Reflektor Nils Frahm

Die Frage „Was machen an Pfingsten?“ hatte sich für mich spätestens mit der Durchsicht der diversen Kulturprogrammhefte für die Saison 2018/2019 erledigt. Nils Frahm kuratiert ein Mini-Festival in der Elbphilharmonie? Kauf ich. Blind!

Naja, so blind dann letztlich doch nicht. Auch mein Kulturbudget ist begrenzt und eine Flatrate gab es leider nicht. Es reichte immerhin für

sowie als Beifang

  • die Fotoausstellung „Fourth Wall – Stages & Cages“ von Klaus Frahm (wann kommt endlich der Bildband?!) und
  • den Kurzfilm „Ellis“ mit Robert de Niro.

Gerne hätte ich auch den Workshop „Polyrhythmus verstehen und umsetzen“ von Sven Kacirek besucht, aber da war ich leider nicht fix genug beim Vorverkauf. Und eigentlich hatte ich auch noch eine Karte für die After-Show-Party am Samstag auf der MS Stubnitz, aber dazu später.

Die Gentleman Losers waren mir schon mehrfach über den Weg gelaufen. Der Spotify’sche Algorithmus machte mich bereits vor Jahren mit dem Track „Ballad of Sparrow Young“ aus dem Album „Dustland“ bekannt, eine Empfehlung der ich gerne gefolgt bin. Es hätte ruhig ein klein wenig mehr live und weniger „vom Band“ sein können beim Auftritt des Duos am frühen Samstagabend, aber sei’s drum. Die stimmige Kombination aus Musik und filmischer Collage gefiel.

Martyn Heyne freute sich als gebürtiger Hamburger im Anschluss ganz besonders über den lokalen Premierenort seines Soloprogramms. Nichts gegen die Kantine am Berghain, aber gegen den kleinen Elphi-Saal kommt der Laden nicht an. (Vorausgesetzt man kann ohne Rauchwerk.)

Überhaupt, die Freude. Nils Frahm hüpfte bei seinem Auftritt geradezu über die Bühne und Arthur Jeffes und seine Mitstreiter von Penguin Café strahlten tags drauf im Großen Saal um die Wette darüber, im Selbstversuch die Unterschiede der Akustik von Royal Albert Hall und Elbphilharmonie erforschen zu dürfen. Was dem Tour-Trailer übrigens noch fehlt: Termine auf dem Kontinent.

Fröhliche Gesichter gab es auch im Publikum, insbesondere bei Nils Frahm am Samstagabend. Ich sah und hörte „All Melody“ zum insgesamt vierten Mal: Köln war ganz am Anfang, Hamburg gut eingespielt und München Routine – Anekdoten wie Noten in nahezu perfekter Wiederholung dessen, was ich schon kannte. Ich will nicht von Enttäuschung sprechen, aber ernüchtert war ich doch. Glücklicherweise war beim Reflektor-Konzert das Spielkind wieder da. Hurra!

Den Abschluss des Festivals bildeten Erlend Øye und la Comitiva mit stargaze. Dass der Norweger mit seiner tiefenentspannten Grundhaltung noch jeden Saal zum Tanzen bringt, wurde in der Elbphilharmonie nicht widerlegt – ganz im Gegenteil. Als Ergänzung des Quartetts wären mir stargaze nicht als erstes eingefallen, aber das funktionierte geradezu zauberhaft gut. Und was machte die aufgezählte Versammlung mit dem Weinberg? Sie stellte sich im Kreis auf der Bühne auf. Großes Lob auch dafür. Zur letzten Zugabe gesellte sich noch Nils Frahm am Flügel dazu und da war es endlich wieder, das „Possibly Colliding“-Gefühl.

Zu gern hätte ich diesen Reflektor in vollen Zügen genossen. Leider war mein Vergnügen ziemlich eingetrübt, denn am Samstag ist in der Schwingemündung ein Schiff gesunken, welches mir sehr am Herzen liegt.

No. 5 Elbe
No. 5 Elbe
No. 5 Elbe
No. 5 Elbe

Die After-Show-Party auf der Stubnitz habe ich daher ausgelassen.

Platzhalter

Worüber ich in den letzten Tagen mangels Zeit, Ruhe und Konzentration nicht gebloggt habe:

Gestern Abend hätt‘ ich können, aber da habe ich diverse Trockenfrüchte in Alkohol eingelegt. Und heute Plätzchen gebacken.

Muss an der Jahreszeit liegen.


*) des laufenden Jahres

In Concert: „Die Frau, nach der man sich sehnt“ mit Pascal Schumacher und den United Instruments of Lucilin in der Elbphilharmonie

Ich habe, das ist dem einen oder der anderen vielleicht nicht entgangen, eine besondere Schwäche für Stummfilmkonzerte. Meine besondere Schwäche für Pascal Schumacher hingegen ist weniger bekannt und hat ziemlich viel mit einem sehr aufschlussreichen Abend im Rahmen des Elbjazz-Festivals vor drei Jahren zu tun. Die Kombination von beidem enthält noch einen besonderen Twist, den hier zu erklären allerdings viel zu kompliziert wäre. Ganz abgesehen davon, dass einige der dazugehörigen Details inzwischen sattsam verjährt sind.

Wir wollen uns also weitgehend auf den heutigen Filmabend beschränken. Pascal Schumacher kann Jazz, das wusste ich schon. Pascal Schumacher kann aber auch (Stumm-)Filmmusiken komponieren und ich finde, er sollte das häufiger tun. Und dann bitte auch höchstpersönlich live aufführen. Letzteres sehr gerne wieder mit den United Instruments of Lucilin und vorzugsweise in Hamburg!

Film ab: The Muppet Christmas Carol

Marley was dead: to begin with.

Vor Jahren erschien auf dem Instagram-Account der englischen Buchhandelskette Waterstones die Abbildung der ersten Seite einer Ausgabe der „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens. Das Thema: berühmte erste Romansätze.

Beinahe reflexartig dachte ich bei diesem Anblick: „Moment! Muss es nicht ‚The Marleys were dead: to begin with.‘ heißen?“ Kurz darauf tanzten vor meinem inneren Auge Statler und Waldorf in Ketten vor Sir Michael Caine, „We’re Marley and Marley“ singend, und mir war klar, woher dieser Reflex stammte.

Es ist ein unkaputtbares Weihnachtsritual, hingebungsvoll gepflegt von meiner kleinen Schwester und mir: Über die Weihnachtsfeiertage wird „The Muppet Christmas Carol“ geguckt, den augenrollenden Kommentaren des familiären Rests zum Trotze. Wir können den Film inzwischen komplett mitsprechen.

Da ist das Zusammenspiel der kongenialen Muppetbesetzung mit Michael Caine, der zu kaum einem Zeitpunkt wirkt, als ob er auch nur bemerkt, dass die meisten seiner Schauspielerkollegen nicht aus Fleisch und Blut sind*). Da sind die liebevollen, bis ins Detail ausgestalteten Kulissen: Noch beim x-ten Durchlauf kann man immer noch Neues entdecken; man achte z. B. auf die Namen der Geschäfte im Stadtbild. Und natürlich die Musik!

Das beste allerdings, und auf die Idee kommt man nicht zwingend, wenn man das singende Gemüse sieht („Mother always taught me: Never eat singing food!“): Die Muppetadaption bleibt trotz aller notwendiger Straffung und Anpassung an das Format sehr nah am Original. So ist beispielsweise ein Großteil des Textes von Charles „Gonzo“ Dickens im Film direkt aus dem Buch übernommen worden. Und als Rizzo bei der Ankündigung des Geisterbesuchs Bedenken äußert, die Situation könne für die Kinder im Publikum eventuell zu beängstigend sein, kontert Gonzo souverän: „Nah, it’s all right. This is culture!“

Und so funktioniert hier, was der Schlusssatz empfiehlt und was bei vielen anderen Literaturverfilmungen deutlich weniger ratsam ist: „If you liked this, you should read the book!“

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!


*) „I’m going to play this movie like I’m working with the Royal Shakespeare Company. I will never wink, I will never do anything Muppety. I am going to play Scrooge as if it is an utterly dramatic role and there are no puppets around me.“ Brian Henson zitiert aus dem ersten Gespräch mit Michael Caine über die Rolle des Scrooge. („How we made: The Muppet Christmas Carol“, in: The Guardian, 21. 12. 2015).

Le Cinéma Abstrait mit Raphaël Marionneau im Meßmer Momentum

Aufführungen von „le cinéma abstrait“ in Hamburg sind leider selten. So ganz verstehen kann ich das nicht; meiner Meinung nach ist das mit das Beste, was Soundpilot Raphaël Marionneau in seinem musikalischen Portfolio hat.

Raphaël hat mittlerweile sechs Stummfilme neu vertont: „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ (1927), „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920), „Menschen am Sonntag“ (1930), „Metropolis“ (1927), „Der müde Tod“ (1921) und „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922). „Neu vertont“ bedeutet hier: In wochenlanger, mühsamer Kleinarbeit sucht er passende Musik zu jeder einzelnen Szene heraus und legt diese bei Aufführungen in Kinos und auf Festivals live auf.

Da kommt bisweilen eine Mischung heraus, die auf den ersten Blick zusammenführt, was nicht zusammengehört. In „Berlin – Sinfonie der Großstadt“ geben sich beispielsweise A Winged Victory for the Sullen, Philip Glass, Ulrich Schnauss, die Chemical Brothers, Pantha du Prince und Red Nichols die Klinke in die Hand. Aber das passt tatsächlich (alles!), und erneuert auf diese Weise den Blick auf vermeintlich überbekannte, weil schon x-mal gesehene Filmklassiker.

„le cinéma abstrait“ wurde mittlerweile unter anderem in Berlin, Madrid, Paris, Brüssel, New York und auf Mallorca präsentiert. In Hamburg aber sind die Termine so sparsam gesät, dass mir immer noch drei Filme fehlen.

Ob es daran liegt, dass sprichwortgemäß der Prophet im eigenen Lande nichts gilt? Oder gar daran, dass Hamburg eventuell doch ein winziges bisschen weniger Filmstadt ist, als gerne behauptet wird?

Mit mangelndem Publikumsinteresse an neu bzw. live vertonten Stummfilmen kann man es jedenfalls nicht begründen. Die Hamburger Symphoniker, Stephan Graf von Bothmer und bis letztes Jahr auch das NDR Elbphilharmonie Orchester füllen damit regelmäßig ganze Säle.

Film ab: „The Hateful Eight“ im Abaton

„The Hateful Eight“ von Quentin Tarantino zu spoilern ist durchaus knifflig, weil man sich die Fülle der überraschenden Wendungen in Gänze schlicht gar nicht merken kann. Wobei, ein paar der das Vergnügen der ersten Ansicht schmälernden Details könnte man schon verraten. Aber ich bin ja kein Unmensch.

Daher nur soviel: Der Film ist lang, Samuel L. Jackson spielt mit, die Musik ist von Ennio Morricone, draußen schneit’s und drinnen fließt sehr, sehr viel Theaterblut.

In Concert: „Stan & Olli“ mit Stephan Graf von Bothmer in der Laeiszhalle

Durch die Internationalen Bonner Stummfilmtage entdeckte ich vor Jahren meine Liebe zum Stummfilmkonzert. Um auf die Idee zu kommen, dieser Leidenschaft auch in Hamburg weiter zu frönen, musste ich erst einmal nach Berlin fahren. Klingt komisch, war aber so und ist wieder eine andere Geschichte. Kurzum: Die Filmkonzerte des NDR Sinfonieorchesters und der Hamburger Symphoniker sind seither fester Bestandteil meines Konzertkalenders.

Bei Stephan Graf von Bothmer ist ein Stummfilmkonzert nicht nur das, sondern besteht aus einem (Ostfriesen-)Witz, Werbung („Kupferberg Gold“, von 1912), Trailern (Eigenwerbung, aber hey!), einem Musikstück ohne Film und dann kommt der Film, bzw. in diesem Falle: die Filme (4x „Stan & Olli“). Man lernt so nebenher einiges über die Stummfilmzeit, wie damals Filme vorgeführt wurden und kommt darüber hinaus ganz unverhofft in den Genuss, dem Pianisten dabei zuzuschauen, wie er Rachmaninow mit mit Bondage-Tape – welches übrigens aus Vinyl besteht, hättet ihr’s gewusst? – verbundenen Augen zu spielen versucht. Hat die Laeiszhalle wohl auch noch nicht gesehen.

Unterm Strich: großes Kino! Den „Nosferatu“ im April überleg ich mir glatt noch. Obwohl da meine Lieblingsversion eigentlich schon lange feststeht.

Eins noch: Stephan Graf von Bothmer macht übrigens auch Fußballkonzerte. Das ist „Public Viewing“ ohne Ton, statt dessen filmmusikalische Klavierimprovisation. Das möchte er gerne auch in Hamburg machen und sucht dafür einen Raum. Wer was weiß: Er freut sich! Und ich mich auch, das will ich nämlich sehen/hören.

Motivationstief

Eigentlich will ich ja schon seit Tagen nachtragen, dass ich am Sonntag bei der Abaton-Kinopremiere von „Das Endspiel“ mit hidden shakespeare war und mir das fast so gut gefallen hat wie der Vorgänger „Heiligabend mit Hase“. Und dass ein Team des Hamburg Journals anwesend war, ich aber wieder keine Chance bekam, das Wetter anzusagen („Morgens: Regen, 4 Grad!“).

Außerdem, dass ich am Montagabend im CinemaxX Hamburg-Dammtor meinen allerersten 3D-Film sah. Das war „Star Wars VII – Das Erwachen der Macht“ und doch, ich mochte es.

Aber dann ist David Bowie gestorben und jetzt auch noch Alan Rickman und sowieso & irgendwie: meh.

In Concert: „Panzerkreuzer Potemkin“ mit dem NDR Sinfonieorchester auf Kampnagel

Was ich ja fast unterschlagen hätte: das gestrige (Stumm-)Filmkonzert „Panzerkreuzer Potemkin“ (1925) auf Kampnagel mit dem NDR Sinfonieorchester. Wie immer ganz großes Kino und zudem ein interessanter Kontrast zum spanischen „Blancanieves“ (2012) mit den Hamburger Symphonikern zwei Tage zuvor.

Als Nächstes ist wieder die Laeiszhalle dran! Und dann ist es bitte wieder ausverkauft – wo kommen wir denn sonst hin, das geht doch so nicht.

In Concert: „Lichter der Großstadt“ mit den Hamburger Symphonikern in der Laeiszhalle

Sagte ich bereits, wie großartig diese (Stumm-)Filmkonzerte sind? Das gilt nicht nur für die des NDR Sinfonieorchesters auf Kampnagel, sondern auch für die Reihe der Hamburger Symphoniker in der Laeiszhalle.

Nächste Chance: Dezember 2015 („Blancanieves“) und Februar 2016 („Goldrausch“)!