Anfang September stieß ich durch Zufall auf ein Bändchen, dessen Titel mir Unterstützung beim Erforschen meiner neu erwachten, noch sehr zart keimenden Theaterleidenschaft verhieß: „Wie es euch gefällt: der kleine Theaterversteher“ von Bernd C. Sucher. Untertitel („Alles was auf, vor und hinter der Bühne geschieht“), Klappentext, Einleitung und Kapitelaufteilung versprachen die kurze und knappe Vermittlung genau des Hintergrundwissens, an dem es mir mangelte. Was genau macht eigentlich ein Dramaturg? Woher kommt der Regisseurberuf und wie kommt es, dass er in Deutschland eine so besondere Rolle spielt? Wie erkenne ich, ob eine Produktion handwerklich stimmig ist, nach welchen objektiven Kriterien kann oder sollte ich eine Aufführung beurteilen? Ist das überhaupt (noch) möglich?
Als ich rund vier Wochen später endlich Muße fand, mich der Lektüre zu widmen, stellte sich nach wenigen Seiten herbe Enttäuschung ein. Was für eine Mogelpackung! Klare Definitionen und präzise Beschreibungen sind Mangelware. Stattdessen zitiert Sucher seitenweise um den heißen Brei herum, unter anderem Diderot, Lessing und Adorno, abwechselnd mit Schnipseln aus der Wikipedia. Dazwischen werden immer wieder Inszenierungsanalysen gestreut. Erstaunlich auch, wie viele Fachbegriffe bzw. generell Fremdwörter ich nachschlagen musste. Unter einem Einführungsband für Laien hatte ich mir etwas anderes vorgestellt. „Und so sehen wir betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen“, hallte es gleich mehrfach durch meinen Kopf. Für die Jüngeren unter uns: Das ist nicht original Brecht, aber beinahe.
Meinen Ärger herunterschluckend, kämpfte ich mich dennoch tapfer durch den Text. Zu den auf diese Weise härter als nötig errungenen Erkenntnissen gehört: Nicht das Regietheater im Allgemeinen ist, an dem ich mich in der Vergangenheit gestoßen habe. Es sind vielmehr die postdramatischen Auswüchse, bei denen Performance im Vordergrund steht und nicht ein Text oder die Schauspielkunst, und bei denen die Idee der Inszenierung in Reizüberflutung und Provokationslust untergeht – so denn überhaupt eine erkennbar, ja, vorhanden ist. Nichtsdestotrotz werde ich auch solche Veranstaltungen künftig mit anderen Augen betrachten können und mich fragen, ob ich bei der Beurteilung die richtigen, soll heißen: zur Gattung passenden Maßstäbe ansetze.
Nach Bernd C. Sucher habe ich in der Vorbereitung auf den gestrigen Theaterabend alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Ich hatte den dem Stück zugrundeliegenden Text, einen Roman von Michel Houellebecq, nicht gelesen und hätte das auch keinesfalls in der Originalsprache vermocht – meine Französischkenntnisse kann man bestenfalls als rudimentär passiv bezeichnen. Mir blieb keine Muße, mich mit der Inszenierung zu befassen, mit anderen Aufführungen, der Regisseurin, dem Bühnenbildner etc.; lediglich dem Namen Edgar Selge konnte ich ein Gesicht zuordnen. Ich beging sogar den Kardinalfehler, auf der Suche nach Orientierung noch vor dem Kartenkauf einzelne Kritiken zu überfliegen. Denen entnahm ich, dass eine überragende schauspielerische Leistung zu kargem, aber wirksamen Bühnenbild zu erwarten war.
Und wisst ihr was? Es stimmte nicht nur. Zumindest für den gestrigen Abend reichte es mir vollkommen.
Im Wesentlichen waren es drei Fehlinformationen, die mich bisher davon abgehalten hatten, am barcamp Hamburg teilzunehmen:
Wer nicht wenigstens bloggt, zählt nicht zur digitalen Szene und hat somit auf einem Barcamp nichts zu suchen.
Es geht dort ausschließlich ums (Internet-)Business, entsprechend gestalteten sich Publikum, Programm und Interessen.
Wer anwesend ist, muss auch zwingend eine Session abhalten oder zumindest anbieten.
Tatsächlich reichen eine gute Portion Neugier sowie Lust auf Input und Interaktion völlig aus. Internetaffinität, Social Media-Präsenz und/oder ein eigenes Blog helfen, keine Frage. Aber nicht notwendigerweise als Voraussetzung für die Teilnahme, sondern vielmehr als Kommunikationsmittel; sei es zur Fortsetzung des Informations- und Ideenaustauschs über die Sessions hinaus oder generell zum Vernetzen.
Eine Barcamp-Grundregel ist: Es gibt keine feste Tagesordnung und keine festen Sprecher. Die Themen ergeben sich aus den Ideen und Vorschlägen der Teilnehmer und entsprechend spontan wird vor Ort und unmittelbar vor Beginn der Sessions das Tagesprogramm zusammengestellt.
Die Sessionplanung hatte ich mir als zeitrahmensprengendes Chaos vorgestellt. Eine weitere Fehleinschätzung – das genaue Gegenteil trat ein. Fein gesittet in Reih und Glied wurden Vorschläge unterbreitet, eine kurze Bedarfsanalyse mittels Handzeichen durchgeführt und zack, gebongt, der Nächste bitte. Ein buntes Spektrum tat sich dabei auf: Vom digitalen Nachlass über Geigenbau, Finanzen für Freelancer, Kinderbücher, Typo 3, Agilität, Marktforschung für Beginner, die Auswahl des richtigen Kondoms, Loslassen lernen, ADHS, digitales Geld, einer Werkstatt für Potentiale, Bürgerbeteiligung, B2B-Marketing, Community und Social Media Management bis hin zu Godzilla, den Serienjunkies und Renes Torten- und Brotgeheimnissen.
Das Board abzufotografieren und auf dieser Grundlage die eigene Agenda zu planen, ist zwar grundsätzlich eine gute Idee. Regelmäßige Gegenchecks sind dennoch ratsam, da sich auch im Laufe des Tages noch kurzfristig Änderungen ergeben können. Ein weiteres Handicap: Viele interessante Themen werden parallel präsentiert. Bei der Bewältigung dieses Dilemmas hilft das Festival-Prinzip: Entscheidungen treffen, eine grobe Reihenfolge festlegen, Laufwege, Verpflegungs-, Plauder- und Boxenstopps mit einrechnen und den so erstellten Fahrplan im Zweifel konsequent über Bord werfen.
Tag 1
Zur Barcamp- kam gleich zu Anfang eine weitere Premiere: Ich habe einen YouTuber kennengelernt! Zunächst frontal in der Session „Online-Identität ‚Tom Tastisch'“ und später auch im persönlichen Gespräch.
Thomas Lerche alias Tom Tastisch ist seit fast einem Jahr und noch bis zum 12. Dezember jeden Morgen ab 6:00 Uhr zwanzig Minuten lang auf Sendung. Ziel der Morgenroutine und des täglichen, auf YouTube bereitgestellten Siebenminutenzusammenschnitts: Optimismus trainieren. Bei der Session ging es sowohl um organisatorische Fragen als auch um die Abgrenzung zwischen dem Positivstarter Tom als Online-Identität und der reflektierteren, „echten“ Person dahinter, die wie jeder andere Mensch gelegentlich auch mal mit dem falschen Fuß aufsteht.
Ania Groß kenne ich schon eine ganze Weile, aber der Begriff „Sketchnotes“ war für mich bisher nicht viel mehr als ein Buzzword.
Mitgenommen habe ich aus ihrer Session, dass man zum Erstellen einer Sketchnote nicht zwingend zeichnen können muss, sondern es im Kern darum geht, Text auszuzeichnen und mittels graphischer Elemente so zu gliedern, dass Schlüsselsätze und -begriffe als solche erkennbar sind.
In der Runde „Plädoyer für mehr Anständigkeit in Social Media und Community Management“ von Vivian Pein stellte ich schnell fest, dass mir viele der beschriebenen Verhaltensweisen und Reaktionsstrategien bereits aus eigener Berufserfahrung bekannt waren. Unterm Strich ist es unerheblich, ob es um den aufgebrachten Kunden an der Ladentheke oder am Telefon, verbal entgleiste E-Mails, einen Kommentar-Shitstorm bei Facebook, Forumstrolle oder Twitterpöbeleien geht: Einfühlungsvermögen, Kommunikation auf Augenhöhe, Souveränität, Humor, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit, im Zweifel aber auch die konsequente Anwendung eines entsprechend gestalteten Regelwerks helfen nicht nur bei der Bewältigung der konkreten Situation. Idealerweise erfüllen sie zudem eine Vorbildfunktion, auch über die digitale Welt hinaus: Nicht nur das Netz (oder das Barcamp) ist, was wir daraus machen.
Bei der Sessionplanung flogen verschiedene Schlagwörter durch den Raum, von denen ich zuvor nie gehört hatte. Dazu gehörten auch Scrum und Agilität. Ein Grund, um sich in die Session von Madita Althusmann zu begeben. Scrum, so verstand ich daraus, ist eine Möglichkeit, agiles Arbeiten in (Software-)Unternehmen zu gestalten. Im Gegensatz zur klassischen Struktur („Waterfall“) gibt es bei einem Projektablauf nach der Scrum-Methode keinen Hauptverantwortlichen. Das Team organisiert unter Aufsicht eines Spielleiters („Scrum Master“) sowohl die Arbeitsschritte als auch die Aufteilung derselben in Eigenregie, der Projektfortschritt wird nicht in großen Planungsphasen, sondern in kurzen Termineinheiten („Sprints“) gedacht und am Ende eines jeden Sprints muss ein vorzeigbares Produkt stehen.
Schon aus der Diskussion im Anschluss an den Vortrag war zu erkennen, dass – wie bei nahezu jeder Ausprägung von Methodik – die reine Lehre oft nicht realitätstauglich ist. Vorhandene Unternehmensstrukturen, unter Umständen zu Recht bewährte Prozesse und die Vielschichtigkeit mancher Aufgabenstellung machen eine Anpassung in vielen Fällen unumgänglich. Beinahe unvermeidlicherweise fiel dabei der Satz „Dann lebt ihr das vielleicht noch nicht.“ Was allerspätestens der Moment ist, an dem ich mich an der Grenze zum Reich der Fitnessgurus und Heilsversprecher wähne und höchst skeptisch werde. Ein ostwestfälisch-norddeutscher Reflex, zugegeben.
Bei einem Gespräch am nächsten Tag ergab sich die Gelegenheit, den Faden nochmals aufzunehmen. Ist ein selbst organisierter (Abenteuer-)Urlaub im Sinne der Definition agil, verglichen mit der Pauschalreise? Geht es dabei letztlich nicht doch mehr um die Denkweise als um die Methode? So oder so: Es lohnt sich, dem Thema ein paar Überlegungen zu widmen.
Als der Natur der Sache gemäß wesentlich handfester erwiesen sich Rene Sasses Brot- und Tortengeheimnisse. Manche Tricks, so hat jeder wohl beim Kochen und Backen schon festgestellt, sind nicht nur äußerst hilfreich, sondern spielentscheidend für ein zufriedenstellendes Ergebnis. Viele davon werden jedoch in Rezepten nicht mitgeliefert, sondern fallen unter die Rubrik Erfahrungswerte. Dazu zählt, dass ein Backofen, der nicht ordentlich heiß wird, keine hübschen Brötchen liefert.
Oder dass – nach Renes Mutti – eine Torte keine ist, wenn in ihr nicht wenigstens 1,5 Liter Konditorsahne verarbeitet sind. Nach dieser Anregung werde ich zumindest das Projekt Brötchen in nächster Zeit mal in Angriff nehmen.
Tag 2
Geigenbauerin Anne Pelz führte zu Beginn des zweiten Tages in die Geheimnisse ihrer Zunft ein. Dabei lernten wir, dass die Schnecke auch die Form eines Eselskopfes annehmen kann, welcher Teil der Geige als Stimme bezeichnet wird und wie die Wölbung bei Decke und Boden des Instruments entsteht.
Nämlich nicht durch Formen des Holzes, sondern durch schlichtes Abhobeln. Unter anderem mit diesem Werkzeug.
Wir erfuhren außerdem einiges über das Berufsbild des Geigenbauers, die Beziehung mancher Geigenbesitzer zu ihrem Instrument und was eine Stradivari so besonders macht.
In der zweiten Session des Tages berichtete Gianna Krolla von elbkind über den medialen Siegeszug der Ritter Sport Einhornschokolade. Die Idee für die limitierte Sorte entstand aus einer Trendbeobachtung bei den eingereichten Sortenkreation-Vorschlägen, die sich zudem in den diversen im Netz verbreiteten Fake-Sorten manifestierte.
Kurz nach dem Launch am Tag des Einhorns 2016 verbreitete sich die Nachricht von der neuen Sorte wie ein Lauffeuer, innerhalb wie außerhalb des Netzes. Obwohl der Ritter Sport-Webshop wenig später unter der Flut der Kaufwilligen zusammenbrach, hat die Marke unterm Strich von der Kampagne profitiert. Wobei das Ziel von Anfang an nicht eine konkrete Umsatzsteigerung war, sondern die Ansprache neuer Zielgruppen in einem weitgehend gesättigten Markt.
Zum Frühling nächsten Jahres, so kündigte uns Gianna an, wird Ritter Sport eine neue limitierte Sorte präsentieren. Das Einhorn ist derweil medienwirksam zurückgetreten.
Wer es noch nicht mitbekommen haben sollte: Ich befinde mich momentan auf Jobsuche. Ein sehr guter Anlass, um mir in der Session von Holger Ahrens ein paar Hinweise zur Gestaltung von Profilen auf XING und LinkedIn geben zu lassen. Seine fünf Untipps: Nur ein zu 150% perfektes Profil ist ein gutes Profil, ein lustiges Foto erhöht die Chancen auf ein Vorstellungsgespräch, Informationen soll man horten und nicht teilen, man vernetze sich am besten mit ausnahmslos jedem und verballere überhaupt soviel Zeit wie möglich mit seiner Onlinepräsenz. Für alle, die das „Un“ vor dem „Tipps“ nicht gelesen oder gar missinterpretiert haben: so natürlich nicht.
Zum Abschluss des zweiten Tages beschäftigte mich nochmals das Thema Social Media und Community Management – „aus Gründen“, wie man so schön sagt. Vivian Pein und Tanja Laub definierten die idealtypischen Berufsbilder des Social Media und des Community Managers und führten uns anschließend mittels der Daten aus einer Studie des Bundesverbands Community Management e. V. (BVCM) vor, wie sich die reale Situation des Standes zurzeit darstellt.
So viel Wissensvermittlung und -austausch macht Hunger und Durst! Um die Verpflegung indes musste sich kein Teilnehmer sorgen. Ich weiß dann jetzt, warum das barcamp Hamburg auch zärtlich „Fresscamp“ genannt wird.
Lange Rede, kurzer Sinn – wer es noch nicht mitgemacht hat: Barcamps sind toll! Sowohl das ehrenamtliche Orgateam als auch die Sponsoren – allen voran die otto group, in deren Räumlichkeiten wir uns austoben durften – verdienen ein großes Lob und ein dickes Dankeschön.
Und im nächsten Jahr halte ich selbst eine Session. Versprochen.
Als ich Anfang Juli letzten Jahres nach dreieinhalb prallgefüllten London-Tagen ebenso derbe übermüdet wie aufgedreht im Flugzeug Richtung Hamburg saß, hatte ich eher zufällig das Album „Spells“ von Ben Lukas Boysen auf den Ohren. In Heathrow herrschte Hochbetrieb und in einer endlos scheinenden Schlange von Kurz- und Mittelstreckenmaschinen kamen wir nur langsam voran. Vor uns eine weitere BA, hinter uns eine Finnair: Die Flieger starteten im Minutentakt. Schließlich rückte unser Slot näher, zeitgleich erklangen die ersten Takte von „Nocturne 4“ aus meinem Kopfhörer. Exakt bei 2:39 bog die Maschine auf die Startbahn und beschleunigte.
Seither ist die Musik von Ben Lukas Boysen für mich untrennbar mit dem Gefühl des Abhebens verknüpft und insofern erschien mir die Location für seinen ersten Live-Auftritt in Hamburg ideal gewählt.
Dazu kommt, dass die musikalische Entdeckungsreise, die mich unter anderem zu diversen Erased Tapes-Künstlern (und damit überhaupt erst nach London) führte, vor etwas mehr als zehn Jahren im Planetarium und bei Raphaël Marionneau begonnen hatte. Somit schlossen sich mit dem ersten „le concert abstrait“ für mich gleich mehrere Kreise. Wobei, der Vergleich hinkt. Die korrekte geometrische Darstellung wäre wohl ungleich komplexer.
Neben der Vorfreude über die angekündigte Konstellation war ich darauf gespannt, wie Ben Lukas Boysen, unterstützt von Schlagzeug, Harfe und Cello (Anne Müller! Wie schön!), die perfekt arrangierten Studioklänge live umsetzen würde. Tatsächlich war der Planetariumsauftritt erst sein zweites Konzert überhaupt; die Premiere hatte Anfang September anlässlich des zehnjährigen Bestehens von Erased Tapes („Erased Tapes is ten“) im Londoner Village Underground stattgefunden.
Kurz nach 19 Uhr war es schließlich so weit: Umrahmt von zwei meiner allerliebsten AWVFTS-Tracks starteten Raphaël und Ben nebst Band zu einem einzigartigen Höhenflug. Erwartung erfüllt und übertroffen! Von der freigesetzten Endorphinladung werde ich eine ganze Weile zehren können.
Nur eine einzige Steigerung zu diesem Debüt kann ich mir noch vorstellen. Ich schreibe sie nicht auf, denn ich habe einen Wunsch unter dem künstlichen Sternenhimmel getan, zu elektronischen Sternschnuppen, und es ist anzunehmen, dass für dieses Verfahren die gleichen Gesetze gelten wie in der Natur.
Ich bin schon mehrmals gefragt worden, wie ich mir eigentlich die zahlreichen, in der Mehrzahl ungesponserten Konzert-, Opern- und Theaterbesuche habe leisten können, von denen ich hier unter anderem berichte. Die Antwort ist ganz einfach: mittels schnöder Mischkalkulation.
Meistens sitze ich irgendwo zwischen Holz- und unterer Mittelklasse. Entgegen anderslautender Klischees muss man nicht zwingend zu den oberen Zehntausend gehören, um (sogenannte) Hochkultur genießen zu können. Man kann je nach Aufführung ab 12 Euro in Elbphilharmonie und Staatsoper, ab 15 Euro im Schauspielhaus und ab 9,90 Euro bei den Hamburger Symphonikern in der Laeiszhalle sitzen. In einigen Fällen nimmt man dafür zwar eine einschränkte Sicht in Kauf, aber mit ein bisschen Erfahrung und Recherche bekommt man schnell heraus, welches die visuell am wenigsten beeinträchtigten Plätze sind. Es lohnt sich außerdem, auf die jeweilige Preisgestaltung zu achten. Manche Häuser machen Unterschiede zwischen Werk- und Wochenendtagen, die Premiere ist zumeist kostspieliger als die Folgeaufführungen und gelegentlich werden Sonderaktionen angeboten. Außerdem, so gestehe ich freimütig, habe ich in manchen Fällen auf Begleit-, Frei- oder Steuerkarten bzw. Gästelistenplätze zurückgreifen können. Nicht, weil sich die Geber davon wohlwollende Blogartikel erhofften, sondern weil ich ein paar ausnehmend nette Menschen kenne, die mir mit Freude oder gar aus Überzeugung dabei helfen, die (Kultur-)Bestie zu füttern.
Das heutige Konzert des Tingvall Trio in der Elbphilharmonie war eine der sorgsam ausgewählten Ausnahmen von der Regel. In meiner andauernden Klavierverliebtheit hatte ich nach der Niederlage bei der elphi-eigenen Ticketverlosung so lange nach Karten gejagt, bis ich mithilfe der Theaterkasse Schuhmacher schließlich fündig wurde. Wobei PK 1 im vorliegenden Falle 49 Euro (inkl. 2 Euro Gebühr) bedeutete. Das hält sich immer noch sehr im Rahmen, wenn man bedenkt, welche (offiziellen) Preise für manch andere Veranstaltung im Großen Saal aufgerufen werden. Von den viagogo- und ebay-Auswüchsen ganz zu schweigen.
Soweit zur Vorgeschichte. Wie nun aber nach dem Konzert derart erfüllte Vorfreude in Worte kleiden, ohne zu wiederholen, was ich im letzten Dezember schon schrieb? Schwierig.
Vielleicht genügt es, zu gestehen: Ich bin klavierverliebter denn je.
Ein wenig peinlich ist es ja schon, dass ich es als „gelernte“ Bibliothekarin in zwölf Jahren nicht ein einziges Mal in die Staatsbibliothek geschafft habe. Dabei sind die Bestände nicht nur Studenten zugänglich, sondern auch allen anderen Interessenten. Die Stabi fungiert zudem als Hamburger Landesbibliothek. Entsprechend bunt ist die zur Verfügung stehende Medienauswahl.
Bibliotheksführungen stehen zwar regelmäßig auf der Agenda, der Einblick hinter die Kulissen und in den Magazinbereich bleibt aber für besondere Gelegenheiten wie die „Nacht des Wissens“ reserviert.
Rund 4 Millionen Medien, darunter 3,5 Millionen Bücher: Allein die schiere Menge der aufbewahrten Schätze überwältigt. Dazu kommt die besondere Atmosphäre des Bücherturms. Der Zutritt zu diesem Bereich ist auch bibliotheksintern streng reglementiert.
Das siebzehnstöckige Gebäude ist allerdings mittlerweile nicht mehr der einzige Lagerort: Seit 2002 können Bücher und Medien zusätzlich in einer Speicherbibliothek in Bergedorf untergebracht werden.
Ein Highlight der Führung: der Kurzausflug auf das Dach des Bücherturms. Sitzungsraum und Terrasse bieten einen spektakulären Ausblick auf die Stadt.
Nach der offiziellen Tour ergab sich die Gelegenheit zu einem Rundgang durch die Lesesäle an der Seite eines künftigen Stabi-Mitarbeiters.
Die Stabi ist zwar im Grundsatz eine Magazinbibliothek, verfügt aber auch über einen offen aufgestellten und somit frei zugänglichen Präsenzbestand. Im Haus stehen über 900 Arbeitsplätze zur Verfügung, darunter Computer- und Gruppenarbeitsplätze, abschließbare Arbeitskabinen für Examenskandidaten und eine laptopfreie Zone.
Auffälliges Merkmal der im Haus verteilten Schließfachanlagen: Sie arbeiten mit selbst gewählten PIN-Kombinationen statt mit Münzeinwurf oder Vorhängeschlössern und die einzelnen Fächer tragen Namen statt Nummern. Im Foyer sind sie nach Städten, im Lesesaalbereich nach literarischen Figuren benannt.
Während „Darwin“ Schirm, Jacke und Schal sicher verwahrte und anstandslos wieder entließ, wollte „Winnetou“ meine kurzfristig am Lesesaaleingang deponierte Tasche mit Schlüssel, Portemonnaie und allem Zipp und Zapp partout nicht herausrücken. Das kommt davon, wenn man PIN-Einflüsterungen Dritter nachgibt. Zum Glück kann das Aufsichtspersonal in solchen Fällen auf ein wirksames Antidot zurückgreifen und so musste der Häuptling der Apachen sich schließlich doch geschlagen geben.
Soweit mein allererster Ausflug in die größte wissenschaftliche Allgemeinbibliothek der Hansestadt! Ich werde in den nächsten Tagen und Wochen versuchen, weitere bibliothekarische Bildungslücken zu schließen. Weit oben auf meiner Liste: Die Bibliothek des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie.
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