HAM.LIT, die „Lange Nacht junger Literatur und Musik“, ist grundsätzlich super. Nur platzt die Veranstaltung langsam aber sicher aus allen Nähten. Das Gedränge nahm zwischenzeitlich ein Ausmaß an mit dem ich nicht kompatibel bin. Mein persönliches Highlight war der Auftritt von Hundreds im Ballsaal des Uebel & Gefährlich. Schade nur, daß ein Großteil der Anwesenden die komplette Performance zerquasselte. Sie verpaßten auf diese Weise die mutmaßlich einmalige Gelegenheit, Hundreds-Klassiker in einer aufs Wesentliche reduzierten Fassung für Klavier und Gesang zu genießen.
Beim „Blind Date“ in der Elbphilharmonie kauft man für 25 Euro die Katze im Sack. Alles ist möglich: Klassik, Kammermusik, Jazz, Folk, Elektronik; weitere Vorinformationen gibt es nicht. Der zweite Termin der neuen Reihe wurde von Remy van Kesteren bestritten, einem holländischen Harfenisten. Van Kesteren entspricht so gar nicht dem Klischee, daß diesem Instrument anhaftet und spielte sowohl eine Konzert- als auch eine Deltaharfe solo, geloopt und mit elektronischen Elementen. Nur eine Handvoll Besucher des komplett ausverkauften Saals verließen diesen vorzeitig – völlig legitim, man kann bei einem Blind Date eben auch mal daneben liegen. Der Künstler nahm es sportlich; die Mehrzahl blieb und spendierte Standing Ovations. Im Eintrittspreis ist ein Freigetränk enthalten, als Anregung, sich nach dem Konzert an der Bar mit dem oder den Künstlern austauschen zu können. Das ist leider nur ein theoretischer Wert, denn auch der kleine Elphi-Saal faßt noch zu viele Menschen, als daß dies in aller Ausführlichkeit möglich wäre. Zudem ist das nach den Renovierungsarbeiten wieder in vollem Umfang zugängliche Foyer baulich nicht gerade ideal dafür. Trotzdem, eine hochgelungene Veranstaltung! Ich bin nach Möglichkeit wieder dabei. Und Remy van Kesteren kommt auf meine Liste.
Und Christian Löfflers Auftritt bei „le concert abstrait“? Ich machs kurz: Prädikat „besonders planetarisch“.
Da musste ich also stolze 44 Jahre alt werden, um das erste Mal „so richtig“ ein Festival zu besuchen. „So richtig“ im Sinne von alle Tage morgens bis abends da sein und auf dem Gelände campen – das eine, inzwischen eh verjährte MS Dockville-Tagesticket kann man wohl nicht dazuzählen. Mit „A Summer’s Tale“ bin ich gleich von null auf Zweihundertfünfzig gegangen und da liegt die Latte jetzt: ziemlich weit oben.
Natürlich hätte ich von Hamburg aus auch pendeln können. Grundsätzlich erschien mir das Shuttlebuskonzept schlüssig, nur erweitert leider weder die Deutsche Bahn noch der metronom seinen Takt, bloß weil irgendwo am buchstäblichen Arm der Heide ein Festival stattfindet. Was dumm ist für die, die auch den letzten Musikact des jeweiligen Tages sehen wollen. Das ist mit den Zugabfahrtzeiten leider gar nicht kompatibel. Also organisierte ich kurz entschlossen ein Leihzelt, buchte ein Kombiticket mit Komfort-Camping und bekam glücklicherweise obendrein noch eine Mitfahrgelegenheit angeboten.
Insbesondere den Campern sei empfohlen, die Gepäckbestimmungen genau zu studieren. Der Veranstalter hat unter anderem ein striktes Glasverbot verhängt, was sich keineswegs nur auf Wein-, Bier- und andere Flaschen bezieht. An der Kontrolle mussten beispielsweise auch Marmeladen- und Pestogläser abgegeben werden. Einerseits verständlich: Niemand möchte Glasscherben auf den Plätzen haben, weder die Festivalteilnehmer noch die, die das Gelände ansonsten nutzen. Andererseits ist Nachhaltigkeit ein großes Thema bei „A Summer’s Tale“ und zur Plastikmüllvermeidung trägt eine solche Strategie wenig bei.
Andere Tücken im Detail waren schwieriger zu recherchieren. So manches Angebot entpuppte sich erst vor Ort als kostenpflichtig und teilweise auch recht kostspielig.
Knifflig war auch die Sache mit den Workshops. Ein Teil der Plätze konnte online gebucht werden und um eines der übrigen Tickets zu ergattern, musste man sich mit einer Vorlaufzeit von zwischen einer halben und einer Dreiviertelstunde in die sich zuverlässig bildende Schlange einreihen. Das Prinzip fand auch bei Programmpunkten Anwendung, die zwar keiner Anmeldung bedurften, für die es aber sehr wohl eine maximale Teilnehmerzahl gab. Die Information darüber hätte so manchem Besucher Frustration erspart, fehlte aber sowohl auf der Webseite als auch in der (ansonsten fabelhaften) Festival-App.
Dass die Abgewiesenen dennoch zumeist gelassen blieben, sagt eine Menge über die Grundatmosphäre des Festivals aus. „Entspannt“ ist wohl das am häufigsten genannte Adjektiv, wenn es darum geht, „A Summer’s Tale“ in einem Wort zu beschreiben. Ich habe noch keine Veranstaltung mit Familien, Grüppchen, Paaren und Einzelbesuchern in derart friedlicher Koexistenz erlebt. Für kleine und kleinste Festivalteilnehmer gab es eine große Auswahl an Beschäftigungsmöglichkeiten, ohne dass der Eindruck entstand, dass es sich um ein reines Familienevent handelte. Bei den Konzerten bis spät in die Nacht tobten Kinder durch die Menge, zumeist mit knallbuntem Gehörschutz bestückt, und niemand störte sich daran – ganz im Gegenteil.
Heile Welt in der Heide also und tatsächlich wurde sogar gebatikt. Darüber hinaus war ein Großteil des Programms jedoch erfreulich handfest. Auch beim kulinarischen Angebot standen zwar Bio und regional im Vordergrund, aber fleischlos oder gar vegan musste sich niemand ernähren, der das nicht wollte. Es wäre insbesondere schade gewesen um die Sandwiches von Frau Dr. Schneider’s Grilled Cheese Wonderland, die sauleckeren Gnocchi von Santa Mamma (mit extra viel Parmesan) und den Don Caramello-Becher aus der Quarkerei.
Da das leibliche Wohl auf diese Weise gesichert war, blieb umso mehr Zeit, sich in der Vielfalt des Angebots treiben zu lassen. Ich fabrizierte Sommerrollen mit Nina Sonntag vom Hamburger Herdgeflüster, begab mich auf Kräuter-, Wald- und Barfußwanderungen, lernte die Line sowie fünf verschiedene Moves beim Madison-Workshop, scheiterte beim Massenkaraoke kollektiv an „Bohemian Rhapsody“, besuchte Lesungen von Heinz Strunk und Stevan Paul und hörte unter anderem Bernd Begemann & die Befreiung, Die Sterne, Dan Croll, PJ Harvey, Pixies, Conor Oberst, Birdy, The Notwist, Franz Ferdinand, Rocko Schamoni, den Electric Swing Circus, Judith Holofernes, Element of Crime, die Stereo MC’s und Feist.
Sogar die Wettergötter hatten ein Einsehen: Bis auf leichte Niederschläge in der Nacht zum Donnerstag, ein paar stärkere Windböen am Freitag, einem Schäuerchen am Samstagnachmittag und einem kräftigen Platzregen am frühen Samstagabend war es tatsächlich Sommer. Vier Tage lang.
„Oh Chieftain of the pudding race!“ Ja, doch, Innereien können lecker sein. Vom Whisky ganz zu schweigen. (Hicks.) Feine Musik und zweisprachige (Gedicht-)Vorträge gab’s auch. Es war bereits meine zweite Burns Night und nach Möglichkeit nicht die letzte.
Ich hatte zwar außer „Tiere essen“ noch nichts gelesen, aber ich war neugierig auf den Mann. Und wenn der deutschsprachige Lesungsteil von Saša Stanišić vorgetragen und die Veranstaltung von Daniel Beskos moderiert wird, was kann da schon schiefgehen? Richtig: gar nichts. Es war aufschlussreich und sehr kurzweilig. Ich werde weitere Bücher von Jonathan Safran Foer lesen müssen.
3. Das Spiel des FC St. Pauli gegen den VfB Stuttgart am Millerntor miterlitten.
Der Spaßfaktor war erwartungsgemäß erheblich höher als bei meinem ersten Bundesligaspielbesuch vor bummelig 25 Jahren, einem Grottenkick des FC Köln gegen den Karlsruher SC im Müngersdorfer Stadion. Was sich nur leider nicht auf das Ergebnis ausdehnte.
Ich stand zwischen Eingeschworenen auf der Gegengeraden im Block C und es fühlte sich ein wenig so an, als wäre ich bei jemandem zu Hause eingeladen. Jeder schien jeden zu kennen, jedenfalls im unmittelbaren Umkreis, und grob mindestens auch noch die direkte Nachbarschaft. Das Spiel geriet streckenweise zur Nebensache, so sehr faszinierten mich das Drumherum und einzelne Verhaltensweisen. Neben mir stand beispielsweise ein prinzipiell sehr ruhig und besonnen wirkender Mensch, der ausschließlich bei Eckbällen für die Heimmannschaft aus dem Stand verbal komplett ausrastete, um nach der Standardsituation übergangslos wieder in freundliches Schweigen zu verfallen. Ich lernte unter anderem, wer wo steht bzw. sitzt, wie man sich als Fan der Gästemannschaft unter Paulianern besser nicht benehmen sollte, welches Liedgut verwendet wird, wie groß manche im Stadion geschwenkte Flagge sein kann und dass der kleine tschechische Maulwurf aus der „Sendung mit der Maus“ Pauli heißt. Außerdem weiß ich jetzt, wo es fußläufig zum Stadion die beste Pizza gibt.
Wie das Spiel ansonsten so war, kann man hier oder dort und drüben bei Stefan nachlesen und -schauen.
4. Bei „Rock’n Read“ zwei Schallplatten, ein Buchpäckchen und einen Gutschein gewonnen.
Der Erkenntnisgewinn aus dem Programm war eher gering, dafür der Unterhaltungswert umso höher. Die Sache entpuppte sich zudem als deutlich musiklastiger als im Vorfeld vermutet. Das mochte ich besonders.
5. Bei HAM.LIT unverhofft einem der beiden unter 4. gewonnenen Bücher nebst Autorin wieder begegnet.
Nämlich Paula Fürstenberg mit „Familie der geflügelten Tiger“ – ich bin jetzt noch ein bisschen gespannter auf das Buch. Außerdem erlebte ich Margarete Stokowski mit „Untenrum frei“ (och, na ja), Stefan Beuse mit „Das Buch der Wunder“ (Toll! Kaufen!), Dear Reader (trefflicher Name – ansonsten ohne Wertung), Alina Herbing mit „Niemand ist bei den Kälbern“ (tendenziell langatmig), Marcel Gein (süß!), Sven Amtsberg mit „Superbuhei“ (fragt mich nächste Woche nochmal) und leider nur ganz kurz im Vorbeigehen Philipp Winkler mit „Hool“ (puh). Ich hätte sehr gerne noch etwas aus „Zuckersand“ von Jochen Schmidt gehört. Aber das Turmzimmer des Uebel & Gefährlich war notorisch überfüllt, weswegen ich lieber bei lilly among clouds im Terrace Hill blieb. War gut so.
„Den“ magischen Moment gab es diesmal zwar nicht, aber ich rechne nach der Erfahrung des letzten Jahres mit der ein oder anderen Spätfolge. Ich werde berichten.
„Liebe für alle – Vol. 3“, so lautete der Titel der sehr empfehlenswerten Veranstaltung vorgestern im Grünen Jäger. Tatsächlich gab es Liebe für alle und jeden, in unterschiedlichen Spielarten und Darbietungsformen. Ich mochte besonders die Bestsellervorschau von Anselm Neft und die Liebes-/Männergeschichte von Katrin Seddig ohne Happy End. Wobei das weniger ein Nicht-Happy End, sondern vielmehr ein Cliffhanger war. Außerdem überlege ich immer noch, wo ich Tilman Birr vorher schon einmal gesehen haben könnte. Schöner Abschlusssong übrigens.
„Liebe für alle“ könnte auch als Überschrift über dem gestrigen Konzert von Svavar Knútur in der warenwirtschaft gestanden haben. Konkreter: Musik (& Liebe) für alle und mit allen, dazu eine winzige Prise Gütersloh-Bashing, aus Gründen – ganz hervorragend, wir verstehen uns. Den Mann live zu erleben wird nicht langweilig und ist wärmstens all denen zu empfehlen, die das Etikett „Icelandic Troubadour“ nicht abschreckt.
Ich hatte in der vergangenen Woche das Vergnügen, zwei höchst unterschiedlichen Lesungen genießen zu dürfen.
Nummer eins war die Buchpremiere von Saša Stanišićs „Fallensteller“ bei cohen+dobernigg. Das ist anders als „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ und „Vor dem Fest“ kein Roman, sondern ein Band mit Erzählungen. Ich bin kein ausgewiesener Fan von Kurzgeschichten und hatte daher nicht zwingend vor, das Buch zu kaufen. Aber nach dem Vortrag des Autors führte kein Weg mehr daran vorbei. Da liest nämlich eine im positiven Sinne hyperaktive und außerordentlich sympathische Rampensau, die große, sehr große Freude an der Interaktion hat. Das bringt Laune und macht Lust auf das Buch. (Die im „Literarischen Quartett“ mochten es übrigens auch. Alle.)
Nummer zwei war eine „Lecture Party“ zum Thema Popkultur mit Thomas Meinecke und Matthias Günther im Nachtasyl. Die (YouTube-)Reise führte über Holz und Stock, John Travolta, Blondie, den Sex Pistols, Hildegard Knef, David Bowie (Falco!), Billie Holiday, Johnny Cash und Udo Lindenberg bis hin zum wunderschönen Genre der Literal Videos, siehe unten. Nach gut 1 3/4 Stunden war leider Schluss, einer nachfolgenden Veranstaltung wegen. Schade – das hätte gut und gerne noch ein Stündchen länger dauern können!
Gestern Abend, bei der Buchpremiere im Literaturhaus Hamburg, traf ich insgesamt zwölf Freunde und Bekannte sowie einige weitere mit mir über Twitter und Facebook Verbundene, die es vielleicht noch werden. Mit einer Ausnahme habe ich all diese Menschen bei oder durch Isabel kennengelernt und mehr muss man dazu wohl nicht sagen. Außer eines noch: Das Buch ist zauberhaft.
Wer kann, möge also eine der anstehenden Lesungen besuchen. Gute (Lese-)Reise, kleiner Pfau!
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