Eines muss man dem Elbphilharmonie-Marketing lassen: Es kümmert sich um seine Stammgäste und man bemüht sich zumindest darum, anspruchsvolle Programmpunkte und wertschätzende Zuhörer zusammenzubringen. So erhielt ich beispielsweise nur wenige Tage nach dem Konzert von Pierre-Laurent Aimard im Oktober 2018 eine Empfehlung per E-Mail:
Wenn Sie genauso begeistert waren, haben wir hier eine gute Nachricht für Sie: Am 2. Mai 2019 ist der Ausnahmepianist erneut im Großen Saal der Elbphilharmonie zu erleben. Bei seinem Auftritt widmet er sich einem weiteren Klassiker der Klaviermusik des 20. Jahrhunderts: György Ligetis fantastischen Klavieretüden. … Wir freuen uns sehr, wenn Sie uns bei dieser musikalischen Entdeckungsreise mit Neugier und offenen Ohren begleiten.
Dieser Aufforderung bin ich gerne gefolgt, obwohl ich in diesem Leben wohl kein Ligeti-Fan mehr werde. Auch Aimards Vortrag konnte daran nichts ändern.
Warum ich trotzdem maßlos fasziniert war und jederzeit wieder ein Ticket kaufen würde? Virtuosität um ihrer selbst willen interessiert mich nicht, aber Pierre-Laurent Aimard vermag auch noch solchen Passagen Ausdruck zu verleihen, bei denen das Ohr des Laien die Anweisung „wildes Eindreschen auf die Klaviatur im Bereich der Großen und Kleinen Oktave, Dauer ca. 2 Minuten, Dynamik nach Ermessen“ auf dem Notenblatt vermutet. Sprachloses Erstaunen.
Irgendwo auf der Welt gibt es bestimmt ein Publikum, dass es schafft, einer solchen Leistung den gebührenden Respekt zu zollen. Der trotz aller Anstrengungen des Hauses noch immer zu große Pöbelanteil scheiterte daran am vergangenen Donnerstag krachend: Blitzende Kameralichter, blinkende Displays, mittendrin ein laut plärrender Klingelton, dazu ein „peinliches Rudelhusten“ (Zitat eines Mitleidenden) in der kurzen Verschnaufpause und als Krönung neben mir das Pärchen, dass sich während des Konzerts eine Cola Zero teilte (liebe Leute: ja, man hat gehört, dass in der Flasche Kohlensäure drin war! Jedes Mal!) und nicht bis zum Ende des Konzerts damit warten konnte, sich über das Erlebte auszutauschen, sowohl untereinander als auch per WhatsApp mit der Außenwelt.
Ich formuliere es bewusst drastisch: So wird das nichts mit dem Weltklasse-Konzertsaal. Denn nicht nur aufgrund der hypersensiblen Akustik des Raumes kann der leider nur so gut sein, wie auch das Publikum es zulässt.