„Wie war denn nun das Konzert? Hast Du die Zottelrinder getroffen?“
Anders als in meinem Traum über die Premiere von „Room 29“ mit Chilly Gonzales und Jarvis Cocker auf Kampnagel verlief mein Konzertbesuch am Sonntag vor einer Woche (fast) ohne besondere Vorkommnisse. Ich war am richtigen Tag zur richtigen Stunde da, hatte mein Ticket nicht an der Küchenpinnwand vergessen, fand den regulären Eingang und traf weder auf Viehzeug noch auf rheinische Bekannte.
Nur den Zimmerschlüssel aus der „Work in Progress“-Vorstellung von vor knapp einem Jahr hatte ich an der Klavierleuchte hängen lassen. Dabei wollte ich doch schauen, ob er noch passt. Aber offenbar ist „Room 29“ seither nicht nur renoviert worden, es wurde auch das Schloss ausgetauscht. Schade – das kleinere, altmodische Exemplar erschien mir irgendwie passender.
„Room 29“ als „Song Cycle“, also „Liederzyklus“ zu bezeichnen, ist einer der zahlreichen genialen Einfälle des Duos Cocker/Gonzales: Nicht auf ein enger definiertes Format festgelegt zu sein, eröffnet maximalen Spielraum. Den beide weidlich nutzen, insbesondere Cocker in der Rolle als (Ich-)Erzähler und Moderator. Wobei „Room 29“ dadurch in Teilen auszufransen droht – die Episode „Jarvis im Fernseher“ hätte man beispielsweise auslassen können und der an sich großartige Song zum Epilog („Ice Cream As Main Course“) wirkte mühsam angebaut.
Aber das ist letztlich Rosinenpickerei. Unabhängig von Konzept und Inszenierung bleibt es ein ausgemachtes Vergnügen, Jarvis Cocker singen und erzählen und Chilly Gonzales (und das Kaiser Quartett) spielen zu hören. Eine Talentkombination, die sich gesucht und gefunden hat.
Übrigens, wem bei „Room 29“ musikalisch einiges bekannt vorkommen sollte, der hat richtig gehört. Der Song „Clara“ beispielsweise basiert auf „Armellodie“ („Solo Piano“). Den Rest konnte ich nicht dingfest machen, aber es war nicht das einzige akustische Déjà-vu des Abends.
Bleibt noch, eine kleine Warnung auszusprechen: „Room 29“ setzt an einigen Stellen auf Publikumsbeteiligung. Drüben im Soul Stew Blog erzählt Martin, wie es ihm dabei ergangen ist. Insbesondere Jarvis Cocker zeigt trotz seines betont britischen Auftretens keinerlei Berührungsängste. So tauchte er nach dem Kurzausflug in die Flimmerkiste mitten in den Rängen wieder auf und bahnte sich durch das Publikum den Weg zurück auf die Bühne. Aufgrund meines Randplatzes in Reihe 13 kam ich auf diese Weise in den Genuss, eine Zeile lang „angesungen“ zu werden. Ich widerstand dabei nur mit großer Mühe dem absurden Impuls, dem Mann an der Krawatte zu zupfen. „Das kannst Du nicht bringen, der singt doch hier gerade“, warf mein Verstand eben noch rechtzeitig ein.
Ob es mir gelungen wäre, steht auf einem anderen Blatt. Aber mittlerweile ärgert es mich, die Gelegenheit ausgelassen zu haben, Mr. Jarvis Cocker aus dem Konzept zu bringen. Hat man ja schließlich auch nicht alle Tage.
Wie, „keine rheinischen Bekannten“? Pfft.
Bekannte nicht, Freunde wohl!