… oder: Was gerade wichtiger ist als bloggen.
Monat: Juni 2018
In Concert: Radiophonic Workshop in der Elbphilharmonie
Das war ja vorhin ein, hm, ziemlich exklusives, wenn auch dafür umso enthusiastischeres Zuhörergrüppchen im kleinen Saal der Elbphilharmonie. Mir völlig unverständlich! Was ist schon ein simples (und, wie sich obendrein herausstellte, verkorkstes) WM-Gruppenspiel der deutschen Fußballherrennationalmannschaft gegen einen der raren Liveauftritte des Radiophonic Workshop in Deutschland?
Sollte es doch etwas wie Wiedergeburt geben und dabei weder Raum noch Zeit eine Rolle spielen, dann träte ich gerne nochmal als Mitglied dieser Veteranentruppe an. Ich meine, wie cool sind die denn bitte: erst bei der BBC Kultstatus erlangen und dann im fortgeschrittenen Alter mit ehemaligen Kollegen und neuen Mitstreitern die Bühne erobern. (Der Observer fand dazu mit „the electronic Buena Vista Social Club“ die perfekte Umschreibung.)
Ach ja, und ich möchte das Theremin spielen. Bitte.
Schreibfaul
Ein ganz klares Versäumnis: Über Max Richter, das 12ensemble und Sarah Sutcliffe mit „Infra“ und „The Blue Notebooks“ in der Elbphilharmonie habe ich bisher nichts berichtet. Dabei war das Konzert sehr schön und bewegend. Das Ticket hat fast ein ganzes Jahr an meiner Pinnwand verbracht – ein neuer Rekord. Allein, manche Abende sind es wert. Dies war einer davon.
Aus unerfindlichem Grunde lösten Richters deutsch-englische Ansagen bei mir eine akute Londonsehnsucht aus. Für Sekundenbruchteile stellte ich mir vor, nicht in der Elbphilharmonie, sondern im Rang des Barbican Centre zu sitzen, um mich herum das klassiknerdige, britische Publikum, auf der Bühne neben dem Komponisten und den Musikern die Tänzer, für die „Infra“ ursprünglich geschrieben wurde. Und da war ja auch noch die Sache mit dem Ticket für Ólafur Arnalds‘ Debüt in der Royal Albert Hall Mitte Mai. Immerhin konnte ich es in gute Hände abgeben – – –
Hier bitte einen tiefen Seufzer einsetzen. (Nächstes Jahr wieder.)
Zwischenspiel
Goldmeister im NDR Radiohaus 12: Das swingt.
Am kommenden Sonntag dann bei den „Hamburg Sounds“.
Schnelldurchlauf
Mittwoch
Manchmal reicht ein verschobener Konzerttermin, um eine kulturreiche in eine Kulturstresswoche zu verwandeln. In diesem Fall war es das Konzert von JaKönigJa im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Ich hätte den Auftritt dennoch auf keinen Fall missen mögen, gerade auch wegen der Verstärkung durch Mitglieder der Jungen Symphoniker (Streicher, Holz- und Blechbläser). Das Zusammenspiel war bisweilen zwar nicht perfekt abgestimmt und auch in puncto Sound und Abmischung wollten die klassischen nicht ganz zu den weniger klassischen Instrumenten passen. Dem besonderen Reiz der Kombination tat das keinen Abbruch.
Donnerstag
Anders als die Elbphilharmonie kann die Laeiszhalle nicht mit klimatisierten Räumen aufwarten. Bei den Temperaturen der letzten Maitage geriet das Stummfilmkonzert der Hamburger Symphoniker unter der Leitung von Stefanos Tsialis zur Herausforderung – am Ende der Veranstaltung war nicht nur der Dirigent gut durch. Sei’s drum, Charlie Chaplin („Der Zirkus“, „Die feinen Leute“) geht einfach immer und unter allen Bedingungen.
Freitag
Irgendwie war es abzusehen: Seit Anfang der Woche waren Gewitter und Regenfälle bereits angekündigt, aber alles Unwetter beschrieb bis einschließlich Donnerstag einen eleganten Bogen um die Hansestadt. Punktgenau, gewissermaßen zur besten Sendezeit am ersten Tag des Elbjazz-Festivals, öffneten sich schließlich die Schleusen über Blohm & Voss und spülten unter anderem den Auftritt des Michael Wollny Trio über Bord. Zuvor hatte ich immerhin schon die von Kinga Głyk und dem Omer Klein Trio bewundern dürfen. Mein Glück im Unglück: In einer der kurzen Regenlücken zwischen 20 und 22 Uhr sprintete ich zum Alten Elbtunnel, um dann an den Landungsbrücken einem Bus der Linie 111 quasi in die Arme zu laufen, der schnellsten (und trockensten!) Verbindung von dort zur Elbphilharmonie. Dadurch war ich zwar eine gute Stunde zu früh, hatte dafür aber das feste Plaza-Dach über dem Kopf, was den Unterhaltungswert der letzten Gewitterausläufer erheblich steigerte.
Meine Reservierung hatte ich ursprünglich für „Michael Wollny & Friends“ (Samstag, 23 Uhr) getätigt, dann aber bei der Ticketausgabe versehentlich eine Karte für „Michael Wollny & Konstantin Gropper“ (Freitag, 23 Uhr) erhalten. Einerseits ärgerlich, verpasste ich doch dadurch den gemeinsamen Auftritt Wollnys mit Vincent Peirani und Émile Parisien. Andererseits stehen Termine des Duos Wollny/Gropper noch seltener auf den Spielplänen. Die beiden präsentierten ihre ganz eigene Form eines Liederabends, inspiriert durch Schuberts „Winterreise“, und kombinierten Stücke aus diesem Zyklus mit Liedern und Songs u. a. von Richard Strauss, Madonna, Pulp und den Flaming Lips. Ungestraft, möchte ich hiermit betonen. Ein Ereignis.
Samstag
Als ein ähnlich magisches Erlebnis entpuppte sich die Darbietung von Kat Frankie tags darauf in der Hauptkirche St. Katharinen. Frankie trat zunächst solo mit Gitarre an, um zum zweiten Teil ein fünfköpfiges Vokalensemble mit auf die Bühne zu bitten. Wer die Akustik des Gebäudes kennt, bekommt bei der bloßen Beschreibung Gänsehaut. Phantastisch.
Gar nicht so einfach, danach auf GoGo Penguin umzuschalten. Aber da ich es sehr rechtzeitig zur Bühne am Helgen geschafft hatte, konnte ich den Auftritt, von Schiffsgetute und Feuerwerk in der unmittelbaren Nachbarschaft eingeläutet, aus der ersten Reihe verfolgen. Das half.
Dann wurde es auch schon wieder Zeit für das leichte Vollzeug nebst Südwester. Den lege ich den Veranstaltern hiermit wärmstens als potenziellen Merchandising-Artikel ans Herz – ich sag nur: Festivalkonzerte und Festivalbesucher mit Schirmen… nun ja. Ich beendete mein Elbjazz-Programm mit einem Stündchen bei Kamasi Washington und einer kurzen Stippvisite bei der Aftershowparty in der Schiffbauhalle.
Sonntag
Erlend Øye auf Kampnagel, akustisch, zusammen mit italienischen und chilenischen Musikern – eine solch tiefenentspannte Fröhlichkeit habe ich lange nicht auf einer Bühne gesehen. Oder überhaupt sonst wo. Es war fast unmöglich, sich dem zu entziehen und so ließ sich die K6 mehrheitlich anstecken.
Und gerade als ich dachte, ich hätte jetzt ein paar Tage Pause bis Max Richter kamen mir die „Hamburg Sounds“ dazwischen. Stay tuned!