Internationales Sommerfestival 2018 auf Kampnagel

Jetzt ist es mir über der Nachbetrachtung des diesjährigen Internationalen Sommerfestivals doch tatsächlich Herbst geworden, allen guten Vorsätzen zum Trotze. Es ist ein Kreuz.

Internationales Sommerfestival

In diesem Jahr hatte ich trotz mehrfachen Besuchs das Gefühl, das Festival nur ganz am Rande gestreift zu haben. Einige für mich hochinteressante Veranstaltungen konnte ich aufgrund von Terminkollisionen leider nicht wahrnehmen und ein spontan gefasster Entschluss fiel dummerweise dem noch spontanerem Totalausfall meiner Waschmaschine zum Opfer („Cuckoo“ von Jaha Koo nämlich). Immerhin, zu viermal Sommerfestival hat es gereicht, und alles war wieder dabei: Musik, Tanz, Theater, Performance. Aber der Reihe nach.

Malpaso Dance Company: Triple Bill

Eine Überschrift hatte dieser Abend zwar, aber keinen roten Faden – wenn man mal von den Protagonisten absieht. Mit den Stücken von Aszure Barton, Osnel Delgado und Cecilia Bengolea sowie der musikalischen Begleitung durch Arturo O’Farrill lieferte die Company vielmehr eine Art Vielseitigkeitsprüfung ab. Beim „Indomitable Waltz“ entzückte zwar die Musikauswahl (u. a. Michael Nyman und Nils Frahm), das Stück hinterließ mich dennoch rätselnd. Gruppen- und Soloszenen wechselten sich ab mit Zweier- und Dreierkonstellationen. Waren Beziehungen das Thema? Falls ja: Zwischenmenschliche? Das Programmheft half da nicht weiter. Die Musik des Jazzoktetts unter der Leitung von Arturo O’Farril war das dominierende Element bei „24 Hours and a Dog“. Sowohl die Tänzer als auch ein eventuell vorhandener tieferer Sinn wurden in Windeseile zweitrangig. Vielleicht nicht ganz der Sinn der Übung, dafür aber umso mitreißender. Das drang sogar durch das außerordentlich herausfordernde Raumklima (Motto: „Heiß, heißer, K6“). Außerdem: Eine Latin-Version des irischen Traditionals „She moved through the fair“ klingt unmöglich, ist es aber nicht – zumindest, wenn man es so kann wie Arturo O’Farril und seine Mitstreiter. Den Schluss bildete „Liquidotopie“, die Auftragsarbeit Cecilia Bengoleas. Yoruba, jamaikanischer Dancehall sowie die Bewegungen von Oktopussen wurden als Inspiration genannt. Meinem Geschmack nach zu viele Ideen für ein Stück, das Oktopusthema hätte vollkommen ausgereicht. Musikalisch und choreographisch war das nicht durchgängig; der Mittelteil wich zu sehr ab und es wurde nur beinahe eine Geschichte erzählt. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir der Solosänger unter den Tänzern, der auch im Kopfstand noch weitersang. Ein klein wenig effekthascherisch, aber nichtsdestotrotz beeindruckend.

Fazit: Schön und gut, aber, und ich bemerkte es bereits im letzten Jahr, die Eröffnungsveranstaltung ist nicht das Sommerfestival. Kann man vielleicht auch nicht erwarten. Wobei der Begrüßungssekt schon nett ist. Und das Schaulaufen und die Reden, diesmal gar mit Erstem Bürgermeister! Den ich noch so wenig präsent habe, dass er mir erst durch die Anwesenheit mehrerer Personenschützer ins Auge fiel. Ob es ihm gefallen hat?

Ho Tzu Nyen: The Mysterious Lai Teck

Das war meine P1-Premiere! Empfohlen hat sich mir der Raum allerdings nicht: Klein, eng und stickig kam er daher. Ein Teil des Abstrichs muss zwar der Witterung zugerechnet werden, aber in den anderen Sälen ist mehr Platz pro Person eingeplant, und das spielt eben auch eine Rolle. Nach zwanzig Minuten traten Technikschwierigkeiten auf und das Programm musste neu gestartet werden. Die Untertitel waren anstrengend, dazu kam eine Sitznachbarin, die nicht eine Minute lang stillsitzen konnte und mir ständig ihren Fächer ins Blickfeld wedelte. Und dennoch: Spätestens, als sämtliche realen und virtuellen Vorhänge sich lüfteten und eine überlebensgroße, kongenial an- bzw. ausgeleuchtete und mit Videoprojektionen kombinierte animatronische Figur in den Vordergrund der Erzählung rückte, war ich gefesselt. Dass es sich dabei um eine überlebensgroße Figur und wirklich nur um eine Figur und keinen lebendigen Schauspieler handelte, war dabei aus den Publikumsrängen heraus nur sehr schwer festzustellen. Mir ging bei alldem auf, wie wenig ich über Südostasien im allgemeinen und die Kolonialgeschichte der Region im Speziellen weiß. Allein das Bewusstwerden dieses Umstands kann Ho Tzu Nyen als Erfolg buchen.

Thom Luz: Girl from the Fog Machine Factory

Man nehme Musik (Streicher, Celesta, mehrstimmiger Gesang), Nebelmaschinen in allen Größen und Ausführungen, eine stimmige Bühnenausstattung, eine liebevoll und detailreich umgesetzte Grundidee, wunderbare Schauspieler, allen voran Samuel Streiff und fertig ist das Festivalhighlight. Die Titelfigur sprach den Satz des Abends: „I don’t understand everything, but I like the atmosphere“. Die Mehrzahl des anwesenden Publikums sah es ähnlich.

Einerseits toll, andererseits umso ärgerlicher, dass ich „Sea of Fog“ in der St. Gertrud Kirche verpasst habe. Passiert mir nicht noch einmal.

Mouse on Mars: Dimensional People

Sommerfestival in der Elbphilharmonie – das sehe ich immer noch mit gemischten Gefühlen. Allein, da das musikalische Programm sich offenbar dauerhaft dorthin verlagert und die Musik bei mir nun einmal im Vordergrund steht – was hilft’s. Mouse on Mars waren mir bisher nur dem Namen nach ein Begriff, ebenso wie die meisten Gäste, die sich das Duo zum Konzert hinzugeladen hatte. Bis auf Andrea Belfi, mit dem ich an dieser Stelle gar nicht gerechnet hatte. Eine schöne Überraschung, die mich direkt zu dem bringt, was mich bei dem Konzert am meisten beeindruckte: die dreiköpfige Rhythmusgruppe, bestehend aus Belfi, Dodo NKishi und Kresten Michael Osgood, der sich vornehmlich mit wenig bis gar nicht bearbeitetem Totholz verlustierte. Zwar fielen dafür die filigraneren Teile gerade zu Anfang etwas holpriger aus und die Dynamik mancher Einspielung hätte man durchaus überdenken können, aber das fällt unter Nebensache.

Und sonst so?

In dem von Ladja Vogt, Jan Gazarra und Urs Amadeus Ulbrich gestalteten und von JAJAJA bespielten Avant-Garten habe ich leider viel zu wenig Zeit verbracht.

Avant-Garden

Avant-Garden

Avant-Garden

Ich vermisste den Festivalvorhang und das Orchesterkaraoke. Dafür umso schöner: Die Festivalshots, die in diesem Jahr von Peter Hönnemann beigesteuert wurden. Lieblingsbild: Andreas Dorau!

Festivalshots

Auch die Hörstation mit der Festivalplaylist hat mir gut gefallen.

Und im nächsten Jahr mach ich es wieder richtig. Mit Festivalkarte und so.

In Concert: „Die Frau, nach der man sich sehnt“ mit Pascal Schumacher und den United Instruments of Lucilin in der Elbphilharmonie

Ich habe, das ist dem einen oder der anderen vielleicht nicht entgangen, eine besondere Schwäche für Stummfilmkonzerte. Meine besondere Schwäche für Pascal Schumacher hingegen ist weniger bekannt und hat ziemlich viel mit einem sehr aufschlussreichen Abend im Rahmen des Elbjazz-Festivals vor drei Jahren zu tun. Die Kombination von beidem enthält noch einen besonderen Twist, den hier zu erklären allerdings viel zu kompliziert wäre. Ganz abgesehen davon, dass einige der dazugehörigen Details inzwischen sattsam verjährt sind.

Wir wollen uns also weitgehend auf den heutigen Filmabend beschränken. Pascal Schumacher kann Jazz, das wusste ich schon. Pascal Schumacher kann aber auch (Stumm-)Filmmusiken komponieren und ich finde, er sollte das häufiger tun. Und dann bitte auch höchstpersönlich live aufführen. Letzteres sehr gerne wieder mit den United Instruments of Lucilin und vorzugsweise in Hamburg!

In Concert: Das vision string quartet in der Elbphilharmonie

„Einem so großartigen und sympathischen Künstler wie Avi Avital die Show zu stehlen ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Dem vision string quartet gelang dies allerdings im vergangenen Sommer.“ So ist es im Programmheft des diesjährigen Schleswig-Holstein Musik Festivals zu lesen und genau aus diesem Grund hatte ich mich um ein Ticket für den Auftritt des Quartetts in der Elbphilharmonie bemüht: Nach dem Konzert in Lübeck im letzten Jahr war ich hingerissen, um nicht zu sagen schockverliebt in alle vier Musiker.

Der Abend unter der Überschrift „String Visions“ begann mit Dmitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 8 c-Moll op. 110, das beinahe nahtlos in György Ligetis Streichquartett Nr. 1 überging. Nach der Pause folgte das Streichquartett Nr. 6 f-Moll op. 80 von Felix Mendelssohn und zwei Zugaben später verließ ein sehr überzeugtes Publikum den Großen Saal. Nicht ein einziges Notenblatt war auf der Bühne zu sehen und bis auf die Bank für den Cellisten auch keine Sitzgelegenheit für die übrigen drei Mitglieder des Ensembles. Spielweise, Auftritt und Repertoire lassen sich in zwei Wörtern zusammenfassen: „Vielseitigkeit“ und vor allem „Dynamik“. Letzteres mit mindestens fünf Ausrufezeichen.

Für das „KammermusikPlus“-Konzert am 1. 2. 2019 im Kleinen Saal gibt es übrigens noch Karten. Ich habe meine schon.

Die Kunstpause…

… im Susammelsurium ist vorbei! Die Hitzewelle wohl erst einmal auch und dass das beides zusammenfällt, ist mit Sicherheit kein Zufall.

Gestern wurde das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel eröffnet, ich war dabei und habe mich insgesamt viermal eingebucht. Der Bericht kommt wie immer ganz zum Schluss. Zwischendrin stehen auch noch je einmal „Elbphilharmonie Sommer“ und Schleswig-Holstein Musik Festival auf dem Programm.

Wobei, ganz auf Kulturnull war ich ja doch nicht. Während der letzten Wochen habe ich es immerhin in eines meiner Lieblingsmuseen geschafft, durchaus in der stillen Hoffnung, dort ein erträglicheres Klima vorzufinden.

Mobile Welten: "Give the drummer some!"
Mobile Welten: „Give the drummer some!“
Art Déco - Grafikdesign aus Paris: A. M. Cassandre
Art Déco – Grafikdesign aus Paris: A. M. Cassandre
Toaster Times: Die Anfänge
Toaster Times: Die Anfänge
Toaster Times: Toastmaster
Toaster Times: Toastmaster
Toaster Times: Bunt
Toaster Times: Bunt

Bis einschließlich 1. OG hat das einigermaßen geklappt, aber auf Höhe der Spiegelkantine war’s doch wieder gut mollig.

Spiegel-Kantine
Spiegel-Kantine

Und dann wurde mir noch etwas Musik ins Postfach gespült: Tom Gatza heißt der junge Mann und es ist – natürlich! – irgendwas mit Klavier. Musikalisch schwer einzuordnen: „Tilbuin“ erinnert mich beispielsweise tendenziell an GoGo Penguin, nur mit weniger Druck und weniger Jazz, die Klaviersolostücke wieder an ganz andere Zeitgenossen. Alles weder sonderlich spektakulär noch innovativ, aber ich habe die EP „Melo“ (erscheint am 5. 10. 2018) nun schon seit ein paar Tagen auf den Ohren, mag sie und würde die Stücke bei Gelegenheit gern auf Livetauglichkeit überprüfen.

Am 1. 10. 2018 im Häkken klappt das nur leider noch nicht. Da bin ich nämlich bei Pierre-Laurent Aimard in der Elbphilharmonie.

In Concert: Das Tingvall Trio in der Alten Reithalle in Elmshorn

Jetzt war ich schon bei einigen Konzerten des Schleswig-Holstein Musik Festivals, sogar auch schon in Schleswig-Holstein, aber das echte SHMF-Gefühl war bisher nicht dabei. Ich meine damit die ganz und gar ländlich geprägten Veranstaltungsorte, wie z. B. das Kuhhaus in Altendorf, die Scheune in Wulfshagen oder den Rinderstall in Haseldorf. Das hat viel damit zu tun, dass eben gerade diese Orte für Menschen ohne Teilnahme am motorisierten Individualverkehr schlecht bis gar nicht zu erreichen sind.

Anders verhält es sich mit der Alten Reithalle in Elmshorn – na gut, es sind rund zwanzig Minuten Fußweg vom Bahnhof, aber das rangiert bei mir noch unter „gut erreichbar“. Dazu kommt: Für einen Auftritt des Tingvall Trio nehme ich gerne eine längere Anreise in Kauf. Ich kenne die Setlist des aktuellen Tourprogramms zwar inzwischen rauf und runter, aber es wird nicht langweilig. Im Gegenteil.

Und dann waren da noch die Gastgeber!

Konzert mit Pferd

Nächstes Mal nehme ich Möhrchen mit.

In Concert: Martha Argerich und Daniel Barenboim in der Laeiszhalle

Als mittlerweile regelmäßige Besucherin von klassischen Konzerten weiß ich inzwischen, wie der Hase läuft: Wenn Stars zusammen mit einem Orchester angekündigt werden, bestreiten sie höchstens einen kleinen Teil des Programms. Sol Gabetta spielt Schostakowitsch und verschwindet anschließend, um dem NDR Elbphilharmonie Orchester mit Dvořáks neunter Sinfonie das Feld zu überlassen, bei Daniel Hope ist es Alban Bergs Violinkonzert, der Rest des Abends gehört den Philharmonikern und Johannes Brahms.

Dass allerdings beim Konzert vorletzte Woche in der Laeiszhalle zu Anfang weit und breit kein einziger Flügel zu sehen war, erzeugte bei mir einen Anflug von schlechter Laune. Schließlich war es nicht zuletzt dem Staraufgebot geschuldet, dass mein übliches Ticketbudget nur für einen sichteingeschränkten Platz im zweiten Rang gereicht hatte.

Aber dann kamen Guy Braunstein, Alisa Weilerstein und Rafael Payare mit den Symphonikern, begannen das Doppelkonzert „à la mémoire d’un grand artiste“ nach dem Klaviertrio op. 50 von Tschaikowsky und spätestens bei der zweiten Variation – streng genommen sind es vermutlich Sätze, aber dieser Terminus passt besser zu dem, was ich gehört habe – verschwand dieser Anflug restlos. Bis heute ist mir nicht eingefallen, in welchem Zusammenhang mir Rafael Payare zuvor begegnet ist, aber der Mann hat jetzt mindestens einen Fan mehr. Grandios!

Im zweiten Konzertteil tauchten dann die Flügel auf und mit ihnen die Stars des Abends. Leider erwies sich bei den leiseren Tönen, dass nicht allein der Elbphilharmonie das zweifelhafte Privileg zukommt, benimmbefreite Konzertbesucher zu beherbergen. Ich hätte rundherum Schienbeine eintreten mögen, da oben im zweiten Rang, auf den billigen Plätzen. Dennoch werden mir die drei Werke von Schumann und Debussy als ganz besonderes, ja unvergessliches Konzertereignis im Gedächtnis bleiben. Eine zauberhaftere Version von „Prélude à l’après-midi d’un faune“ werde ich wahrscheinlich nicht mehr zu hören bekommen.

Das Festival „Rendezvous mit Martha“, so hörte ich, wird wohl im nächsten Jahr wiederholt. Zur Neuauflage der Begegnung Argerich/Barenboim in Hamburg, sollte es dazu kommen, werde ich mir einen besseren Platz gönnen. Ich weiß nun: Es lohnt sich. Selbst für eine Konzerthälfte.

In Concert: Radiophonic Workshop in der Elbphilharmonie

Das war ja vorhin ein, hm, ziemlich exklusives, wenn auch dafür umso enthusiastischeres Zuhörergrüppchen im kleinen Saal der Elbphilharmonie. Mir völlig unverständlich! Was ist schon ein simples (und, wie sich obendrein herausstellte, verkorkstes) WM-Gruppenspiel der deutschen Fußballherrennationalmannschaft gegen einen der raren Liveauftritte des Radiophonic Workshop in Deutschland?

Sollte es doch etwas wie Wiedergeburt geben und dabei weder Raum noch Zeit eine Rolle spielen, dann träte ich gerne nochmal als Mitglied dieser Veteranentruppe an. Ich meine, wie cool sind die denn bitte: erst bei der BBC Kultstatus erlangen und dann im fortgeschrittenen Alter mit ehemaligen Kollegen und neuen Mitstreitern die Bühne erobern. (Der Observer fand dazu mit „the electronic Buena Vista Social Club“ die perfekte Umschreibung.)

Ach ja, und ich möchte das Theremin spielen. Bitte.

Schreibfaul

Ein ganz klares Versäumnis: Über Max Richter, das 12ensemble und Sarah Sutcliffe mit „Infra“ und „The Blue Notebooks“ in der Elbphilharmonie habe ich bisher nichts berichtet. Dabei war das Konzert sehr schön und bewegend. Das Ticket hat fast ein ganzes Jahr an meiner Pinnwand verbracht – ein neuer Rekord. Allein, manche Abende sind es wert. Dies war einer davon.

Aus unerfindlichem Grunde lösten Richters deutsch-englische Ansagen bei mir eine akute Londonsehnsucht aus. Für Sekundenbruchteile stellte ich mir vor, nicht in der Elbphilharmonie, sondern im Rang des Barbican Centre zu sitzen, um mich herum das klassiknerdige, britische Publikum, auf der Bühne neben dem Komponisten und den Musikern die Tänzer, für die „Infra“ ursprünglich geschrieben wurde. Und da war ja auch noch die Sache mit dem Ticket für Ólafur Arnalds‘ Debüt in der Royal Albert Hall Mitte Mai. Immerhin konnte ich es in gute Hände abgeben – – –

Hier bitte einen tiefen Seufzer einsetzen. (Nächstes Jahr wieder.)

Schnelldurchlauf

Mittwoch

Manchmal reicht ein verschobener Konzerttermin, um eine kulturreiche in eine Kulturstresswoche zu verwandeln. In diesem Fall war es das Konzert von JaKönigJa im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Ich hätte den Auftritt dennoch auf keinen Fall missen mögen, gerade auch wegen der Verstärkung durch Mitglieder der Jungen Symphoniker (Streicher, Holz- und Blechbläser). Das Zusammenspiel war bisweilen zwar nicht perfekt abgestimmt und auch in puncto Sound und Abmischung wollten die klassischen nicht ganz zu den weniger klassischen Instrumenten passen. Dem besonderen Reiz der Kombination tat das keinen Abbruch.

Donnerstag

Anders als die Elbphilharmonie kann die Laeiszhalle nicht mit klimatisierten Räumen aufwarten. Bei den Temperaturen der letzten Maitage geriet das Stummfilmkonzert der Hamburger Symphoniker unter der Leitung von Stefanos Tsialis zur Herausforderung – am Ende der Veranstaltung war nicht nur der Dirigent gut durch. Sei’s drum, Charlie Chaplin („Der Zirkus“, „Die feinen Leute“) geht einfach immer und unter allen Bedingungen.

Freitag

Irgendwie war es abzusehen: Seit Anfang der Woche waren Gewitter und Regenfälle bereits angekündigt, aber alles Unwetter beschrieb bis einschließlich Donnerstag einen eleganten Bogen um die Hansestadt. Punktgenau, gewissermaßen zur besten Sendezeit am ersten Tag des Elbjazz-Festivals, öffneten sich schließlich die Schleusen über Blohm & Voss und spülten unter anderem den Auftritt des Michael Wollny Trio über Bord. Zuvor hatte ich immerhin schon die von Kinga Głyk und dem Omer Klein Trio bewundern dürfen. Mein Glück im Unglück: In einer der kurzen Regenlücken zwischen 20 und 22 Uhr sprintete ich zum Alten Elbtunnel, um dann an den Landungsbrücken einem Bus der Linie 111 quasi in die Arme zu laufen, der schnellsten (und trockensten!) Verbindung von dort zur Elbphilharmonie. Dadurch war ich zwar eine gute Stunde zu früh, hatte dafür aber das feste Plaza-Dach über dem Kopf, was den Unterhaltungswert der letzten Gewitterausläufer erheblich steigerte.

Meine Reservierung hatte ich ursprünglich für „Michael Wollny & Friends“ (Samstag, 23 Uhr) getätigt, dann aber bei der Ticketausgabe versehentlich eine Karte für „Michael Wollny & Konstantin Gropper“ (Freitag, 23 Uhr) erhalten. Einerseits ärgerlich, verpasste ich doch dadurch den gemeinsamen Auftritt Wollnys mit Vincent Peirani und Émile Parisien. Andererseits stehen Termine des Duos Wollny/Gropper noch seltener auf den Spielplänen. Die beiden präsentierten ihre ganz eigene Form eines Liederabends, inspiriert durch Schuberts „Winterreise“, und kombinierten Stücke aus diesem Zyklus mit Liedern und Songs u. a. von Richard Strauss, Madonna, Pulp und den Flaming Lips. Ungestraft, möchte ich hiermit betonen. Ein Ereignis.

Samstag

Als ein ähnlich magisches Erlebnis entpuppte sich die Darbietung von Kat Frankie tags darauf in der Hauptkirche St. Katharinen. Frankie trat zunächst solo mit Gitarre an, um zum zweiten Teil ein fünfköpfiges Vokalensemble mit auf die Bühne zu bitten. Wer die Akustik des Gebäudes kennt, bekommt bei der bloßen Beschreibung Gänsehaut. Phantastisch.

Gar nicht so einfach, danach auf GoGo Penguin umzuschalten. Aber da ich es sehr rechtzeitig zur Bühne am Helgen geschafft hatte, konnte ich den Auftritt, von Schiffsgetute und Feuerwerk in der unmittelbaren Nachbarschaft eingeläutet, aus der ersten Reihe verfolgen. Das half.

Dann wurde es auch schon wieder Zeit für das leichte Vollzeug nebst Südwester. Den lege ich den Veranstaltern hiermit wärmstens als potenziellen Merchandising-Artikel ans Herz – ich sag nur: Festivalkonzerte und Festivalbesucher mit Schirmen… nun ja. Ich beendete mein Elbjazz-Programm mit einem Stündchen bei Kamasi Washington und einer kurzen Stippvisite bei der Aftershowparty in der Schiffbauhalle.

Sonntag

Erlend Øye auf Kampnagel, akustisch, zusammen mit italienischen und chilenischen Musikern – eine solch tiefenentspannte Fröhlichkeit habe ich lange nicht auf einer Bühne gesehen. Oder überhaupt sonst wo. Es war fast unmöglich, sich dem zu entziehen und so ließ sich die K6 mehrheitlich anstecken.

Und gerade als ich dachte, ich hätte jetzt ein paar Tage Pause bis Max Richter kamen mir die „Hamburg Sounds“ dazwischen. Stay tuned!