In Concert: Stefan Geiger und das NDR Elbphilharmonie Orchester in der Elbphilharmonie

Ich muss nicht weit ausholen, um eine Verbindung zwischen Kampnagel und dem gestrigen Filmmusikkonzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters in der Elbphilharmonie herzustellen. War es doch ein Stummfilmkonzert des damaligen NDR Sinfonieorchesters in der K6, welches mein Interesse an Orchesterkonzerten ganz allgemein entfachte.

Nachdem das Orchester Anfang 2017 in die neue Spielstätte umzog und seinen Namen änderte, war es zunächst vorbei mit den Filmkonzerten. Dafür sei leider zu wenig Luft im Kalender der Eröffnungssaison, hieß es auf Nachfrage. Nach vier Jahren fand das Genre nun endlich wieder Eingang in das Programm des NDR EO, und so kam Stefan Geiger erstmals vor neuer Kulisse dazu, den Orchesterkollegen in einem Filmmusikkonzert vorzustehen. Zwar ohne Leinwand, aber dafür mit einer Werkauswahl des Komponisten John Williams, dem amerikanischen Altmeister des Genres. Zu hören waren Auszüge aus „Jurassic Park“, „Unheimliche Begegnung der dritten Art“, „Harry Potter und der Stein der Weisen“, „E.T. – Der Außerirdische“ und „Star Wars: Das Erwachen der Macht“. Es bedurfte nur weniger Takte, um mich daran zu erinnern, dass meine allererste Orchestermusikliebe die Filmmusik gewesen ist: Soundtracks von John Barry, James Horner, Ennio Morricone, Thomas Newman, Alan Silvestri und eben John Williams.

Das hat viel zu lange gedauert, liebes NDR EO! Ich hoffe sehr, dass diese Art Konzerte künftig wieder einen festen Platz in eurem Repertoire haben werden. Vielleicht denkt ihr auch darüber nach, die Ausflüge in die K6 wieder aufzunehmen. Ohne die Konzerte damals auf Kampnagel wäre ich heute wohl eine sehr viel schlechtere Elphi-Kundin. Immerhin kommt Kampnagel auch in euer Revier, beispielsweise mit der Kooperation zwischen dem Sommerfestival und dem Elbphilharmonie Sommer!

Gesessen habe ich ausnahmsweise hinter und nahe dem Orchester. Eigentlich ist das aus akustischen Gründen überhaupt nicht zu empfehlen, insbesondere dann nicht, wenn vorne auf der Bühne Solist:innen oder gar Sänger:innen stehen. Bei „Orchester pur“ ist der Sound einigermaßen in Ordnung, nur die Celesta ging streckenweise etwas unter. Einen großen Vorteil hatte die Position: Ich war frühzeitig über die Zugabe informiert. Es wurde der „Raider’s March“, besser bekannt als das „Indiana Jones Theme“.

Apropos Zugabe. Eigentlich müsste ich noch zwei weitere Konzerte im Detail nachtragen. Ich mache es kurz, um endlich den Berichtsrückstand aufzuholen.

Zum einen ist es das Konzert des West-Eastern Divan Orchestra unter der Leitung von Daniel Barenboim mit Michael Barenboim (Violine) und Kian Soltani (Violoncello) als Solisten. Gegeben wurde Brahms‘ Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 102, die Sinfonie a-Moll M48 von César Franck und – mein Herz! – der „Nimrod“ aus den Enigma Variations von Edward Elgar. Es war rundherum großartig, aber besonders nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist mir neben dem „Nimrod“ der Auftritt von Kian Soltani.

Beim zweiten Nachtrag handelt es sich um die Saisoneröffnung der Spielzeit 2021/22, der „Opening Night“ des NDR EO unter Alan Gilbert und mit Yo-Yo Ma am Violoncello. Normalerweise bekommt man als Normalsterbliche für dieses Event keine Karten, aber offenbar hatten sich deutlich weniger Menschen den Vorverkaufsstart auf Termin gelegt als zu Vor-Corona-Zeiten. Das mag zwar schlecht sein fürs Geschäft, aber ich beschwere mich nicht!

Auch Yo-Yo Ma verließ nicht ohne Zugabe den Saal. Zusammen mit einer kleinen Streichergruppe aus dem Orchester präsentierte er eine melancholisch-beschwingte Version von „Summertime“, passend zum Schwerpunkt des Programms, welches aus Werken von Leonard Bernstein, Samuel Barber, Mark-Anthony Turnage und George Gershwin bestand, und trotz des Titels in seiner Grundstimmung ebenso passend zum Datum, dem meteorologischen Herbstanfang.

Da sind wir also nun: Herbst 2021, Saisonanfang. Bleibt zu hoffen, dass es nicht wieder zu einem Abbruch kommt.

Internationales Sommerfestival 2021 auf Kampnagel

Es ist nicht so, wie es aussieht: Ich bin mittlerweile fast schon wieder voll drin im kulturellen Leben. Nur das Schreiben darüber ist bisher nicht recht in Gang gekommen. Bevor es an die nächsten Termine geht, will ich an dieser Stelle aber wenigstens einen kleinen Rückblick auf das Internationale Sommerfestival nachtragen.

Nach der äußerst gelungenen Ausführung im letzten Pandemiesommer fühlte sich die diesjährige Ausgabe schon beinahe routiniert an. Für Veranstaltungen unterm Dach galt das 3G-Prinzip (gewissenhaft kontrolliert!), die Hallen waren im Schachbrettmuster besetzt und es gab genügend Einzelplätze. Zumindest bei frühzeitiger Buchung.

LIGNA: Die Gespenster des Konsumismus

Am Anfang meiner Auswahl stand die Performance von LIGNA im ehemaligen Kaufhof an der Mönckebergstraße.

Die Gespenster des Konsumismus

Ich gebe zu, beim Kartenkauf war eine gehörige Portion Neugier auf den Gebäudezustand im Spiel. Viel gab es allerdings nicht zu sehen und bewegen konnte man sich auch nur im Untergeschoss. Dafür gab es Einblicke in einige Räume hinter den Kulissen der Verkaufsfläche. Per Kopfhörer wurden die Besucher grüppchenweise durch einen teilweise eigens aufgebauten Parcours geführt, der verschiedene Stationen und Ereignisse der Hausgeschichte symbolisierte.

Die Gespenster des Konsumismus

Die Gespenster des Konsumismus

Dabei war es für das eigene Erleben mitentscheidend, ob auch die anderen Mitglieder der jeweiligen Kleinstgruppe den Regieanweisungen Folge leisteten. Wo das nicht geschah, verpuffte der Ansatz zur geführten Interaktion.

Die Gespenster des Konsumismus

So ganz haben mich Konzept und Ausführung nicht überzeugt. Das mag aber auch an den Assoziationen gelegen haben, die mich beim Erkunden der stillgelegten Ladenfläche heimsuchten und ablenkten. Man nehme dies als Triggerwarnung: Wer die Abwicklung eines Ladengeschäfts am eigenen Leib erfahren musste, wird beim Betreten einer vergleichbaren Immobilie unter Umständen mit unschönen Erinnerungen konfrontiert.

Christoph Marthaler: Das Weinen (Das Wähnen)

Sprachspielereien, eine detailverliebte Kulisse und Musik: Mehr braucht es manchmal nicht für einen perfekten Theaterabend. Vorausgesetzt natürlich, die Inszenierung dieser Kombination ist stimmig. Bei „Das Weinen (Das Wähnen)“ ist sie es.

Wer ein inhaltlich zusammenhängendes Stück erwartete, wurde zwar enttäuscht. Aber die Texte von Dieter Roth mit der Klammer des Apothekenszenarios zusammenzufassen, ist schon eine ziemlich geniale Idee. Nur hätte man vielleicht etwas kürzen können. Es wurde mir bei aller Faszination gegen Ende ein wenig lang.

Beim Schlussapplaus habe ich übrigens den Wasserspender vermisst.

Feist: Multitudes

Da war ich gespannt: ein Konzert ohne Saalplanbuchung in der K6? Unter Pandemiebedingungen? Die Auflösung des Rätsels: Die Zuschauer wurden in einen Stuhl- beziehungsweise Papphockerkreis um Feist und ihre beiden Mitstreiter platziert, und zwar dort, wo normalerweise die Bühne ist. Der eigentliche Zuschauerraum blieb leer; er wurde lediglich für den Knalleffekt am Ende des Konzerts eingesetzt und diente anschließend als Ausgang.

Auf diese Weise hatten gerade einmal 200 Personen pro Konzerttermin Platz in der Arena. Eine frühe Buchung hatte mir die zweite Reihe beschert, allerdings sah ich Leslie Feist während der Hälfte des Konzerts nur von hinten. Was andererseits wegen der außerordentlich intimen Konzertatmosphäre absolut zu vernachlässigen war. Ich war mächtig geflasht und bestimmt nicht allein mit meiner Überwältigung.

Rufus & Martha Wainwright: Mother

Trinkbefehl

Ja, doch, das war schon schön. Einen Abzug in der B-Note verteile für die Anmoderationen von Martha Wainwright. Singen kann sie besser als reden. Wobei das ebenso für Bruder Rufus gilt. Am besten hat mir das Stück gefallen, für das noch ein weiterer Mitstreiter mit auf die Bühne kam (leider habe ich mir weder den Namen des Sängers noch den Songtitel gemerkt. Blöd.). Und: Ein Extra-Sternchen dem Pianisten!

Dave Longstreth/Dirty Projectors, stargaze: (Song of the) Earth (in) Crisis

Die Extra-Sternchen für den darauffolgenden Abend vergebe ich an stargaze (quasi gesetzt) und Felicia Douglass. Anders als Komponist David Longstreth hatte Douglass ihren Vokalpart nämlich voll im Griff. Longstreth dagegen hätte besser daran getan, den seinen an einen ähnlich kompetenten Sänger abzugeben. Ich meine, wenn man ein melodisch wie harmonisch anspruchsvolles Werk nicht nur verfasst, sondern auch selbst an dessen Aufführung prominent beteiligt ist, sollte man den eigenen Beitrag vollumfänglich beherrschen. Zumindest für meine Ohren fiel das Gehörte jedenfalls nicht mehr unter „eigenwillig interpretiert“.

Die vorab präsentierten Songs der Dirty Projectors-EP „Earth Crisis“ waren für meinen Geschmack zu fragmentiert, um sie überhaupt als Songs bezeichnen zu können. Das Hauptwerk des Abends selbst, also „Song of the Earth in Crisis“, hat mir dagegen gut gefallen. Nur den Vergleich mit Mahler hätte man weglassen sollen. Über dem steht dermaßen dick und doppelt unterstrichen „zum Scheitern verurteilt“, das hat das Longstreth-Stück nicht verdient.

Nesterval/Queereeoké: Sex & Drugs & Budd’n’brooks

Das dritte Festival-Highlight (nach Marthaler und Feist) und meine erste Präsenzerfahrung mit Nesterval! Eventuell hätte ich nur vorher noch mein zugegebenermaßen lückenhaftes Wissen über die Familiengeschichte der Buddenbrooks aufpolieren sollen. So wäre es mir vermutlich leichter gefallen, verschiedene Charaktere zuzuordnen. Denn zum Kernpersonal des Romans gesellten sich in der „Sex & Drugs“-Version diverse Varianten, was das Geschehen bisweilen unübersichtlich gestaltete. Während des Abends war es zudem nicht möglich, alle Erzählstränge mitzuerleben. Ebenso wie bei LIGNA im ehemaligen Kaufhof wurden auch im Uebel & Gefährlich, der überaus treffend gewählten Spielstätte, die Anwesenden immer wieder in kleine Gruppen aufgeteilt, um an verschiedenen Stellen des großen Saals, in sanitären Einrichtungen, in Raucher- und Hinterzimmern einzelnen Szenen beizuwohnen. Für das ganze Bild hätte man wohl zwei oder drei Vorstellungen besuchen müssen.

Ein bisschen unklar blieb beim abschließenden Austausch an der Theke, ob und wie weit Zuschauerinteraktion eingeplant und erwünscht war. Das war bei „Der Willy-Brandt-Test“ und „Goodbye Kreisky“ (beides über Zoom) eindeutig der Fall gewesen. Bei „Sex & Drugs & Budd’n’brooks“ blieb dafür nicht viel Raum. Einigen Teilnehmern mag es wiederum zu immersiv gewesen sein. Aus einer reichlich expliziten Szene des Nachtrags erinnere ich beispielsweise einen extrem unangenehm berührten Herrn und seine mindestens peinlich berührte Begleiterin. Grundsätzlich nachvollziehbar für mich – ansonsten bin ich diejenige, die den größtmöglichen Bogen um Nacktheit um der Nacktheit willen auf der Bühne macht. Aber wenn ein Stück „Sex & Drugs“ im Titel trägt, muss man sich nicht wundern, wenn beides vorkommt – wenn auch „nur“ jeweils in der Theaterversion – und was „immersiv“ bedeutet, lernt man allerspätestens dann.

Die nächste Nesterval-Eskalationsstufe ist wohl der Besuch einer Vorstellung in Wien. Gar nicht mal so unwahrscheinlich, ich mag die Stadt, und der letzte Besuch ist so lange her, da habe ich noch in Bonn gewohnt. Eine halbe Ewigkeit also.

Thom Luz: Lieder ohne Worte

„Girl from the Fog Machine Factory“ mochte ich sehr, entsprechend große Erwartungen hatte ich folglich an „Lieder ohne Worte“.

Ganz erfüllt wurden die zwar nicht, aber auch die Rekonstruktion eines Autounfalls mit Wildschaden in den Bergen hatte seine magischen Momente. Die Extra-Sternchen gehen an den Einsatz von Musik und deren Ausführung sowie an Samuel Streiff. Ich erkenne da ein Muster!

THIS IS THE END OF...

Was mir nicht gefallen hat: der von JASCHA&FRANZ gestaltete Avant-Garten. Er wirkte auf mich irgendwie zugestellt und verbaut. Ich mochte die Bauten nicht und das Kirmes-Konzept hat bei mir gar nicht gezündet. Zwei Pluspunkte möchte ich dennoch erwähnen: das Bemühen um größtmögliche Barrierefreiheit und die Waldbühne. Die war wirklich hübsch! Leider habe ich wegen ungünstiger Terminplanung und des streckenweise garstigen Wetters wenig davon gesehen.

Neue Chance im nächsten Jahr.

Resozialisierung

Ja, also. Hm. Test, Test, eins zwo. Wie ging das noch mit dem Schreiben?

Jedenfalls, ich habe keine Ausrede mehr. Es gibt endlich wieder Input, live, in Farbe und vor allem offline. Seit Mitte Juli war ich schon auf drei Konzerten. Genauer:

Auf das erste Draußenkonzert hatte ich mich schon zwischen den Impfungen getraut. Alles andere verschob ich auf „ab Erreichen des vollständigen Impfschutzes“. Ersten Beobachtungen nach war das keine ganz dumme Idee. Die sogenannten 3G-Nachweise („gechiptimpft/genesen/getestet“) werden nämlich mancherorts eher lässig kontrolliert. Folglich ist das einzig belastbare Plus an Sicherheit, welches man zurzeit haben kann, sich selbst geimpft zu wissen. So ganz grundsätzlich. Epidemiologisch betrachtet eh, aber psychologisch mindestens ebenso wertvoll. Für euch getestet.

Next Stop: Das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel. Ab dann wieder im gewohnten Format. Falls ich es noch kann. Drei vier!

(Jahres-/Konzert-)Rückblick 2020

Es ist aus bekannten Gründen eine sehr übersichtliche Liste in diesem Jahr. Umso wertvoller war mir jede einzelne Veranstaltung, insbesondere im Sommer und Herbst.

Die Premieren:

Januar bis März:

August bis Oktober:

Die Wiederholten:

Januar bis März:

August bis Oktober:

Ein Lieblingskonzert möchte ich 2020 nicht nominieren, sehr wohl aber einen Veranstaltungsort des Jahres. Diese Ehre gebührt Kampnagel, nicht zuletzt wegen des wahrscheinlich psychologisch wertvollsten Internationalen Sommerfestivals aller Zeiten.

Ausblick? Irgendwas wird wieder gehen, schätzungsweise so gegen Sommer. Ich kann es kaum erwarten.

The Show must go online (17)

Ich gestehe, ich habe nun endgültig den Überblick über das Kulturstreaming verloren. Dadurch habe ich blöderweise einiges verpasst, was ich gerne gesehen/gehört hätte. Zum Beispiel das Jahresabschlusskonzert des Tingvall Trio am 13. Dezember. Mist!

Noch nicht zu spät ist es dagegen für Chilly Gonzales‘ „A Very Chilly Christmas Special“ auf ARTE Concert (verfügbar bis 21. Januar 2021).

Am zweiten Weihnachtsfeiertag sendet das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von Kent Nagano ein Weihnachtskonzert aus dem Hamburger Michel (zu sehen auf YouTube).

Am 27. Dezember folgt „Vetrasól“, das Weihnachtskonzert von Árstíðir aus der Fríkirkjan in Reykjavík. Ich hatte Ende letzten Jahres das Vergnügen in München und freue mich daher umso mehr, die Jungs auch einmal in ihrer natürlichen Umgebung erleben zu dürfen. Sei es auch nur vom heimischen Sofa aus.

Wem das alles zu besinnlich ist, der findet eventuell am „Kabarettistischen Jahresrückblick 2020“ gefallen, aufgezeichnet im Mehringhoftheater Berlin.

Oder am Neujahrskonzert von Erobique! Special Guest: das Bo.

Wer „zwischen den Jahren“ Zerstreuung sucht, kann sich beispielsweise im Rahmen der Ausstellung „Karten Wissen Meer – Globalisierung vom Wasser aus“ auf der Webseite des Deutschen Schifffahrtsmuseums eine eigene Seekarte zusammenbauen. Oder einen Blick auf alte Schätzchen der hauseigenen und der Sammlung Perthes Gotha werfen.

Außerdem hat das National Theatre das Bitten und Flehen seines Publikums erhört und bietet nun regulär einen „At Home“-Streamingdienst an. Hurra! Ich habe gleich am ersten Tag ein Abo abgeschlossen, aber seither noch kein einziges Stück angeschaut. Es gab so viel anderes Zeug zu sehen und zu hören! Mein Vorsatz daher für 2021: den Theaterdonnerstag wieder einführen und genüsslich das Archiv leer gucken. Sollte mir nicht allzu schwerfallen.

The Show must go online (16)

Es riecht nach Verlängerung des (Kultur-)Shutdowns. Kaum überraschend, aber zunehmend unschön.

Um den Faden aus Folge 15 direkt wieder aufzunehmen: Das Brooklyn Museum präsentiert in der virtuellen Ausstellung „The Queen and the Crown“ Kleidungsstücke aus den beiden Netflix-Serien „The Crown“ und „The Queen’s Gambit“ sowie dazu passende Objekte aus der eigenen Sammlung. Sehr ansprechend gemacht.

Das Deutsche SchauSpielHaus hatte unlängst Livestream-Premiere, meiner Twitter-Timeline zufolge mit einigen technischen Problemen. Am 29. November 2020 folgt mit „Anna Karenina – allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“ der zweite Anlauf. Ich werde wegen einer Terminkollision leider nicht dabei sein können, denn das Lockdown Theatre hat zu eben diesem Termin die Veranstaltung „For One Knight Only“ angekündigt. Als Gastgeber fungiert Sir Kenneth Branagh, die Gäste sind Dame Judi Dench, Sir Derek Jacobi, Dame Maggie Smith und Sir Ian McKellen. Einnahmen aus der Show fließen an „Acting for Others“ und kommen damit Theaterschaffenden zugute.

Apropos Großbritannien, im Londoner Barbican gibt es bekanntermaßen nicht nur das LSO zu sehen und zu hören. Auch für Auswärtige zugänglich sind die Reihen „Concerts on Demand“ und „Live from the Barbican – From our hall to your home“. Wem beispielsweise die Theateradaption von „A Christmas Carol“ – Stichwort Old Vic: In Camera – nicht zusagen sollte, der kann alternativ am 22. Dezember 2020 auf das Programm von „A Dickensian Christmas“ zurückgreifen. Der Schauspieler Kevin Whately („Lewis“) liest Auszüge aus dem Weihnachtsklassiker, dazu spielen London Concert Brass unter der Leitung von Hilary Davan Wetton. Alles andere als Humbug!

Klassische Weihnachtslieder, but with a twist: So kann man „A very chilly christmas“ beschreiben, das in der vorletzten Woche erschienene Album von Chilly Gonzales. Am 4. Dezember 2020 stellt Gonzales sein neues Werk im Rahmen der Classic Album Sundays im „Elgar Room“ der Royal Albert Hall vor. Kostenpunkt: £10.

Ganz und gar kostenfrei ist dagegen Martin Kohlstedts gestreamte Release Party anlässlich des Erscheinens des Albums „FLUR“ am 26. November 2020 (ab 20:00 Uhr).

Um das Dreigestirn komplett zu machen: Auch Nils Frahm hat einen neuen Tonträger angekündigt. Das Livealbum „Tripping with Nils Frahm“ wird vom gleichnamigen Konzertfilm flankiert – oder umgekehrt, je nach Perspektive. Das Album erscheint am 3. Dezember 2020 bei Erased Tapes, die Filmpremiere findet am gleichen Tag exklusiv bei MUBI statt.

The Show must go online (15)

Die letzte Kulturveranstaltung, die ich vor dem zweiten Shutdown ab dem 2. November 2020 noch besuchen konnte, war übrigens das „Requiem“ von Wolfgang Amadeus Mozart als Konzertinstallation, stimmgruppenweise eingespielt vom Chor St. Johannis-Harvestude, untermalt von einem Orchester und garniert mit Visuals, beides aus dem Computer. Alles zusammen hat erstaunlich gut funktioniert.

„It will help the ages to mourn“, urteilt Antonio Salieri über Mozarts „Requiem“ in Peter Shaffers Theaterstück „Amadeus“, das den meisten in der Filmadaption von Miloš Forman bekannt sein dürfte. Ich könnte es besser nicht ausdrücken.

Ólafur Arnalds hat am gestrigen Freitag ein neues Album herausgebracht. Einige Stücke aus „some kind of peace“ werden am kommenden Wochenende (13./14. November 2020) im Rahmen eines von den Iceland Airwaves präsentierten Livestream Festivals erstmals live zu hören sein. Außerdem mit von der Partie bei „Live from Reykjavík“ sind unter anderem Emilíana Torrini, Júníus MeyvantÁsgeir und Of Monsters and Men.

In früheren Folgen hatte ich bereits die Online-Inhalte des einen oder anderen Museums erwähnt. In der c’t wurde kürzlich eine ausführliche Liste veröffentlicht. Sie gehört zu einem Artikel, der unter der Kapitelüberschrift „Gesellig & fit trotz Corona“ präsentiert wird. Der Spruch – naja. Reicht jetzt auch damit. Aber die Liste! Erste Klasse.

Ein Lichtblick im hiesigen Novemberdunkel ist, dass die Hamburger Bücherhallen geöffnet bleiben durften. Außerhalb deren Räumlichkeiten und unabhängig von stationären Öffnungszeiten können Inhaber:innen einer Kundenkarte aber auch auf die eBuecherhalle zugreifen. Neben der Onleihe und dem Zugang zu digitalen Zeitungen und Magazinen (pressreader, GENIOS EBIB) stehen dort verschiedene Informationsdienste und Streamingangebote zur Verfügung. Über GENIOS kann man beispielsweise dem Hamburger Abendblatt mit einem Tag Verzögerung zumindest punktuell hinter die Paywall gucken.

Speaking of Streamingangebote: Netflix braucht nun wirklich keine Werbung von dieser Stelle, aber ab 15. November 2020 ist dort die vierte Staffel von „The Crown“ zu sehen und ich finde, dass solltet ihr wissen. Das heißt, falls nicht eh schon bekannt. Ich liebe die ersten beiden Staffeln heiß und innig und musste sie mir folglich als Hardcopy ins Regal stellen. Die dritte hat mich nicht ganz überzeugt, aber der Trailer zur vierten sieht vielversprechend aus.

Wer immer noch meint, die Story sei doch ein alter Hut und nicht der Beachtung wert: Selbst alte Hüte werden wieder spannend, wenn sich jemand dransetzt, der richtig gut erzählen kann. Peter Morgan konnte das schon für die große Leinwand („The Queen“) und fürs Theater („The Audience“) und bekam mit dem Serienformat schließlich die Beinfreiheit, innerhalb des ganz großen viele kleine und mittelgroße Bögen zu spannen. Meisterhaft.

The Show must go online (14)

Was soll ich sagen. Sir Simon Rattle und das Mahler Chamber Orchestra wären es im November gewesen. Und ein weiteres „Blind Date“. Ich wusste schon, warum ich mir den Gutschein für die Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker bis zum Herbst aufgehoben hatte. (Die Zugabe des Konzerts vom 31. Oktober 2020: „4’33“ von John Cage.) Der Vorverkauf für die Dezember-Konzerte in Hamburg soll übrigens wie geplant anlaufen. Ich überlege inzwischen, ob ich noch zugreife oder lieber nicht mehr. Was abgesehen von der allgemein unerfreulichen Lage mittlerweile nämlich auch ganz schön an die Nieren geht: ausgebremste Vorfreude. 

Daniel Hope startet ab kommenden Montag (2. November) eine neue Runde „Hope@Home“ bei ARTE Concert. Diesmal sollen junge, freischaffende Künstler im Fokus stehen, die von den coronabedingten Schließungen und Absagen bekanntlich besonders betroffen sind.

Das NDR Elbphilharmonie Orchester musste sein 75jähriges Jubiläum zwar vor leerem Saal begehen, aber immerhin, es konnte. Das Konzert vom 30. Oktober 2020 ist beim NDR als „Video on Demand“ abrufbar.

Die Nordischen Filmtage 2020 (4. bis 8. November) finden statt als Hybridformat nun komplett im Netz statt. Der Vorverkauf für die Streams startet am 1. November.

Ab 9. November gibt es Tickets für die neueste „In Camera“-Produktion des Old Vic Theatre zu kaufen: Jack Thornes Version von „A Christmas Carol“ wird zwischen dem 12. und 24. Dezember aufgeführt.

Das wird dann wohl spätestens der Moment sein, in dem ich Felicity Cloake’s Mince Pie Masterclass angehe. Letztes Jahr bin ich nicht dazu gekommen.

The Show must go online (13)

Ich fürchte beinahe, es ist ein passender Zeitpunkt, um wieder einzusteigen in meine kleine Serie. Zum Beispiel hätte ich morgen Abend eigentlich in der Laeiszhalle sitzen wollen, um Jordi Savall und seinem Orchester Le Concert des Nations zu lauschen. Beethoven sollte es geben. Leider wurden einige Orchestermusiker positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Absage also. Wird wohl nicht die Letzte dieser Art bleiben.

Die Frankfurter Buchmesse ist dieses Jahr digital. Das dürfte den meisten Leser:innen des Susammelsuriums bereits bekannt sein. Viele der präsentierten Inhalte werden nicht nur live gestreamt, sondern sind nachträglich noch in diversen Mediatheken abrufbar. Zum Beispiel die Präsentation von Chilly Gonzales‚ Buchdebut „ENYA – A Treatise on Unguilty Pleasures“ (auf ARTE Concert).

Und wenn man einmal dabei ist, kann man sich auch gleich die Doku „Shut up and play the piano“ anschauen. Auch bei ARTE.

Die neue Normalität

Ich war wieder da. In der Elbphilharmonie. Dreimal sogar schon inzwischen.

Zuerst beim Harbour Front Literaturfestival am 12. September 2020, auf den Tag genau sechs Monate nach dem letzten regulären Konzert im Großen Saal vor der coronabedingten Schließung. Vorgestellt wurde Literatur aus Luxemburg. Ich gestehe, ich war ungefähr zu gleichen Teilen wegen Saša Stansišić (Moderation) und  Pascal Schumacher (musikalische Untermalung – neues Album!) dort.

Die Texte von Elise Schmit und Nora Wagener haben mir dann aber auch gut gefallen.

Der Saal soll nominell ausverkauft gewesen sein, was nach den derzeitigen Regeln 620 zu besetzende Plätze bedeutet. Die waren allerdings bei weitem nicht gefüllt. Schade.

Bei den Philharmonikern (am 28. September) bot sich ein anderes Bild. Der reguläre Spielbetrieb soll erst ab Januar wieder starten. Als Abonnentin profitierte ich jedoch von einem Vorbestellrecht für diverse Ersatzvorstellungen mit geändertem Programm. Anders wäre ich wohl auch nicht in das alternative 1. Philharmonische Konzert gekommen. Nicht zwingend der Nachfrage, sondern der Saalplanproblematik wegen. Den Hindemith fand ich toll, den Schubert großartig. Nur mit Mahlers „Liedern eines fahrenden Gesellen“ fremdelte ich. Kunstlieder sind generell nicht so meins (abgesehen von der „Winterreise“).

Es ist ja nicht alles schlecht an der neuen Normalität. Das in reduzierter Besetzung auftretende Orchester ist rund um den Dirigenten platziert (was den Sitzen hinter der Bühne eine völlig neue Qualität verleiht), es stehen mehr Konzerttermine zur Auswahl, weniger Zuschauer produzieren weniger Störgeräusche, kein Gedränge auf den halsbrecherisch konstruierten Treppen beim Verlassen des Konzertsaals, der Foyers und des Gebäudes und nicht zuletzt bekommt man Werke und Besetzungsvarianten zu hören, die unter regulären Umständen hinter monumentaleren Stücken und Versionen zurückbleiben. Und was die Chancen für „Kultur-Singles“ betrifft: Die bessern sich ab November. Laut einer Meldung des Hamburger Abendblatts in der Ausgabe vom 26./27. September 2020 hat die Elbphilharmonie den Corona-Saalplan überarbeitet. Der verstärkten Nachfrage nach Einzelplätzen wegen.

Ich schaffte es dennoch schon in das erste „Blind Date“ der Saison am 2. Oktober – mirakulöserweise standen beim Buchungsversuch plötzlich doch ein paar Einzelplätze im Kleinen Saal zur Verfügung. „Spark – die klassische Band“ nannte sich das aufspielende Ensemble, bestehend aus Cello, Geige/Bratsche, Blockflöte, Harmonika und Klavier. Je bearbeiteter und „eigener“, desto besser gefielen mir die Stücke des Programms „On the Dancefloor“. Mein Favorit: der Chambertechno gleichen Namens.

Es gab ein paar Momente, in denen mir der Gedanke „Uhhhh – zu viel, zu dick aufgetragen – weniger ist mehr!“ durch den Kopf schoss. Bezogen sowohl auf die Arrangements als auch auf die Präsentation. Das fällt allerdings unter Meckern auf hohem Niveau.

Heißer Tipp für den Besuch des Kleinen Saals bei reduzierter Auslastung: eine Bekleidungsschicht mehr einplanen. Die Klimatechnik ist offenbar noch auf „voll besetzt“ ausgerichtet.

Allein, so geht es letztlich allen. Es renkt sich so zurecht, man tastet sich vorwärts, Schritt für Schritt, Tag für Tag, die aktuellen Entwicklungen immer im Blick. Jedenfalls habe ich mich zu jedem Zeitpunkt sicher gefühlt in der Elphi. Und war sehr froh, endlich wieder dort sein zu dürfen.