In Concert: stargaze mit David Bowies „Blackstar“ in der Elbphilharmonie

Drei Tage ist der Auftritt von stargaze, Anna Calvi, Soap&Skin, Lætitia Sadier und Jherek Bischoff in der Elbphilharmonie jetzt her und ich bin immer noch zwiegespalten.

Einerseits mag ich stargaze und die Idee hinter diesem Ensemble und Musikerkollektiv und sei es nur deshalb, weil sie zu den Mitwirkenden des mir für alle Zeit unvergeßlichen „Possibly Colliding“-Konzerts im Barbican gehörten. Die Arrangements der Songs gefielen mir sehr und der Bassmann – der Bassmann!

Andererseits hatte ich Schwierigkeiten mit dem Gesang. Was die eine der drei Damen zu viel wollte, kam von den anderen beiden zu wenig und irgendwie ging das alles mit dem Instrumentalpart nicht recht zusammen. Insbesondere von der Dynamik her. Ein Teil davon lässt sich unter Umständen auf meinen Sitzplatz zurückführen – 12 A in der vierten Reihe, das ist einfach zu nah an der Bühne bei einem verstärkten Konzert in der Elphi – aber ich bin ziemlich sicher, dass es mir auf einem klanglich besser gelegenen Sitz nicht viel anders ergangen wäre. Auch kann ich die Konzertbesucher verstehen, die nach der letzten Zugabe verwundert auf ihre Uhren blickten und sich Fragen zur Relation von Ticketpreis und Veranstaltungsdauer stellten. Beginn war um 20 Uhr und bis 21:45 Uhr sollte der Abend laut Programmheft dauern. Um kurz nach 21 Uhr war jedoch bereits alles vorbei und eine Pause war von vornherein nicht eingeplant.

Der Genuss war also nicht ganz ungetrübt. Trotzdem hätte ich den Abend nicht missen wollen – allein der wahrhaft unsterblichen Musik David Bowies wegen.

In Concert: Kent Nagano, das Philharmonische Staatsorchester Hamburg und Singer Pur in der Elbphilharmonie

Die Karte für dieses Sonderkonzert im Rahmen des Internationalen Musikfests hatte ich eigentlich nur deshalb gekauft, weil ich Kent Nagano und die Philharmoniker noch nicht in der Elbphilharmonie gesehen und gehört hatte und an Tickets für die regulären Termine einfach nicht heranzukommen war. Erst Monate später ging mir auf, an was für eine besondere Konstellation ich dadurch geraten war: eine keineswegs lineare Zeitreise durch fünf Jahrhunderte sakraler Musik unter Mitwirkung des Vokalensembles Singer Pur.

Wann und warum genau Singer Pur auf meinem Radar erschienen sind, kann nicht leider nicht mehr nachvollziehen. Immerhin hat es eine CD in meine Sammlung geschafft und wenn ich auch ansonsten unbedingter Fan des Hilliard Ensembles bin: Die vier Herren aus Großbritannien treten aus Altersgründen inzwischen nicht mehr auf, das Ensemble wurde im Dezember 2014 aufgelöst. Wer (Renaissance-)Vokalmusik auch live hören möchte, muss also sowieso umsteigen – warum nicht auf Singer Pur? Ein Gegenargument wollte mir bei der Performance nicht einfallen. Großartig.

Dann waren da noch die zwei Stücke von Arvo Pärt, „Summa“ und „Orient & Occident“ für Streichorchester. Selten genug zu hören in Hamburg (Wieso eigentlich? Oder gucke ich einfach nur falsch?). Und Wagner, das Parsifal-Vorspiel! Eigentlich will ich Wagner nicht mögen, viel zu pompös und sowieso, der Typ an sich, so überhaupt nicht meine Fraktion. Aber es hilft nichts, jedes Musikstück von diesem Mann – live gespielt – kriegt mich ausnahmslos. Widerstand scheint zwecklos.

Zum Schluss wurde es anstrengend: Das Stück „Et exspecto resurrectionem mortuorum“ von Olivier Messiaen klang nicht jedem der Zuhörer wie Musik in den Ohren. Allmählich gewöhnen sich meine an die des 20. Jahrhunderts; es ist immer noch mehr (manches Mal zugegebenermaßen fassungslose) Faszination als Genuss, aber es wird. Insbesondere bei den letzten beiden Sätzen erwies es sich von Vorteil, hinter dem Orchester zu sitzen. Tamtams, Gongs, Röhren- und Kuhglocken kamen zum Einsatz und beschäftigten nicht weniger als fünf Schlagwerker. Ganz großes Kino. Ein winziger Abzug in der B-Note: Vielleicht lag es an meiner Position, aber zwischenzeitlich hatte ich den Eindruck, dass die Herren mit dem Rest des Orchesters nicht ganz synchron waren.

Dabei mag auch die saaleigene Überakustik eine Rolle gespielt haben. Jedes (Ein-)Atmen von Kent Nagano war zu hören, das Knarzen des Fagotts, das Geräusch der Stuhlbeine auf dem Bühnenboden jedes Mal, wenn die Kontrabassisten zu einer Attacke ausholten. Wer die Ohren davor nicht zu verschließen suchte, konnte somit nicht nur die Musik hören, sondern auch, wie sie entstand. Ich mag das ja. Zunehmend.

Apropos Ohren verschließen: Das Publikum machte dieses Mal einen deutlich konzerterfahreneren Eindruck und die offenbar unvermeidlichen Nies- und Hustenattacken gingen mehrheitlich im Orchestersound unter. Lediglich beim ersten Vokalstück nach der Pause war eine kleine Disziplinarmaßnahme notwendig („Schhhhh!!!“) und die Dame, deren Mobiltelefon fröhlich pfeifend mitten in eine der Messiaenischen Generalpausen einbrach*), hat mir eher noch leid getan. Der Trulla hingegen, die ihr Gerät während desselben Stücks überhaupt nicht unter Kontrolle bekam und schließlich aus reiner Not eine Jacke darum wickelte, sei gesagt: Zeitgenossen, die an ihrem Handy weder den „Aus“- noch den „Leise“-Knopf kennen, sollten mit lebenslänglichem Saalverbot belegt werden. Oder das Ding an der Tür abgeben müssen.

(Ist doch wahr.)


*) Ob man das auch im Radio gehört hat? NDR Kultur war schließlich live dabei…

Im Rückstand

Um den Faden nicht komplett zu verlieren, hilft jetzt nur noch Kompaktverbloggen. Es folgen zweimal Theater und zweimal Musik.

„Antigone“ mit Bodo Wartke und Melanie Haupt im Schmidts Tivoli

Darauf war ich sehr gespannt: Wie gehen ein hochdramatisch klassisches Werk und Klavierkabarett zusammen? Zwar hatte Bodo Wartke zuvor schon mit „König Ödipus“ unter Beweis gestellt, dass man Sophokles auch humorvoll präsentieren kann, ohne respektlos zu wirken. Aber „Antigone“ ist da noch einmal eine andere Liga. Abgesehen davon wird einem bei näherer Betrachtung des Stücks mehr und mehr bewusst, wie geradezu unangenehm aktuell dieser Stoff eigentlich ist. So gab es nicht wenige Momente während der öffentlichen Generalprobe (bzw. inoffiziellen Premiere), in denen im Raum gebannte Stille herrschte und einem das Lachen im Halse stecken blieb. Nachdem alle Tode gestorben sind, sitzen Bodo Wartke und Melanie Haupt auf der Bühne, reflektieren das Geschehene und schaffen das nahezu Unmögliche: die Transformation von Tragik und Moral zu einem mitreißend gesungenen Plädoyer für die Notwendigkeit des zivilen Ungehorsams. Auch das kann Unterhaltung. Hut ab!

„Junk“ im Deutschen Schauspielhaus

Ganz anders das Haus, der Ansatz, der Aufwand und naturgemäß das Publikum, aber ebenso aktuelles Thema: Ayad Akhtars Stück „Junk“ erzählt die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Investmentbankers, der das Finanzsystem auf den Kopf stellt, indem er aus Schulden Geld macht. Dass bei seinen Hochrisikooperationen regelrechte Blasen entstehen und real existierende Werte, Unternehmen und Arbeitsplätze zerstört werden, nimmt Robert Merkin billigend in Kauf. Die komplexen Abläufe hinter dem Geschäft mit den Ramschanleihen („Junk“) so zu erklären, dass man als Laie zumindest ansatzweise den (Aber-)Witz versteht, ist eine Schwierigkeit des Stücks. Text wie Regie meistern das gut. Der Anfang ist etwas zäh, aber dann bildet sich der Spannungsbogen, nicht zuletzt durch das laufend gesteigerte Tempo, und die letzten Minuten lassen erahnen, warum in diversen Kritiken das Wort „rasant“ verwendet wird. Obwohl nach wahren Begebenheiten erzählt, kamen mir einige Figuren überstilisiert vor. Ich fürchte allerdings, dass es sich dabei um reines Wunschdenken handelt – die Wahrscheinlichkeit, dass sich das alles genau so oder wenigstens sehr ähnlich abgespielt hat, ist vermutlich erschreckend hoch. Wie dem auch sei, „Junk“ hat mir gut gefallen. Auch schauspielerisch und vom Bühnenbild her.

Federico Albanese in der Elbphilharmonie

Es hätte ein perfekter Abend werden können, denn Federico Albaneses filigrane Mischung aus Elektronik, Klavier und Streichern und die sensible Akustik des Großen Saals der Elbphilharmonie sind quasi füreinander geschaffen.

Doch leider spielten weite Teile des Publikums nicht mit. Zu wenige ernsthaft Interessierte und zu viele zum Teil mit Bussen aus dem Umland herbei gekarrte Menschen zumeist fortgeschrittenen Alters saßen in den Rängen. Vermutlich hegten nicht wenige davon die Erwartung eines „schönen“ Konzerts mit einem italienischen Pianisten in dem sagenumwobenen Haus an der Elbe. Und so kam es, wie es kommen musste: Geraschel, Geflüster, Geklapper, aus dem Saal Gerenne; von den durch die gefühlt sechs bis acht im Raum befindlichen offenen Tuberkulosen komplett verhusteten und verröchelten Passagen fange ich gar nicht erst an, da riskiere ich am Ende noch einen Shitstorm. Ein Genuss war das jedenfalls nicht. Schade.

Nils Frahm in der Elbphilharmonie

Dass ich dem allerersten Auftritt von Nils Frahm in der Elbphilharmonie nur ein Viertel eines Blogbeitrags widme, möge mir bitte verziehen werden. Es war schon mein zweites Konzert der „All Melody“-Tour und die seinerzeit geäußerte Hoffnung, dass zwischen Januar und April ein weiteres Level erreicht werden könnte, erfüllte sich vollends. Hatte ich in Köln noch ungefähr 30% des Konzerts in den Bauch atmen müssen, so waren es jetzt 70%. Nur die aktuelle Liveversion von „Sunson“ ist mir (noch?) etwas zu hektisch, da wäre weniger eventuell mehr. Der gegenüber der Bühne leicht erhöhte Blick aus 13 I bot ein perfektes Sichtfeld, der Platz ist absolut wasserflaschensicher und entpuppte sich zudem als frei von störenden Nebengeräuschen. Wobei ich das begeisterte Mitschnarren der ortsansässigen Orgelpfeifen nicht mitzähle. Da hatte die Orgel im Kölner Pendant noch ganz andere Töne produziert. Apropos Orgel, über den „Panflötengenerator“ werde ich wohl noch eine Weile schmunzeln und ich finde es keineswegs bedauerlich, dass der Steinway keine Blutspritzer abbekommen hat (In die Hand hacken beim Messerschärfen, du meine Güte. Und das als Tastenmensch!). Das einzig Furchtbare an dem Abend: Er ist jetzt vorbei. Die Vorfreude auf die Musik einer meiner allerliebsten Künstler in einem meiner allerliebsten Konzertsäle – wie Geburtstag, Weihnachten und alle anderen Fest- und Feiertage zusammen! – wird mir fehlen.

So, und ab jetzt läuft es hier wieder im üblichen Takt! Ich werde mich zumindest bemühen…

In Concert: Kimmo Pohjonen mit „Ultra Organ“ in der Elbphilharmonie

Kürzlich berichtete ich von einem „Blind Date“ im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Vor einigen Tagen wiederholte sich für mich diese Erfahrung, und zwar durch ein quasi geerbtes Ticket für das Konzert von Kimmo Pohjonen.

Über Pohjonen wusste ich zuvor lediglich, dass er Finne ist und Akkordeon spielt. Da springen einem ungefragt sofort diverse (Tango-)Klischees ins Kopfkino. Pohjonen und seine Crew, bestehend aus Mikko Helenius (Orgel), Tuomas Norvio (Elektronics) und Otso Vartianen (Licht), zerlegten diese in rund 70 Minuten vollständig. „Ultra Organ“, so der Titel des Werks, kombiniert (die Elbphilharmonie-)Orgel mit einem über weite Strecken tonverfremdeten Akkordeon, Gesang und Stimme, elektronischen Elementen und Samples. Einen wesentlichen Beitrag zur andersweltlichen Atmosphäre des Abends trug dazu das Lichtdesign bei. Man wähnte sich zwischenzeitlich in einer eiszeitlichen Höhle, den Gesängen eines Schamanen lauschend, dann wieder auf weiter Fläche, dann wieder in einer Kathedrale.

Ob das Gehörte handwerklich Weltklasse war, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich habe klangveränderte Klaviere, Stimmen, Gitarren und Harfen erlebt und gemocht; bei Kimmo Pohjonen und seinem Hightech-Akkordeon sprang der Funke nicht ganz über. Beim Gesamtkunstwerk „Ultra Organ“ hingegen schon. „Ist das nun sakral oder eher teuflisch?“, fragt das Programmblättchen. Das sind in diesem Fall wohl irrelevante Kategorien. Es reicht vollkommen, zu sagen: Es war in jeder Hinsicht beeindruckend.

In Concert: Helge Schneider in der Elbphilharmonie

Ich bin leidenschaftliche Verfechterin der musikalischen Vielfalt in der Elbphilharmonie und habe diese Position an dieser und an anderen Stellen bereits mehrfach verteidigt. Warum also nicht auch Helge Schneider und Band mit ihrer gekonnten Mischung aus (Jazz-)Musik und Klamauk im Großen Saal antreten lassen, zwei ausverkaufte Abende lang!

Schön schräg war’s und als ich schon dachte, schräger wird’s nicht mehr, stieg Helge Schneider hoch zum Orgelspieltisch und holzte sich mehr schlecht als recht durch „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“.

Nun hatte ich erst ein paar Tage zuvor anlässlich des „Tags der Orgel“ an einer Präsentation der Elbphilharmonie-Orgel durch Thomas Cornelius teilgenommen. Wir lernten dabei, dass die über 4.700 Pfeifen auf sechs Ebenen aufgeteilt sind: Chorwerk, Hauptwerk, Schwellwerk, Solowerk, Großpedal und Fernwerk. Das Fernwerk befindet sich im Klangreflektor über der Bühne; das ist dieser runde Pilz, aus dem bei Bedarf auch Lautsprecher abgeseilt werden können. Die längste, hölzerne Pfeife ist über 10 Meter lang und erklingt mit 16 Hertz – ein sehr tiefes Wummern, irgendwo in der Magengegend spürbar und kaum als Ton zu identifizieren. Die kürzeste besteht aus einer Metalllegierung, misst 11 Millimeter und ihre 15.600 Hertz nimmt man als sehr hohes Fiepen wahr – wenn man die Frequenz überhaupt hören kann (ich konnte – Hörtest bestanden!). Zu den zahlreichen Besonderheiten gehört, dass die metallenen Orgelpfeifen mit einer speziellen Beschichtung versehen sind. Sie können daher angefasst werden. Das ist normalerweise tabu, weil es den Klang beeinträchtigt. Und was für ein Klang das ist, wenn jemand am Spieltisch sitzt, der dieses Instrument wirklich gut kennt! Absolut irre. Mir stehen immer noch sämtliche Nackenhaare zu Berge, wenn ich nur daran denke.

Zurück zu Helges Ausflug an die Pfeifen. Nein, für ein solches Spektakel hat Philip Klais dieses Ausnahme-Instrument ganz bestimmt nicht gebaut und ja, es war zweifelsohne ein Sakrileg, was Helge Schneider damit angestellt hat. Aber was für ein Spaß! Das halten Haus und Saal aus. Und die Orgel erst recht.

Nachtrag

Worüber ich in den letzten 14 Tagen bisher nicht gebloggt habe:

  1. HAM.LIT 2018,
  2. das „Blind Date“ im Kleinen Saal der Elbphilharmonie,
  3. Christian Löffler bei „le concert abstrait“ im Planetarium Hamburg.

HAM.LIT, die „Lange Nacht junger Literatur und Musik“, ist grundsätzlich super. Nur platzt die Veranstaltung langsam aber sicher aus allen Nähten. Das Gedränge nahm zwischenzeitlich ein Ausmaß an mit dem ich nicht kompatibel bin. Mein persönliches Highlight war der Auftritt von Hundreds im Ballsaal des Uebel & Gefährlich. Schade nur, daß ein Großteil der Anwesenden die komplette Performance zerquasselte. Sie verpaßten auf diese Weise die mutmaßlich einmalige Gelegenheit, Hundreds-Klassiker in einer aufs Wesentliche reduzierten Fassung für Klavier und Gesang zu genießen.

Beim „Blind Date“ in der Elbphilharmonie kauft man für 25 Euro die Katze im Sack. Alles ist möglich: Klassik, Kammermusik, Jazz, Folk, Elektronik; weitere Vorinformationen gibt es nicht. Der zweite Termin der neuen Reihe wurde von Remy van Kesteren bestritten, einem holländischen Harfenisten. Van Kesteren entspricht so gar nicht dem Klischee, daß diesem Instrument anhaftet und spielte sowohl eine Konzert- als auch eine Deltaharfe solo, geloopt und mit elektronischen Elementen. Nur eine Handvoll Besucher des komplett ausverkauften Saals verließen diesen vorzeitig – völlig legitim, man kann bei einem Blind Date eben auch mal daneben liegen. Der Künstler nahm es sportlich; die Mehrzahl blieb und spendierte Standing Ovations. Im Eintrittspreis ist ein Freigetränk enthalten, als Anregung, sich nach dem Konzert an der Bar mit dem oder den Künstlern austauschen zu können. Das ist leider nur ein theoretischer Wert, denn auch der kleine Elphi-Saal faßt noch zu viele Menschen, als daß dies in aller Ausführlichkeit möglich wäre. Zudem ist das nach den Renovierungsarbeiten wieder in vollem Umfang zugängliche Foyer baulich nicht gerade ideal dafür. Trotzdem, eine hochgelungene Veranstaltung! Ich bin nach Möglichkeit wieder dabei. Und Remy van Kesteren kommt auf meine Liste.

Und Christian Löfflers Auftritt bei „le concert abstrait“? Ich machs kurz: Prädikat „besonders planetarisch“.

In Concert: Nils Frahm in der Kölner Philharmonie

Die Tickets für den Auftritt von Nils Frahm in der Kölner Philharmonie waren lange vor Ankündigung der „All Melody“-Tour in den Vorverkauf gegangen und ich erinnere mich noch gut, wie ich tagelang zögerte. Es erschien mir einerseits unwahrscheinlich, dass es das einzige Frahm-Konzert bleiben würde. Andererseits war die Schlussfolgerung Köln gleich Philharmonie macht Hamburg gleich Elbphilharmonie logisch, mit allen Vor- und Nachteilen, Stichwort Kartenbeschaffung. „Ach was, es ist ein Wochenende, und wahrscheinlich bist Du dann praktischerweise sowieso schon in Düsseldorf auf der Bootsmesse“, dachte ich, und versuchte, den Saalplan mit meinen Erinnerungen an den letzten Besuch vor über zwanzig Jahren in Einklang zu bringen. Ich erwarb schließlich eine Karte in der Preiskategorie zwei, im festen Glauben, einen schönen Rangplatz mit freiem Blick, aber weitem Abstand zur Bühne ergattert zu haben.

Im Foyer wunderte ich mich noch kurz, dass sich der Eingang zu Block D im Untergeschoss befand. Als ich den Saal betrat und das System der Reihennummerierung begriff, schwante mir, dass ich das mitgeführte Monokular eventuell nicht benötigen würde. Die Stufen und Reihen abzählend arbeitete ich mich immer weiter nach vorne vor, um schließlich auf einem Einzelplatz direkt am linken Bühnenrand zu landen.

So sehr ich es liebe zu beobachten, wie Musik entsteht: Gesehen werde ich dabei nicht so gerne. Gerade wenn es um Töne geht, die das Potenzial haben, mich an meine Grenzen zu bringen. Ein Grund, warum ich Parkettplätze meide. Aber da war er nun, mein höchstpersönlicher Präsentierteller, ohne Ausweichmöglichkeit aufgrund der vollbesetzten Ränge. Augen auf beim Ticketkauf…

Das Unbehagen verschwand jedoch, sobald Nils Frahm die Bühne betrat und zu spielen begann. Meine Sicht war trotz der exponierten Lage teilweise eingeschränkt, der Mann auf der Bühne befand sich augenscheinlich im Tunnel zwischen seinen Instrumenten und suchte beim Blick ins Publikum stets die Weite. Gefährlich wurde es nur einmal: Die kleine Mineralwasserflasche, die mitten im Laufweg stand, wurde glücklicherweise von einer Monitorbox abgebremst und war nur noch etwa zu einem Drittel gefüllt.

Man konnte an der einen oder anderen Stelle hören, dass die Tour gerade erst begonnen hat. Einigen der frischeren Stücke fehlte noch der allerletzte Schliff zum sehr speziellen frahmtypischen Live-Flow, der das regelmäßige Besuchen von Konzerten unersetzlich macht. Die Konserve, selbst in Form einer Liveaufnahme, erfasst es einfach nicht. Genauso wenig wie ich imstande bin, in kluge Worte zu kleiden, was da auf der Bühne, im Raum und in mir selbst passiert. Man lässt sich ein, das Denken setzt aus und dann ist da nur noch Klang, der einen je nach Tagesform fliegen oder aber rettungslos ertrinken lässt. Jedes Mal wieder. Eine Erfahrung mit ganz erheblichem Suchtpotential und das ist in meinem Fall noch sehr milde ausgedrückt.

Ich bin gespannt, wie sich das im Entstehen befindliche Gesamtkunstwerk „All Melody“ weiterentwickelt. Bis April wird die nächste Stufe wohl schon gezündet sein.

Dann werde ich allerdings schräg hinter der Bühne sitzen. In sicherem Abstand.

(Jahres-/Konzert-)Rückblick 2017

2017 war aus verschiedenen Gründen ein ziemlich exzessives Konzert- bzw. Kulturjahr. Diesen Takt werde ich in den kommenden zwölf Monaten voraussichtlich nicht halten können. Wobei ja schon im Januar – aber das kommt dann; eins nach dem anderen. Zunächst der Rückblick! Besonders auffällig ist in diesem Jahr der stetig steigende Jazz- und Opernanteil. Ein Schelm, der da auf mein Geburtsdatum schielt: Noch gelingt es mir, bei einschlägigen Veranstaltungen den Schnitt zu senken. Was mich selten freut, aber das ist ein ganz anderes Thema.

Die bemerkenswerten Premieren:

Neue Orte:

Die Wiederholten:

Ich sah außerdem vier Operninszenierungen in der Staatsoper Hamburg:

  • „Die Frau ohne Schatten“ von Andreas Kriegenburg,
  • „La Traviata“ von Johannes Erath,
  • „Lulu“ von Christoph Marthaler und
  • „Otello“ von Calixto Bieito.

Anders als in den letzten Jahren habe ich dieses Mal keinen ersten Platz zu vergeben. Ich erinnere viele schöne, intensive und kuriose Konzertmomente: Barbara Hannigans „Lulu“, ein Kaddish für Sir Jeffrey TateElgar in London, Martin Kohlstedt ohne Strom, die Rauchschwaden in der Kantine am Berghain oder Jarvis Cockers Krawatte, um nur einige zu nennen. Aber das Konzert des Jahres 2017, nein, dafür waren es vielleicht doch zu viele und vor allem zu viele verschiedene.

Was die Wahl des Veranstaltungsortes angeht, so kann es in diesem Jahr nur eine geben: die Elbphilharmonie natürlich. Unglaubliche fünfzehnmal habe ich im vergangenen Jahr mit einem Konzertticket in der Hand die Tube betreten, sechzehn Veranstaltungen waren es insgesamt. Und nein, es wird nicht langweilig. Dafür sorgt schon die Vielfalt der dort auftretenden Künstler. Fortsetzung folgt!

In Concert: Martin Kohlstedt in der Elbphilharmonie

Das Jahr 2017, das steht seit einer Weile schon fest, wird mir als überaus anstrengende Angelegenheit in Erinnerung bleiben, die gerade zum Ende hin einiges zu Wünschen übrig ließ. Die Details erspare ich den geneigten Lesern – die Wiederholungstäter unter euch werden eh mitbekommen haben, wo der Hase zurzeit (noch) im Pfeffer liegt.

Was die Erfüllung musikalischer Wünsche angeht, habe ich allerdings wenig Grund zur Klage. Eine entscheidende Rolle spielten dabei beinahe zwangsläufig die beiden Säle der Elbphilharmonie. Man muss im Prinzip als (Wahl-)Hamburgerin nirgendwo mehr hinfahren. Früher oder später kommen sie alle.

Zu meinen heimlicheren Hoffnungen gehörte es, dass Martin Kohlstedt bei seinem heutigen Auftritt im Großen Saal möglichst viel Zeit am Flügel verbringen würde. Bei den beiden Konzerten zuvor in der Astra Stube und im Volt hatte es schon aus Platzgründen „nur“ zu einem elektronischen Setup gereicht. Was mir zwar gut gefiel, aber, auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Ich bin nun einmal hemmungslos pianozentriert. In anderen Worten: Das Rhodes kriegt mich, Elektronischeres ebenso, gerne auch alles in Kombination, abgedreht, ausufernd und -fransend, mit allem und scharf. Aber niemals so sehr wie jede akustische Variante. Wobei es auch für diese Regel eine (einzige) Ausnahme gibt. Dazu dann mehr im neuen Jahr.

Dass in der Elbphilharmonie zumindest das Vorhandensein eines Konzertflügels zu erwarten war – geschenkt. Allein, das Album zur Tour heißt „Strom“ und klingt im Unterschied zu den Vorgängern „Tag“ und „Nacht“ auch danach. So war von vorneherein klar, dass der Flügel nicht nur in Gesellschaft auftreten, sondern streckenweise auch klangverfremdet zum Einsatz kommen würde.

Es blieb daher, auf die mir bereits bekannten X-Faktoren zu hoffen: Raum, Zeit, Publikum(-sreaktion), Tagesform. Und tatsächlich geschah, was ich zwar nicht für unmöglich, aber doch für recht unwahrscheinlich gehalten hatte: Martin Kohlstedt zog zur vorletzten Zugabe alle Strippen und widmete sich ausschließlich dem Konzertflügel. Unverstärkt.

Ich habe keine Worte dafür. Auch nicht für den Abend insgesamt. Nur diese: Lieber Martin, ich bin sehr gespannt, wie die Geschichte weitergeht. In Hamburg und überhaupt.

Wir sehen uns.

In Concert: Barbara Hannigan und Ludwig in der Elbphilharmonie

Ich war ja diese Woche auch noch bei Barbara Hannigan und Ludwig in der Elbphilharmonie und komme einfach nicht dazu, darüber zu schreiben. Dabei war das so toll. Der Debussy, die „Verklärte Nacht“, die Lulu-Suite sowieso und erst recht der Gershwin.

Wer sich von Barbara Hannigan als Dirigentin ein genaueres Bild machen will, sollte sich unbedingt die Dokumentation „Premières répétitions“ anschauen, die bis zum 12. Januar 2018 in der arte-Mediathek abrufbar war.