„Otello“ in der Staatsoper Hamburg

In der Staatsoper Hamburg war ich nun schon ein paar Mal, aber erst als ich im vergangenen Herbst die Liveübertragung der Spielzeiteröffnung 2016/17 am Jungfernstieg sah, fiel mir auf, dass ich dort zwar Ballettvorführungen und Konzerte, aber noch nie eine Oper besucht hatte. In über 11 Jahren in Hamburg nicht. Höchste Zeit, das nachzuholen.

Warum es nun ausgerechnet der „Otello“ wurde, tja. Mag sein, dass die mannshohe Plakatierung im U-Bahn-Durchgang zwischen Rathausmarkt und Jungfernstieg eine Rolle spielte (Print wirkt!). Kann aber auch am Datum gelegen haben.

Wie dem auch sei, ich fand kurzfristig noch einen freien Platz mit halbwegs brauchbarem Blick auf das Bühnengeschehen für äußerst erschwingliche 12 Euro, konsultierte den zuvor entstaubten Opernführer und informierte mich grob über die Inszenierung: zeitgenössisch offenbar, von Buhrufen aus dem Publikum war zu lesen; das versprach Kontroverse.

Ob es in Calixto Bieitos Sinne war, dass sich in meinem Kopf angesichts der italienisch singenden Anzugträger auf der Bühne schon ab der ersten Szene Mafia-Assoziationen festsetzten – ich bin mir da nicht ganz sicher.

Die vorgetragene Version der Geschichte um Intrigen, Eifersucht, Gewalt und Mord erinnerte mich jedenfalls an die klassischen Macho-Machtspiel-Szenarien innerhalb eines Clans. In einer Hafenstadt, des das Bühnenbild beherrschenden orangefarbenen Krans wegen, sei es nun auf Zypern, wie das Libretto es vorgibt, oder sonst irgendwo auf der Welt. Ein testosterongesteuertes Wetteifern, in dem Frauen nur als devote Opfer und Status- bzw. Sexobjekte vorkommen. Selbst die Liebesszenen atmen in dieser Inszenierung Unterdrückung und Missbrauch und das ist soweit stimmig.

Was nicht ganz passte, war der Chor. Ein Heer von abgerissenen, schicksalsergebenen und sich um die Champagnerspritzereien der Herrschenden balgender Gestalten, die Textstellen wie

Mentre all’aura vola,
vola lieta la canzon,
l’agile mandòla
ne accompagna il suon.

Zur Mandola klingen
Soll der Freude Lied,
Das auf leichten Schwingen
Durch die Lüfte zieht.

singen, während Desdemona mit einem Blumenstrauß im Arm sich unter ihnen bewegt – das lässt sich meines Erachtens höchstens mittels Ironie in Einklang bringen.

Vermutlich habe ich also auch hier wieder nicht in Gänze begriffen, was der Regisseur dem Publikum mit seiner Inszenierung sagen wollte. Es hat mir trotzdem sehr gut gefallen.

Die musikalischen Gewinner des Abends waren Claudio Sgura als Jago und Svetlana Aksenova als Desdemona – großartig. Und überhaupt, Verdi! Nicht kaputtzukriegen. Schlimmstenfalls hätte das auch mit geschlossenen Augen noch funktioniert.

Apropos, ich merke mir fürs Ohr: Die Staatsoper-Akustik funktioniert sehr gut auch in der Holzklasse auf den günstigen Plätzen (und ist gnadenlos zu klappernden Streichern).

Den dramatischen Abend mit einem doppelten Grappa ausklingen zu lassen, erschien mir im Anschluss nur recht und billig. Wobei das wiederum ganz bestimmt auch dem Datum geschuldet war. Und der anderen Oper da, jenseits des großen Teichs.

Salute.