamt für Notenschutz, das offenbar inzwischen aufgelöst wurde.

Ich hatte mich bewusst so platziert, dass ich Lambert etwas von der Seite sehen konnte. Dadurch saß ich direkt vor dem Schlagzeuger und Perkussionisten, dem ich im Laufe des Konzerts mehr und mehr verfiel. Da bildet sich allmählich ein Muster heraus; man kann durchaus Parallelen zu meiner Faszination für Andrea Belfi (bei Nonkeen) und Fabian Prynn (bei Douglas Dare) ziehen.

Ich behalte das im Auge. Bzw. im Ohr.

In Concert: Colin Currie Group und Synergy Vocals in der Elbphilharmonie

Die Sache mit der Musik von Steve Reich und mir, das ist eine von diesen Spotify-Geschichten. Anfang 2016, nach Bruce Brubaker mit „Glass Piano“ im Birdland, lief das Album bei mir in der Dauerschleife. Prompt schlug mir der Algorithmus ein paar Tage später Steve Reichs „Music for Pieces of Woods“ aus dem Jahr 1973 vor, frei nach dem Motto: „Kunden, die Philip Glass mochten, mögen auch…“ – ihr kennt das.

Im ersten Anlauf reagierte ich auf das Stück allerdings eher ungnädig. Wenn ich morgens auf dem Arbeitsweg in der S-Bahn eine Playlist anwerfe, mag ich es nicht gern hektisch. „Was für ein elendes Geklacker ist das denn, ich will Musik!“, brummelte ich innerlich und bediente genervt die Skip-Taste. Später gab ich dem Titel eine zweite Chance und war fasziniert: Mit jeder Rhythmusverschiebung schien sich in meinem Kopf etwas mitzubewegen; das Gesamtgebilde erzeugte einen nahezu hypnotischen Effekt.

Wie das so ist, wenn man auf etwas gestoßen wird: Plötzlich sieht (bzw. hört) man es überall. NDR Kultur kam wenig später auf die keineswegs abwegige Idee, die Musik von Steve Reich mit der von Kiasmos in einem Konzert zusammenbringen und als ich knapp zwei Monate später im Barbican Centre das „Possibly Colliding“-Programm in Augenschein nahm, so fand ich dort unter anderem auch „Music for Pieces of Woods“ gelistet. Was mich in diesem Moment schon nicht mehr überraschte. Leider passte das Konzert nicht in den eng getakteten Zeitplan meines London-Aufenthalts.

Umso erfreuter war ich, als ich das „Maximal Minimal“-Festival im Programm der Elbphilharmonie entdeckte. Aus reiner Neugier und gegen meine Gewohnheit ließ ich den Klavierpart der Reihe links liegen und erstand ein Ticket für „Steve Reich: Drums“.

Damals wusste ich noch nicht, dass die Parkettebene 12 des Großen Saales nicht zwingend das beste Klangerlebnis gewährleistet. Bei „Music for Pieces of Woods“, aber auch bei „Drumming“ offenbarte sich das erneut: Die Akustik wirkte glashart und gnadenlos, dabei zeitweise hallig und überlaut. Wobei man dazu wissen muss, dass neben dem Vokalensemble nur ein Teil der Instrumente elektronisch verstärkt wurde. Unangenehm war auch das akustische Verhalten mancher Konzertteilnehmer. Ich bin inzwischen soweit: Menschen, die nicht flüstern können, sollte der Eintritt zu (größenteils) unverstärkten Konzerten in der Elbphilharmonie verwehrt bleiben. Dummerweise saßen gleich zwei dieser Exemplare in der Reihe vor mir („Das ist ganz schön laut.“ – „Ja, laut.“). Sie ließen sich auch durch strenges Mienenspiel der Umsitzenden nicht beirren.

Wo wir gerade dabei sind: Die zahlreichen Konzertneulinge in der Elphi hatten zwischenzeitlich eine Diskussion über „richtiges“ und „falsches“ Klatschen ausgelöst. Einige Für- und Gegenargumente wurden vor einiger Zeit im Hamburger Abendblatt veröffentlicht. Wobei auffällt, dass die Künstler sich zu dem Thema wesentlich entspannter äußerten als so mancher erzkonservative Musik“genießer“. „Bitte nicht schon wieder eine falsch verstandene (oder falsch verstehbare) ‚Willkommenskultur'“, du liebe Güte. In nicht wenigen, vornehmlich symphonischen Konzerten scheint dieser Typ des verknöcherten, humorbefreiten und elitär denkenden Klassikkonsumenten immer noch die Mehrzahl des Publikums zu stellen. Weswegen ich zunehmend Veranstaltungen und Veranstaltungsorte aufsuche, bei denen ich ein gemischteres Bild erwarten kann. Es ist auf Dauer ziemlich anstrengend, mit der eigenen Begeisterung zwischen solchen Miesepetern zu hocken.

Abgesehen davon, dass man bei einer hypersensiblen Akustik am besten den Mund hält, solange gespielt wird, steht eines jedoch außer Frage: Wenn ein Weltklasse-Ensemble auf der Bühne steht und der Komponist im Saal anwesend ist, die aufgeführten Stücke oder der Musikstil aber weder der Erwartung noch dem Geschmack entsprechen, dann gibt es genau zwei Optionen:

  1. Drinbleiben und versuchen, sich einzulassen. Mag sein, dass ich mit den Kompositionen auch dann nicht viel anfange, aber ich kann mindestens noch der Virtuosität der Aufführung Anerkennung zollen.
  2. Zur Pause das Konzert verlassen. Das ist vollkommen legitim.

Was absolut gar nicht geht, ist mitten im Stück aus dem Saal zu poltern. Da lasse ich nur medizinische Notfälle oder Blasenschwäche gelten und das hat nichts Dünkel zu tun. Sondern mit Anstand.

Ein Trost bleibt: Steve Reich wird das Verhalten der Abtrünnigen wenig gekratzt haben. Der Mann muss niemandem mehr etwas beweisen und die Fangemeinde jubelte ob des souveränen Auftritts der Colin Currie Group mit den Synergy Vocals zu Recht begeistert.

Ich auch.

„Die Frau ohne Schatten“ in der Staatsoper Hamburg

Da sind nun also Kaiserin und Färberin, die eine kann keine Kinder bekommen, die andere will nicht. Während die Kaiserin per Weissagung emotional erpresst („Die Frau wirft keinen Schatten, der Kaiser muss versteinern!“) und von ihrer Amme zu drastischen Maßnahmen gedrängt wird, erliegt die Färberin den ihr angebotenen Verlockungen im Austausch gegen Schatten und Fruchtbarkeit – wenn auch nicht bis zum Äußersten. Das Gewissen und der Zwiespalt funken ihr dazwischen.

Nichtsdestotrotz provoziert sie den Gatten unermüdlich weiter, bis diesem endlich schwant, dass die ihm Angetraute es ernst meint mit ihrer Rede. Worauf ihm der Kragen platzt. Und zack! ist sie auch schon eingeknickt:

Dienend, liebend dir mich bücken:
dich zu sehen!
Atmen, leben!
Kinder, Guter, dir zu geben!

Am Ende finden sich beide Frauen, durch unterschiedliche Prüfungen zur Mutterschaft bekehrt, selig lächelnd in den Armen ihrer Männer liegend wieder.

Wenn das Herz aus Kristall
zerbricht in einem Schrei,
die Ungebornen eilen
wie Sternenglanz herbei.
Die Gattin blickt zum Gatten,
ihr fällt ein irdischer Schatten
von Hüfte, Haupt und Haar.

Ernsthaft, Herr von Hoffmannsthal?

Nun gut, die Oper entstand zwischen 1911 und 1915 und wurde 1919 uraufgeführt. Da war das tradierte Rollenbild der Frau zwar schon im Umbruch, aber noch die Regel, und einer Ehe entsprangen im Durchschnitt vier Kinder. Außerdem, so lernten wir in der Einführung, gab es offenbar ein häusliches Vorbild für den Färber Barak und sein widerspenstiges, gebährunwilliges Weib: die Ehe Richard Strauss‘ mit der Sopranistin Pauline de Ahna. Da kommt „Die Frau ohne Schatten“ gewissermaßen wie eine maskuline Bewältigungsstrategie des Künstlerduos von Hoffmannsthal/Strauss daher.

Andreas Kriegenburgs Inszenierung versucht einen anderen Ansatz, den sperrigen Stoff ins jetzt und hier zu retten: Die gesamte Handlung zwischen Märchen- und Menschenwelt mitsamt dem zugehörigen Hokuspokus wird als (Fieber-)Traum der Färberin dargestellt. Das gelingt auch weitgehend, bis auf das süßlich-kitschige Finale mit Blumen, Erdbeeren und spielenden, in bunte T-Shirts gewandeten Kindermassen.

Wenig hilfreich dabei ist, dass die Schlussszene per se schon sehr in die Länge gezogen wirkt und auch musikalisch nicht eben den Höhepunkt des Spektakels bildet. Wobei mir der überwiegende Rest ausnehmend gut gefallen hat. Was Strauss sich da ausgedacht hat, ist zwar mehrheitlich cineastisch-bombastisch und zieht alle Register. Aber es bleibt eben auch Raum für zarte und lyrische Passagen. Ganz großes Kino. Richard Strauss möge mir bitte nachsehen, dass ich ihn kompositorisch bisher immer mit dem „Rosenkavalier“ gleichgesetzt hatte. Passiert mir nicht wieder.

Und die Besetzung? Damit ich nicht wieder einem Opernsänger auf die Füße trete, weil ich ihn einen Opernsänger nenne, verzichte ich dieses Mal auf Einzelbewertungen. Man schlage dazu bei oper aktuell und im Hamburger Abendblatt nach, das stimmt ungefähr so.

Der wahre Star des Abends war eh das schier sensationelle Bühnenbild von Harald B. Thor – sagte ich schon „ganz großes Kino“? Passt.